Atheist: Christlicher Glaube prägt Gesellschaft

Der Journalist Michael Ebert ist Atheist. In einem Beitrag des Süddeutsche Zeitung Magazins reagiert er auf ein Glaubensbekenntnis seines Kollegen und stellt fest: Die Gesellschaft ist so christlich geprägt, dass man dem nicht entkommen kann.
Von Jonathan Steinert
München, Silhouette, St. Peter, Rathaus, Frauenkirche

Als der Journalist Tobias Haberl im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ von seinem Glauben berichtete, schien er einen Nerv getroffen zu haben: Es gab zahlreiche Reaktionen, sogar das Deutschlandradio interviewte ihn zu seinem Text „Unter Heiden“.

Einen Nerv getroffen hat er auch bei seinem Kollegen Michael Ebert, dem Chefredakteur des Magazins. „Aber einen ganz anderen Nerv“, wie er schreibt. Denn er ist Atheist und stellt fest, dass er der christlichen Prägung der Gesellschaft kaum entkommen kann. Im Magazin der „Süddeutschen“ hat er kürzlich eine Replik zu Haberls Text veröffentlicht. Titel: „Unter Christen“.

Anders als es der Eindruck Haberls ist, sieht Ebert nicht, dass sich die Gesellschaft von ihren Traditionen verabschiedet habe. Selbst „ein ungetaufter Nichtglaubender“ wie er sehe und spüre „die katholische Lehre und ihre Wirkung wie ­unterirdisches Waldwurzelwerk tief verzweigt in unserem Alltag“. Der Westen sei nun einmal Teil des Christentums.

Als Beispiel dafür nennt Ebert etwa, dass das menschliche Gewissen wesentlich bestimme, was als gute Politik gelte. Auch dass der Staat die Kirchensteuer einziehe, es an staatlichen Schulen Religionsunterricht gebe oder den Kirchen Sendezeit in den Medien zur Verfügung stehe, sind für Ebert Belege dafür, wie das Christentum die Gesellschaft präge.

„So sieht keine Unterdrückung des christlichen Glaubens aus“, lautet seine Schlussfolgerung. Im Gegenteil: Er als Ungetaufter und Nichtglaubender fühle sich oft ausgeschlossen. Das zeigt er an Erlebnissen aus seiner Kindheit, als er den konfessionellen Kindergarten seines Wohnortes und später auch den Religionsunterricht nicht besuchen durfte.

Für die sinkenden Mitgliedszahlen der katholischen Kirche in der westlichen Welt – die evangelische erwähnt der Autor nicht – macht Ebert die Institution selbst verantwortlich. Sie werde nicht mehr als moralische Instanz wahrgenommen und sei unwillig, sich wirklich zu verändern. An den gesellschaftlichen Veränderungen liege das seiner Ansicht nach nicht. „Ich glaube nicht, dass sich die Menschen nicht mehr sehnen nach Austausch, Halt, ­Zuneigung, Nächstenliebe, Verständnis, Vergebung, Glauben, Trost“, schreibt er und verweist auf die Studie: Der zufolge sei das Interesse an Religion größer als das an religiösen Veranstaltungen.

Er freue sich für Menschen, die gern zur Kirche gehören, und verstehe die Sehnsucht nach Sinn und Spiritualität, schreibt Ebert. Er jedoch glaube nicht, dass „wir die Antworten auf die großen Fragen des Lebens und des Sterbens kennen“. Die Wunder der Natur seien für ihn „fantastisch genug“. Und den Eindruck, dass die Gesellschaft unmoralischer werde, habe er nicht.

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