Im ersten Halbjahr 2017 gab es insgesamt 681 antisemitische oder antiisraelische Delikte. Damit hat sich die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 27 Vorfälle und um vier Prozent erhöht. Diese Antwort hat der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) auf seine Anfrage an die Bundesregierung erhalten.
Gestiegen seien die Zahl der Gewaltdelikte (von 14 auf 15) und der Fälle von Volksverhetzung (von 425 auf 434). Zurückgegangen sei die Zahl der Propagandadelikte von 106 auf 94. Die Statistik der Bundesregierung enthalte Fälle, die bis zum 28. August dieses Jahres erfasst und tatsächlich gemeldet wurden. Die Dunkelziffer hält Beck jedoch für deutlich höher.
„Es entsteht ein verzerrtes Bild“
Die Statistik zeigt außerdem: 93 Prozent der gemeldeten Fälle gingen auf das Konto von Rechtsextremisten. Bei 23 Fällen werde ein religiöser oder ausländisch motivierter Hintergrund unterstellt. 25 Delikte ließen sich nicht zuordnen, in nur einem Fall werde ein linksextremes Motiv angenommen.
Benjamin Steinitz, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), zweifelt an diesen Zahlen. Er sieht eine „Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Betroffenen und den polizeilichen Statistiken“, zitiert ihn die Tageszeitung Die Welt. Steinitz beruft sich auf einen Bericht des „Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus“, der im April veröffentlicht wurde.
Dem Bericht zufolge würden fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten grundsätzlich zu schnell dem rechten Lager zugeordnet. Antijüdische Äußerungen würden generell als rechtsextrem motiviert in Statistiken verbucht, obwohl solche Parolen auch in islamistischen Kreisen populär seien. Damit entstehe ein verzerrtes Bild, schreiben die Welt-Autoren.
Regierung in der Pflicht
Acht Prozent der befragten Juden in Deutschland gaben an, dass Angehörige oder Bekannte „in den letzten zwölf Monaten“ körperlich attackiert worden seien. Jeder Dritte sprach von „verbalen Beleidigungen/Belästigungen“ und etwas mehr als die Hälfte von „versteckten Andeutungen“.
Der islamistische Anteil an antisemitischen Delikten in Polizeistatistiken werde offenkundig, obwohl er existiert, unterbewertet. An Schulen komme es immer wieder zu Vorfällen, bei denen Schüler mit jüdischer Herkunft provoziert würden und Initiatoren deutsche Schüler ohne Migrationshintergrund und muslimische Schüler deutscher oder nicht deutscher Herkunft gewesen seien. Beck fordert nach den Antworten „endlich eine klare Kante gegen Antisemitismus in all seinen Formen“. Es sei die Pflicht der Regierung, diesen „Kampf mit einem eigens dafür eingerichteten Beauftragten besser zu koordinieren“. (pro)
Von: jw