Aus der koreanischen Hölle: Netflix-Serie „Hellbound“

Eine Welt, in der Engel des Todes jeder Zeit plötzlich aus der Hölle kommen, um einem in die ewige Verdammnis zu bringen, ist eine furchtbare Welt. Genau dies ist der Inhalt der Fantasy-Horror-Serie „Hellbound“ auf Netflix.
Von Jörn Schumacher

Religion spielt in vielen Horrorfilmen und -serien eine Rolle. Gruselt es sich doch vor dem Hintergrund übernatürlicher Kräfte, die in einem Wettstreit zwischen Gut und Böse stehen, besonders gut. In der neuen südkoreanischen Netflix-Serie „Hellbound“ wird diese übernatürliche Komponente geschickt – und grausam – in die Handlung verwoben. Es geht um Sünder, die in die Hölle fahren und eine fanatische Sekte, die alle Menschen auf den rechten Pfad Gottes zwingen will. Und dabei selbst über Leichen geht.

Die Serie basiert auf dem Comic „The Hellbound“ aus der Feder von Sang-ho Yeon, der hier auch Regie führte. Dabei werden Menschen wie aus dem Nichts von einem übernatürlichen Wesen besucht, das ihnen die unmittelbar bevorstehende Verdammnis verkündigt. Einige Zeit später erfüllt sich dann diese Prophezeiung, und drei äußerst finstere Wesen, Ausgeburten der Hölle, tauchen bei der Person auf, um sie erst zu quälen und dann ihre Seele mit in die Hölle zu nehmen.

Seit Mitte November gibt es die sechs Folgen der Serie mit je rund 50 Minuten Länge auf dem Streaming-Portal Netflix zu sehen. Es dauerte nur einen Tag, bis sie die Serie „Squid Game“, die zuvor 46 Tage am Stück auf Platz 1 der Netflix-Charts stand, vom Thron stieß. Und auch wenn beide von unterschiedlichen Autoren stammen, weisen sie gewisse Ähnlichkeiten auf. In jedem Fall spricht man mittlerweile bereits von einem neuen Genre in der Serienwelt, und zwar von den „K-Dramas“ (in Anlehnung an den koreanischen K-Pop).

„Squid Game“ lässt grüßen

Die Fantasy-Horror-Serie wirft interessante theologische Fragen auf, auch wenn dies die Macher wahrscheinlich nicht im Sinn hatten. Wenn Monster aus der Hölle Menschen abholen, die gesündigt haben, und das vor aller Augen und teilweise vor laufenden Fernsehkameras, stellt das natürlich die Welt auf den Kopf. Niemand kann mehr leugnen, dass es eine übernatürliche Welt und einen Gott gibt, der Sünde bestraft. Oder doch?

Eine religiöse Bewegung, die sich „Die Neue Wahrheit“ nennt, bekommt regen Zulauf. Die Sekte, deren smarter Anführer eine Welt ohne Sünde propagiert und in den Monster-Attacken eine Demonstration der Stärke Gottes sieht, überträgt diese sogar live im Internet. Da die Engelswesen den Tod sekundengenau vorher ankündigen, kann sich zuvor bequem ein Publikum einfinden, um dem grausamen Schauspiel beizuwohnen. VIPs bezahlen dafür, dass sie dem Geschehen aus der ersten Reihe beiwohnen dürfen – die Serie „Squid Game“ lässt grüßen.

Überhaupt stellen die Medien, und vor allem die skrupellosen Hassprediger der Sozialen Medien ein wichtiges Element der Serie dar. Alle Seiten in diesem komplexen Spiel um Religion, Angst und Sündenbekenntnis bedienen sich der Video- und Livestream-Technik. Also der Waffen, die heutzutage mindestens genauso wirkmächtig sind wie das ehemals die Presse und das herkömmliche Fernsehen waren. „Heutzutage lernen die Kids fast alles aus Videos“, stellt ein Polizist fest. Ein irrer Video-Streamer peitscht die religiöse Diskussion noch an, und am Ende profitiert eine fanatische Splittergruppe namens „Die Speerspitze“ von der Angst der Menschen vor den Boten aus der Unterwelt.

„Gott bringt uns Menschen bei, welchen Stellenwert die Sünde hat“, begründet eine religiöse Frau die unheimlichen Besuche aus der Hölle. Und viele zweifeln längst daran, dass das von Menschen gemachte Rechtssystem Gerechtigkeit schafft. Ein Mörder, der nach sechs Jahren wieder frei kommt, wird von den drei Monstern aus der Hölle hingestreckt – und viele empfinden erst hier Gerechtigkeit.

„Hellbound“ spinnt den Faden intelligent weiter, und deutet an, dass am Ende sowohl mit der vermeintlichen Höllen-Gerichtigkeit als auch mit der Sekte und ihrem Anführer irgendetwas nicht stimmt. Mit dem Gott der Bibel hat „Hellbound“ rein gar nichts zu tun, die Serie will theologisch auch nichts aufarbeiten, sie will nur unterhalten. Dennoch tun sich natürlich Fragen auf, die Religion betreffen. Wäre eine Welt, in der alle Menschen nur noch aus Angst die Gebote Gottes einhalten und andere aus Egoismus anschwärzen, ja, sogar Familienmitglieder öffentlich als „Sünder“ bloßstellen, die dann vor laufenden Kameras der Hölle übergeben werden, nicht ebenfalls – eine Hölle? Dabei können die Betroffenen hier ihre Sünden nicht einmal bereuen, weder vor den Mitmenschen, noch vor Gott. Der tritt in „Hellbound“ gar nicht erst in Erscheinung. Von einer christlichen Erlösungsbotschaft fehlt auch jede Spur.

Eine Gute-Nacht-Geschichte ist „Hellbound“ nicht, die Altersbeschränkung liegt zu Recht bei 18 Jahren. Die Serie ist brutal und blutig, wenn auch nicht so sehr wie „Squid Game“. In ihrer Hoffnungslosigkeit ist die Welt in dieser Serie aber geradezu ein Musterbeispiel für eine antichristliche Welt. Dennoch regt „Hellbound“, wer sie denn sehen möchte, zum Denken an: Sowohl über Gerechtigkeit und wie Gott sie wohl gewollt hat, darüber, dass wir alle Sünder sind und nur Vergebung die Erlösung bringen kann, und über die Macht der Massenmedien, die durch Internet und Smartphones auf eine neue Ebene gehoben wurden. Die Hölle, das sind die anderen mit Smartphonekamera.

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