Arzt wegen Sterbehilfe verurteilt

Weil er einer depressiven Frau beim Suizid geholfen hat, ist ein Arzt wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Bemerkenswert: Als die Verteidigung Revision einlegt, begrüßt der Richter diese.
Von PRO

Das Landgericht Berlin hat am Montag in einem Sterbehilfe-Fall einen pensionierten Arzt wegen Totschlags zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der 74-jährige Mediziner hatte im Juli 2021 einer 37-jährigen, unter Depressionen leidenden Frau todbringende Medikamente zur Verfügung gestellt, wie das Gericht mitteilte. (AZ: 540 Ks 2/23)

Aus Sicht der 40. Großen Strafkammer war die Frau wegen ihrer Krankheit nicht in der Lage, frei verantwortlich zu handeln. Eine objektive Abwägung des Für und Wider ihrer Suizidentscheidung sei nicht mehr möglich gewesen. Der Mediziner habe deshalb die Grenzen des Zulässigen überschritten. Das Gericht hielt den pensionierten Hausarzt wegen mittelbarer Täterschaft für schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision ist möglich.

Der Angeklagte hatte eingeräumt, der Patientin zunächst im Juni 2021 auf deren Wunsch hin todbringende Tabletten zur Verfügung gestellt zu haben. Diese erbrach die Frau aber und überlebte. Daraufhin wurde sie den Angaben zufolge zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert und anschließend in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Bereits während ihrer Unterbringung habe sie erneut Kontakt zu dem Angeklagten aufgenommen. Obwohl die Kranke schwankend in ihrem Entschluss zu sterben gewesen sei, habe der Angeklagte ihr dann knapp drei Wochen nach dem ersten Suizidversuch in Berlin-Lichterfelde, unmittelbar nach Entlassung aus der Psychiatrie, eine Infusion mit einer tödlichen Dosis eines Medikaments gelegt. Die Frau habe die Infusion durch Aufdrehen des Rädchens selbst in Gang gesetzt und sei binnen Minuten gestorben.

Richter begrüßt Revision

Kurios wurde es nach einem Bericht des Fachmagazins „Legal Tribune Online“ als die Verteidigung des pensionierten Arztes ankündigte, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Daraufhin sagte der Vorsitzende Richter Mark Sautter, dass er es begrüße, wenn der Verurteilte in Revision gehen werde, damit die zugrundeliegenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt werden können.

Hintergrund: 2020 hat das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe in Deutschland verkündet. Der zentrale Satz lautete: „Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.“ Allerdings konnte der Bundestag seitdem die Weisung aus Karlsruhe nicht in ein Gesetz ummünzen. 2023 scheiterten zwei Gesetzesvorlagen im Bundestag an der benötigten Mehrheit.  

Von: epd/Martin Schlorke

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