Die wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen stärken die Alternative für Deutschland (Afd) und die Pegida-Bewegung. Dies vermutet der Theologe Paul M. Zulehner. Die Menschen wünschten sich einfache Erklärungen und seien dankbar, dass sich diese Gruppen um ihre Ängste und Verunsicherungen kümmerten. Zulehner ist einer der Autoren des Buches „AfD, Pegida und Co. – Angriff auf die Religion“, in dem Aufsätze zum Themenfeld AfD, Pegida und Glaube gesammelt sind. Zulehner findet: Die Politik sollte der „Kultur der Angst” mit Vertrauen entgegensetzen. Wenn die Angst möglichst gering ist, sei die Solidarität mit dem Fremden umso größer.
Der katholische Publizist Andreas Püttmann beobachtet viele Kontakte und Querverbindungen von der AfD zu rechtsextremen Parteien und Organisationen. Auch die Auflagen von Publikationen der „Neuen Rechten” seien in letzter Zeit gewachsen. Auf Facebook sei die „AfD eine Macht mit einer regelrechten Armee von Unterstützern“. „Christen können unmöglich schweigen zu einem wieder um sich greifenden Denken, dass nicht die gottgegebene Würde jeder einzelnen Person ins Zentrum stellt“, schreibt Püttmann weiter.
„AfD nutzt Thema Familie aus”
Die katholische Theologin Sonja Angelika Strube von der Univeristät Osnabrück bewertet die katholische Nachrichtenseite „kath.net“ als eine „Werbetrommel für die AfD“. Die Artikel hätten einen positiv-sympathisierenden Unterton für die Partei. Im August 2013 habe die Seite sogar die AfD mit einer „Artikelkampagne” unterstützt. Gegenüber pro weisen die Betreiber diese Vorwürfe zurück: „Das ist eine glatte Lüge, die hier verbreitet wird.“ Der Eigentümer von kath.net Roland Noé betont, dass die Seite deutlich öfter über CDU/CSU berichte. Der Autorin gehe es wohl darum, zu verleumden und zu diffamieren.
Strube wirft der AfD vor, dass sie das Thema Familienschutz benutze, um die Vertreter der Kirchen für ihre Sache zu gewinnen. Viele AfD-Politiker würden sich in Lobby-Organisationen engagieren, um dieses Ziel zu erreichen: „Strategisches Ziel dürfte es sein, die Akzeptanz der AfD in christlich-kirchlichen Kreisen zu erhöhen“, schreibt Strube.
Patzelt: „Politischen Gegner nicht verteufeln”
Der Stuttgarter Dekan Christian Hermes beobachtet, dass die AfD die Kirchen „umarme” und sie so instrumentalisiere. Die Partei habe vor allem Streit und Feindschaft in die Gesellschaft gebracht. Ihre „verlogene Fassade des Gutbürgerlichen” sei inzwischen wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Karlheinz Ruhstorfer beobachtet sogar, dass sich eine „Heilige Allianz“ zwischen der AfD und „reaktionären Kirchenkreisen” abzeichne: „Mit den Protestantinnen Beatrix von Storch und Frauke Petry hat die AfD gleich zwei religiös aufgeladene Galionsfiguren.“
Die Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt und Joachim Klose sehen in Pegida eine „durch Gemeinschaftserlebnisse zusammengehaltene Koalition“. Zwischen der CDU und dem „rechten Narrensaum“ sei eine Repräsentationslücke entstanden, in der kein Vertrauen zu einer den Staat tragenden Partei bestehe. Pegida sei durch falsche Reaktionen verstetigt worden. Nur noch 25 Prozent der Ostdeutschen kämen überhaupt mit Religion in Berührung.
Wer keine bereichernden religiösen Erfahrungen mache, „der nimmt Religion leicht überhaupt für eine Feindin von Vernunft und Modernität“. Man dürfe den politischen Gegner einerseits nicht verteufeln, andererseits aber auch keine Forderungen durchgehen lassen, die sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richteten.
ZdK: AfD ist mißtrauisch gegenüber Religion
Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, legt seine Position dar, dass die AfD die kulturelle Tradition nicht fortführen wolle, sondern ein anderes Land eine andere Gesellschaft anstrebe. Das Parteiprogramm sei durchdrungen von einem generellen Misstrauen gegenüber Religion. Die AfD lege die Axt an die Wurzel der bewährten religionsfreundlichen Ordnung in Deutschland.
Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelik, der sich in der Vergangenheit mehrfach lautstark gegen die AfD positioniert hatte, kommt in dem Buch zu Wort. Kirchliche Vertreter könnten sich privat mit AfD-Vertretern unterhalten, schreibt er. Auf offizieller Ebene lehnt er dies aber ab: „Wer diskriminierende Kampagnen und Forderungen, die den Wesensgehalt von Menschenrechten tangieren, zum Kern seines politischen Handelns macht, hat sich selbst außerhalb unserer Demokratie positioniert.“ (pro)
Stefan Orth/ Volker Resing (HG.), AfD, Pegida und Co. – Angriff auf die Religion, 208 Seiten, Verlag Herder, ISBN: 978-3-451-27466-4, 16,99 Euro.
Von: jw