Die persönlichen Konflikte eines 17-jährigen türkischen Mädchens und wie die Gesellschaft damit umgeht, thematisiert der Film „Die Freischwimmerin“, der am Mittwoch in der ARD lief. Eine Filmkritik von Johannes Weil
Von PRO
Foto: ARD
Lehrerin Martha Müller führt viele Gespräche mit der 17-jährigen Türkin Illayda
Die Szene ist ein Sinnbild für den Film. Die Straßenbahn fährt Illayda vor der Nase weg. Auch in ihrer Klasse Viktor-Frankl-Gymnasium in Wien wird die 17-jährige Türkin abgehängt. Mit Martha Müller bekommt die Klasse eine neue Lehrerin. Die junge Pädagogin ist nach einem gewalttätigen Zwischenfall an einer Schule in Linz nach Wien gewechselt. Die Sport- und Deutsch-Lehrerin investiert sehr viel Zeit für und in ihre Schüler. Sie taucht in Illaydas Umfeld ein und beschäftigt sich mit der Familie, die gut in das Wiener Stadtleben integriert ist.
Heimliche Trainingseinheiten
Warum sie das Kopftuch trägt, weiß anfangs niemand so genau. „Wenn ich zum Kopftuch tragen gezwungen werde, werde ich als Opfer dargestellt. Sobald ich es freiwillig tue, bekomme ich Ärger und Stress“, brüllt Illayda ihre Lehrerin an und sieht ihre Gefühlswelt ignoriert. Seitdem sie ein Kopftuch trägt, ist sie eine Außenseiterin. Sie werde wegen des Kopftuchs als „religiös, fanatisch und vielleicht auch als Terroristin“ gesehen. „Aber wenn ich mich wehre, wird alles nur noch schlimmer“, ergänzt sie.
Wirklich religiös ist die Familie nämlich nicht. Illaydas Bruder betreibt eine Bar. Dabei unterstützt ihn die ganze Familie. Durch den frühen Tod des Vaters nimmt er die Rolle des Familienoberhaupts ein. Illayda hat ein großes Hobby: sie schwimmt gerne. Um zu trainieren, schleicht sie sich nachts in das schuleigene Schwimmbad. Im Schwimmunterricht möchte sie ihren Körper nicht den Blicken fremder Männer aussetzen.
Die Schüler bereiten sich gerade auf die anstehenden Schwimmmeisterschaften aller Wiener Schulen vor. Der ehrgeizige Direktor erwartet dort von Sportlehrerin Martha Müller und ihren Schülern eine gute Platzierung. Weil Illayda die Teilnahme am Schwimmunterricht durch Notlügen verweigert, kommt es nicht nur innerhalb des Kollegiums zum Konflikt. Die Ganzkörperversion des Badeanzugs, ein Burkini, ist in Österreich nicht erlaubt. „Und es gibt Regeln, an die sich alle Schüler halten müssen“, meint der Direktor. Illayda bliebe die Teilnahme am Wettkampf verwehrt.
Eintauchen in die islamische Welt
Die Lehrerin hilft dabei gegen manche Widerstände, kulturelle Grenzen abzubauen und Illayda in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Sie beschäftigt sich mit dem Islam und seinen Eigenarten. Der Direktor pfeift die idealistische Pädagogin zurück. Sie schieße mit ihren Maßnahmen über das Ziel hinaus und engagiere sich persönlich zu sehr. Sie selbst sagt, sie wolle Illayda Gruppen- und Erfolgserlebnisse bieten. Dazu gehört auch die Nominierung in die gemischte Staffel der Schulmeisterschaften.
Nach einer Klassenfeier kursieren im Internet sehr freizügige Bilder von Illayda. Ihr Bruder fühlt sich hinters Licht geführt und bezeichnet sie als „Schande für die Familie“. Sie fühlt sich nutzlos und als für die ständig klamme Familie zu teuer. Vor den Schulmeisterschaften steht sie vor der entscheidenden Frage, ob sie sich dem Druck beugt, ohne Burkini zu schwimmen, oder, ob ihre Mannschaft vom Wettbewerb ausgeschlossen wird. Für sich trifft sie die richtige Entscheidung und auch der Familienfrieden bleibt im Gleichgewicht.
Die ARD hat einen unterhaltsamen und kurzweiligen Film produziert, der allerdings die religiöse Komponente nur ganz am Rande thematisiert. Eher ist es ein pädagogischer 90-Minuten-Streifen, der sich mit dem Thema Vertrauen zwischen Lehrern und Schülern beschäftigt. Dafür steht die von Emily Cox überzeugend gespielte Lehrerin Martha Müller, die Illayda voll unterstützt und sich bis an den Rand ihrer Kräfte für sie einsetzt. (pro)
Den Film können Sie in der ARD-Mediathek ansehen
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