Zankapfel ist die Sendung „Gefährliches Heilsversprechen – Wie religiöse Fundamentalisten Homosexuelle quälen“, die am 24. November ausgestrahlt wurde. Darin wird behauptet, dass Evangelikale Homosexuelle diskriminierten und der Meinung seien, dass Homosexualität als Krankheit geheilt werden könne. In der Sendung werden die beiden Organisationen Wüstenstrom und Offensive Junger Christen (OJC) scharf kritisiert.
„Weitere Falschinformationen gestreut“
Christen würden in der Sendung verunglimpft und Ratsuchende verunsichert, behaupten die Verantwortlichen von Wüstenstrom. Sie erwarten vom HR eine nochmalige öffentliche Richtigstellung. Chefredakteur Alois Theisen habe in seinen bisherigen Äußerungen weder zu kursierenden Falschinformationen Stellung bezogen noch sich entschuldigt. Stattdessen habe er mit einer „Massen-E-Mail weitere Falschinformationen gestreut“, beklagt Wüstenstrom.
Der in dem Beitrag dargestellte Mike existiere gar nicht. „Wir verwahren uns dagegen, dass die Angebote von Wüstenstrom mit den Erfahrungen von ‚Mike‘ in Zusammenhang gebracht werden: Wir können nur vermuten, dass Mike in den vergangenen 16 Jahren irgendwann einmal eine Seelsorge-Gruppe in einer christlichen Gemeinde besucht hat, die nach einem amerikanischen Selbsthilfe-Seelsorge-Programm arbeiteten, dessen Inhalt nicht die ‚Veränderung von Homosexualität‘ war, sondern die Arbeit an verschiedenen Themenfeldern der Identität, der Sexualität und der Gottesbeziehung.“ Soweit Mike tatsächlich in einer dieser Selbsthilfe-Seelsorgegruppe sei, hätte er wissen können, dass diese Gruppen sich zu einer Ethik verpflichtet haben, welche die Entscheidung eines jeden Menschen hinsichtlich seines Lebensentwurfes respektiert.
Aus Sicht von Wüstenstrom enthalte die Darstellung Theisens etliche Fehler. Zudem seien viele vom HR aufgeworfene Fragen lediglich Mutmaßungen. Der Chefredakteur selbst hatte einige Zitate als „sehr zugespitzt“ bezeichnet, die in „zwei Fällen leider nicht als indirekte Zitate erkennbar waren“ und das sei „ein bedauerlicher Fehler“. Es sei aber in dem Beitrag nicht darum gegangen, Wüstenstrom oder die OJC zu „diffamieren“.
Theisen hatte die Wüstenstrom-Kritik an der Sendung als „wertvoll für unsere Redaktionen“ erachtet. Die Programmbeschwerden und kritischen Zuschriften habe er zum Anlass genommen, mit den Redakteuren die Sendung zu prüfen. Dabei sei er zu dem Ergebnis gekommen, „dass die Vorwürfe im Bezug auf Inhalt und Machart des Beitrags, die Motive und Intentionen des Autors und der Redaktion und die angebliche Verletzung von verbindlichen Regeln für den Hessischen Rundfunk oder journalistischer Prinzipien unbegründet sind“.
„Eine vergebene Chance“
Bei Mike handele es sich sehr wohl um einen realen Fall, entgegnet Theisen der Aussage von Wüstenstrom. „Die Vertragsunterlagen über die geschilderte Therapie liegen vor.“ Natürlich habe der HR den Beteiligten angeboten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dies sei mit Verweis auf die vorliegenden Publikationen abgelehnt worden. Theisen bezeichnete dies als „vergebene Chance“, aber dies liege nicht in der Verantwortung der Autoren. Den Vorwurf einer böswilligen Verleumdung wies Theisen zurück. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Positionen der Beteiligten „bleibt das gute Recht der Redaktion“.
Die Seelsorge-Organisation Wüstenstrom spricht davon, dass der HR zu keiner Zeit den Versuch unternommen habe, „mit Wüstenstrom in Kontakt zu treten oder zu den dargestellten Zusammenhängen unsere Stellungnahme anzufragen“. Der HR hatte nach eigenen Angaben die jüngste Resolution des Weltärztebundes zum Anlass genommen, um über Therapien gegen Homosexualität zu berichten. Der Weltärztebund hatte im Oktober betont, dass Homosexualität keine Erkrankung sei und deshalb auch keinerlei Heilung bedürfe. Die OJC hatte sich öffentlich von der HR-Berichterstattung distanziert und die These des Beitrags zurückgewiesen, dass Therapien gegen homosexuelle Empfindungen schädlich seien. (pro)