In der Debatte um Beihilfe zum Suizid in kirchlichen Einrichtungen hat sich Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu Wort gemeldet. In einem Beitrag des „heute-Journals“ im ZDF sagte er: „Ich entnehme dem fünften Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ schon einen klaren Auftrag, sich für den Schutz des Lebens einzusetzen.“ Daher solle sich die Kirche nicht „an der organisierten Hilfe zum Suizid beteiligen“. Er machte aber auch deutlich, dass die Situationen, um die es in solchen Fällen gehe, zu kompliziert für einfache Lösungen seien.
Auf seinem Facebook-Profil führte Bedford-Strohm aus, dass er jede organisierte Beihilfe zum Suizid ablehne, die dazu beitrage, dass diese Form des Sterbens zu einer Option neben anderen werde. Die Kirche stehe an der Seite derer, die „aufgrund von Erkrankung oder einer anderen Notsituation keinen anderen Ausweg als die Selbsttötung sehen“. Sie setze alles daran, Menschen beim Sterben so zu begleiten, dass dies in Würde geschieht und ohne sich das Leben selbst zu nehmen. Es sei nicht Aufgabe der Kirche, Hilfe zum aktiven Beenden menschlichen Lebens zu organisieren. Es sei in seinen Augen ein Missverständnis von Selbstbestimmung, wenn das bedeute, dass Menschen sich das Leben nehmen. „Suizid ist immer etwas Tragisches, immer eine Niederlage.“
Rachel: „Zerrbild menschlicher Autonomie“
Auch weitere Kirchenvertreter haben sich in den vergangenen Tagen zu einem Vorstoß geäußert, den Diakonie-Präsident Ulrich Lilie mit den Theologen Reiner Anselm und Isolde Karle diese Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte. In dem Text forderten die Autoren, auch in kirchlichen Einrichtungen Möglichkeiten für assistierten Suizid anzubieten oder zuzulassen. Unterstützt wird diese Position unter anderem von den EKD-Ratsmitgliedern Ralf Meister, dem Hannoverschen Landesbischof, und der Juraprofessor Jacob Joussen. Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der Union Thomas Rachel – ebenfalls Ratsmitglied – bezeichnete es laut Evangelischem Pressedienst (epd) als „fatalen Irrweg“, wenn Kirche und Diakonie Hilfe zum Suizid ermöglichten. Das sei keine adäquate Form kirchlich-diakonischen Handelns.
Das Leitbild evangelischer Sterbebegleitung sieht er weiterhin in palliativmedizinischer und hospizlichen Begleitung und Seelsorge. Die Forderung nach einem vermeintlichen Recht auf assistierte Selbsttötung entspringe einem „Zerrbild menschlicher Autonomie“. Die Kirche müsse nicht ihre eigenen Normen anpassen, weil das Bundesverfassungsgericht das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe aufgehoben habe. Das entsprechende Urteil vom Februar vorigen Jahres hat eine neue gesetzliche Regelung notwendig gemacht. Die steht bislang aus.
Der neugewählte Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, sagte, Kirche begleite Sterbende und respektiere den Wunsch eines Menschen, aktiv aus dem Leben zu scheiden. Aber geschäftsmäßige Beihilfe dazu sei nicht ihre Aufgabe.
Vorstoß soll nur für schwerkranke alte Menschen gelten
Diakonie-Präsident Lilie, einer der Autoren des liberaleren Vorschlages, erklärte sich indes und verteidigte den Ansatz. Er wolle nicht, dass Suizid zum Normalfall werde. Ihm gehe es darum, zu helfen, das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende zu sichern, sagte er dem ZDF. Gegenüber dem epd betonte er: „Niemand von uns will den Tod organisieren.“ Das Anliegen sei nicht, einen Anspruch auf Sterbehilfe oder ein geregeltes Angebot zu schaffen. Die Debatte müsse sich darum drehen, „wie wir respektvoll, wertegebunden und ergebnisoffen mit dem Willen von Betroffenen umgehen“.
Seiner Ansicht nach müsse „das christliche Verständnis des Tötungsverbots und des Lebens als Gabe Gottes zusammen mit der grundlegenden Wertschätzung der Würde und Selbstbestimmung des Menschen“ neu bedacht werden. Diese Wertschätzung gehöre auch zur evangelischen Ethik. Wenn sich die Kirche gegenüber assistiertem Suizid verschließe, überlasse sie verzweifelte Menschen in dieser Lebensphase anderen Akteuren wie Sterbehilfeorganisationen, hob Lilie ein Argument hervor, das auch in dem Text angeführt wird.
Zudem machte Lilie klar, dass sich der Vorschlag, Hilfe zur Selbsttötung anzubieten, nur auf schwerkranke Menschen ohne Aussicht auf Besserung „am Ende eines langen Lebens“ beziehe. Er mahnte eine offene Debatte darüber in der Kirche an. Auf so grundlegende Fragen könne nicht vorschnell der „Deckel draufgelegt“ werden.
Von: Jonathan Steinert