Der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm, hat im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Kritik an den Kirchen gekontert. Kirche würde sich selbst verraten, wenn sie sich aus gesellschaftlichen Debatten wie zum Asyl oder zur Migration heraushalte, sagte er am Montag.
Der frühere bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland verwies auf Grundorientierungen, die aus dem christlichen Glauben und der Bibel resultierten. Wenn die Kirche ihre Botschaft ernst nehme, gebe es zur Einmischung zugunsten Schwacher keine Alternative. Eine parteipolitische Stellungnahmen lehnte Bedford-Strohm jedoch ab, der Diskurs müsse ergebnisoffen sein.
Die nervöse Stimmung und die Verdichtung von Krisen bereiteten ihm gerade Sorge. Trotzdem gehe es darum, jetzt keine Konfusion oder Hass zu schüren, sondern mit Humanität zu reagieren und besonnen zu sein. Er empfahl, nicht zu resignieren, sondern miteinander zu reden und Lösungen anzubieten, die funktionieren, ohne die Migration zu instrumentalisieren.
Doppelgebot der Liebe gilt auch öffentlich
Rechtsverfahren müssten vernünftig umgesetzt werden, aber die Menschen sollten sich nicht gebrandmarkt fühlen. Das Doppelgebot der Liebe gelte nicht nur privat, sondern auch öffentlich. Aus biblischer Sicht gebe es keine andere Möglichkeit, als sich für die Schwachen und die Verletzlichen einzusetzen.
Der CSU-Politiker und bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte jüngst in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass er sich von den Kirchen „und zwar auch als gläubiger Christ und großer Unterstützer der Institution Kirche“ wünsche, dass sie sich wieder mehr um klassische Wertethemen wie den Lebensschutz kümmerten. Viele Gläubige hofften, „dass die Kirchen wieder mehr über die Grundlagen des christlichen Glaubens reden“. Solche Themen leisteten einen wichtigen und größerer Beitrag zur Mission auch im eigenen Land, sagte der bayerische Ministerpräsident. Ähnlich äußerte er sich zuvor bereits beim „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Hintergrund der Debatte sind Stellungnahmen der Kirchen, in denen sie den asylpolitischen Kurs des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) kritisierten. Die Unions-Fraktion hatte Ende Januar im Bundestag einen Antrag für dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze und eine unbefristete Inhaftnahme von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern gestellt.
Die Berliner Büros der Kirchen wandten sich deshalb vorab mit einem Schreiben an Bundestagsabgeordnete. Darin kritisierten sie die absehbare Inkaufnahme von Stimmen der AfD für dieses Vorhaben. Die Partei wird in manchen Bundesländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Unterzeichnet hatten den Brief die Leitungen der Berliner Büros der Kirchen, Anne Gidion (evangelisch) und Karl Jüsten (katholisch). Einzelne katholische Bischöfe distanzierten sich von dem Vorgehen.
Gidion selbst hat die Stellungnahme nun öffentlich verteidigt. Der Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ sagte die Theologin, dass diese „die differenzierte Haltung der beiden Kirchen zum Thema Migration“ ausdrücke. Die Kirchen seien sehr besorgt über das gemeinsame parlamentarische Handeln mit der AfD gewesen.
Ihr sei es nicht darum gegangen, weiter zu polarisieren, sondern sich für Menschenrechte und Schutzbedürftige einzusetzen. Das sehe sie als Kernthema der christlichen Kirchen. Gidion äußerte sich nicht dazu, ob die Stellungnahme vor Veröffentlichung mit der EKD oder dem Rat abgestimmt worden war. Sie betonte, dass sie damit keine Parteipolitik betrieben, sondern die christliche Perspektiven in die gesellschaftliche Debatte eingebracht habe. Ihr liege weiterhin daran, einen offenen Austausch mit allen demokratischen Parteien zu pflegen.