„Hoffnung ist die größte Triebkraft für Veränderung“

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm teilt die Methoden der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ nicht. Trotzdem hat er drei von ihnen mit dem Innenminister des Freistaats, Joachim Hermann, zusammengebracht. Warum?
Von Johannes Schwarz
Heinrich Bedford-Strohm hofft, dass die Osterhoffnung Ausstrahlung auf die aktuelle Zeit hat

PRO: Am Dienstagabend haben Sie, Herr Bedford-Strohm, drei Vertreter der „Letzten Generation“ mit dem bayerischen Innenminister Joachim Hermann (CSU) zusammengebracht. Wie kamen Sie auf die Idee?

Heinrich Bedford-Strohm: Mir hat die zunehmende Eskalation Sorge bereitet. Ich habe gute Kontakte zum Innenminister. Und gleichzeitig bin ich im Dialog mit Aktivisten der „Letzten Generation“. Wir haben per Mail einen kritischen Diskurs geführt. Daraus ist dann die Idee gewachsen, diese Kontakte in beide Richtungen zu nutzen, um die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Ich hatte nicht die Erwartung, dass die Proteste der Klimaaktivisten dann aufhören. Aber ich hatte die Erwartung, dass man einander zuhört – dies wurde auch erfüllt.

Sind Sie als Vermittler und Diplomat aufgetreten?

Als Vermittler in der Hinsicht, dass die Beteiligten miteinander direkt ins Gespräch kommen. Aber nicht in dem Sinne, dass wir keine Position hätten. Die Kirchen haben seit Jahrzehnten immer wieder die Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels hingewiesen. Insofern teile ich die die Appelle der Aktivisten, die sich engagieren. Ihre Methoden teile ich nicht.

Welche Formen des Protests sind denn legitim?

Die Bewegung „Fridays for Future“ war sehr erfolgreich. Sie haben durch Streiks große Aufmerksamkeit bekommen. Das hat einen Unterschied gemacht. Das sehen die Aktivisten der „Letzten Generation“ anders. Ich glaube, dass der politische Prozess der Schlüssel für eine Lösung ist. Der zivile Ungehorsam ist zwar grundsätzlich eine Möglichkeit um Protest zu zeigen. Meine Sorge ist allerdings, dass sich der Protest in eine Richtung entwickelt, die kontraproduktiv ist. Viele Menschen sind aufgebracht und die Diskussion über die Methoden des Protests überlagern das eigentliche Thema des Klimaschutzes.

Sie vermitteln nicht zwischen anderen Protestgruppen, etwa Querdenkern, und Regierungsmitgliedern. Warum beim Thema Klimaschutz?

Ich halte den Klimawandel für ein absolut dringliches Thema. Es geht jetzt schon um das Leben vieler Menschen, die wegen großen Trockenzeiten ihre Lebensgrundlage verlieren. Das ist ganz anders zu beurteilen als Aktionen von Querdenkern, die zum Teil völlig merkwürdigen Ideologien anhängen. Sie haben keine wissenschaftlich fundierten Grundlagen für ihr Handeln. Das ist in keiner Weise auf eine Stufe zu stellen. Die Bewahrung der Schöpfung hat eine direkte Verbindung mit unserem christlichen Glauben.

Befeuern Sie mit solchen Treffen nicht die Aufmerksamkeit der „Letzten Generation“?

Ich möchte die Dringlichkeit des Themas Klimawandel tatsächlich befeuern. Es muss verhindert werden, dass junge sympathische Menschen in eine immer radikalere Ecke gedrängt werden. Denn sie haben ein berechtigtes Anliegen. Ich sage: Wir brauchen euch. Wir brauchen eure konstruktiven Beiträge. Bitte helft mit, dass diese Gesellschaft sich schnell verändert.

Aber ich sage auch, dass der Rechtsstaat nicht alle Aktionen der „Letzten Generation“ dulden kann. Wir müssen uns auf den politischen Prozess einlassen und diejenigen unterstützen, die in schwierigen Verhandlungen versuchen, effektiven Klimaschutz voranzubringen.

Zurück zum Treffen: Sie beschreiben das Gespräch als „stark“. Woran machen Sie die positive Bewertung fest?

Ich finde es sehr bemerkenswert, dass ein Innenminister kommt und lange Zeit einfach die inhaltlichen Beiträge und Aussagen der drei Aktivisten anhört und sie nicht unterbricht – und auch umgekehrt. Das finde ich stark. Es war eine Atmosphäre menschlicher Wertschätzung. Das brauchen wir in solchen Diskussionen viel öfter. Das hilft immer zur Deeskalation, auch wenn jetzt keine erkennbaren Veränderungen daraus hervorgegangen sind. Ich bedauere, dass mein Vorschlag einer Weihnachtspause der „Letzten Generation“, bei den Aktivisten keinen Anklang findet.

Was meinen Sie mit Weihnachtspause? Hoffen Sie auf veränderte Protestformen der „Letzten Generation“?

Eine Weihnachtspause der Besinnung wäre nicht verkehrt: Wie geht es eigentlich weiter? Wie sollen Forderungen politisch umgesetzt werden? Das 9-Euro-Ticket und ein Tempolimit sind wichtige Forderungen, aber sie betreffen CO2-Ausstoßmengen, die gegenüber der Gesamtherausforderung marginal sind. Es braucht eine viel größere Reflexion, um den politischen Prozess zu fördern, damit ein schnelles breites Umsteuern und die dazu notwendigen Mehrheiten möglich werden. Deswegen ist für mich das Nachdenken wichtig.

Aber auch die Politik muss nach- und umdenken. Der Klimawandel wurde unterschätzt. Die Wissenschaft sagt, dass wir nur noch höchstens zehn Jahre Zeit haben, also ein bis zwei Legislaturperioden, um das Ruder herumzureißen. Wir müssen neu auf diese Dringlichkeit sehen.

Wird es weitere Gespräche mit der „Letzten Generation“ geben?

Es gibt keine Vereinbarung. Aber ich bin mit allen Beteiligten weiter in Kontakt. Wenn ich das Gefühl habe, es kann hilfreich sein, weitere Gespräche zu führen, bin ich da.

Am Donnerstag legte die „Letzte Generation“ kurzzeitig mit ihrem Protest den Münchener Flughafen lahm. Ihr Gast Innenminister Hermann verurteilte die Aktion als „unverantwortlich“. Die Aktivisten sprachen von „nötigen Schritten“. Nun folgen aller Voraussicht strafrechtliche Konsequenzen. Auf welcher Seite stehen Sie?

Ich glaube, dass die Klimaaktivisten ganz genau wissen, dass das rechtliche Konsequenzen hat. Doch diese müssen maßvoll sein. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass die Aktivisten mit ihrer Haltung des immer Weitermachens immer schärfere rechtliche Konsequenzen tragen müssen. Diese Situation hilft niemanden. Ich möchte nicht, dass die Aktivisten im Gefängnis landen, denn dann können ihre berechtigten Anliegen nicht in den politischen Prozess eingehen. Deswegen verhehle ich auch meine Einschätzung nicht, dass dieser Weg der derzeitigen Proteste keine Zukunft hat.

Sie betonen immer wieder die Notwendigkeit des Klimaschutzes. Darüber besteht ein gesellschaftlicher Konsens, doch es passiert wenig. Was tun Sie als Bischof und als Privatperson, um den Klimaschutz zu fördern?

Jeder ist gefragt, zu überlegen, wo man im Alltag einen Unterschied machen kann, der über Symbolisches hinausgeht. Ich fahre, seitdem ich Bischof bin, in München immer mit dem Fahrrad. Das mache ich auch für mich, für meinen Körper und weil es mir Freude macht. Und natürlich überlege ich mir sehr genau, wann ich fliege. Das Fliegen ist in meinem Beruf nicht auszuschließen. Die Flüge werden daher selbstverständlich kompensiert. Das mache ich auch privat, wenn ich mal fliegen muss.

Außerdem fahre ich viel Zug. Dazu kommen die vielen kleinen Dinge im Alltag. Bis hin zur Art des Rasierens Die habe ich umgestellt. Das mache ich nun mit Pinsel und Seife, die in einer wiederverwendbaren Metalldose liegt, so dass es keine Verpackung braucht. Eine ökologische Umstellung im Alltag ist unter den richtigen Rahmenbedingungen möglich, und zwar auch so, dass es sozial für alle machbar ist.

Was gibt Ihnen kurz vor Weihnachten Hoffnung auf eine klimaneutrale Welt und wie geben Sie diese Hoffnung an die Aktivisten der „Letzten Generation“ weiter?

Die Hoffnung gebe ich durch Beziehungen weiter. Indem ich mit Menschen im Gespräch bin. Außerdem ziehe ich Hoffnung aus dem Engagement der Menschen in der Kirche. Christus lässt uns nicht in einem dunklen Loch. Uns ist ein neuer Himmel und eine neue Erde verheißen, wo wir im Einklang mit der Schöpfung sind. Hoffnung ist die beste Grundlage, um auch beherzt zu handeln. Das versuche ich auch gegenüber den Vertretern der „Letzten Generation“ deutlich zu machen.

Hoffnung ist die größte Triebkraft für Veränderung. Im Wochenspruch heißt es nach Lukas 21,28b: „Erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nah.“ Christus kommt uns entgegen. Das Licht kommt uns entgegen in einer Zeit, die so sehr von Dunkelheit geprägt ist. Wir dürfen wir unsere Hoffnung nie aufgeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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11 Antworten

  1. Vielleicht sollte man sich auch vor Abtreibungskliniken festkleben?
    Denn damit könnte sogar tatsächlich ein Menschenleben gerettet werden.

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    1. besser nicht, da hätte man den Staat inklusive die Öffentlichkeit, inklusive die EKD gegen sich !

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  2. „Klimawandel gibt und gab es immer, völlig unabhängig vom Menschen und CO2.“ Physiker und Klimageograph Prof. Dr. Werner Kirstein

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    1. Das ist der „Wissenschaftler“, der bei EIKE aktiv ist, einer von der US-Ölwirtschaft gesponserten Klimaleugnerorganisation, und bei Ivo Sasek auftritt, einem ganz üblen Schweizer Sektenführer und Verschwörungstheorektiker mit besten Verbindungen in die rechtsextremistische Szene. Das ist ja eine ganz ausgezeichnete Referenz!!!

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      1. Haben Sie auch ein sachliches Argument gegen die Aussage von Prof. Dr, Werner Kirstein? Können Sie die Aussage fachlich widerlegen?
        Polemische Kontaktschuldaussagen zeugen nicht gerade von einer argumentativ guten Ausgangslage.

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        1. Erstens hat „alibaba“ überhaupt kein sachliches Argument von diesem „Wissenschaftler“ zitiert, sondern eine Allerweltsaussage. Wenn man diesen Herrn dann aber recherchiert, kommt man zu seinen „Argumenten“ und zu seinen eigentümlichen Verflechtungen!
          Wissenschaftliche Ausgangslage ist der weltweite, überwältigende Konsens nahezu aller Fachwissenschaftler der relevanten Diziplinen, dass der durch Emmissionen, die auf menschliches Handeln zurückzuführen sind, verursachte Klimawandel das mit Abstand größte Zukunftsproblem darstellt. Und das weiß die Wissenschaft nicht erst sein gestern!
          In Zeiten von alternativen Fakten ist es einfach, die Realitätzu leugnen. Leider!

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  3. Der frühere Bischof scheint bei seinem Hoffnungsansatz vergessen zu haben wo er mal gearbeitet hat, denn der wirkliche Friday for Future war schon, vor ca. 2000 Jahren!! Darum sollte es bei der Kirche gehen.

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    1. Ihre ( fast, aber nur fast) versteckte „Spitze“ gegen Herrn Strom und gegen „die Kirche“ allgemein ist ja nicht zu übersehen.
      Hilft es Ihnen? Übrigens „der frühere Bischof“, wie Sie ihn beschreiben, ist immer noch Bischof !

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  4. Obwohl ich nicht immer einer Meinung mit Bedford-Strohm war und bin, so zeigt er doch hier Mitte und Maß.
    Er betrachtet beide Seiten und warnt vor den Methoden, die die Klimaaktivisten präferieren. Ich finde, die Art und Weise, wie er sich einbringt, ist gut und richtig.

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    1. Danke , Herr Weber ! Das tut richtig gut, von Ihnen hier eine so ausgewogene Meinung zu lesen !
      Echt : vielen Dank und Gruß !

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  5. „Das ist ganz anders zu beurteilen als Aktionen von Querdenkern, die zum Teil völlig merkwürdigen Ideologien anhängen. Sie haben keine wissenschaftlich fundierten Grundlagen für ihr Handeln“

    Grundlage des Handelns der Querdenker war das Grundgesetz. Die Religion hat übrigens auch keine wissenschaftliche Grundlage und hört sich für Außenstehende auch reichlich merkwürdig an.

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