Meinung

ARD-Doku über Flüchtlinge: „Christen bauen Brücken“

Christliche Organisationen in Italien holen schutzbedürftige Flüchtlinge ins Land. Eine Doku der ARD beleuchtet ihre Arbeit und die Schicksale derer, für die sie sich einsetzen. Der Film bewegt und hat politisch eine klare und humane Linie – für tiefgreifende Argumentationen fehlt allerdings der Raum.
Von PRO
Die ARD-Dokumentation „legal, sicher, christlich“ zeigt, wie christliche Organisationen „humanitäre Korridore“ nach Italien aufbauen

Seit 2013 fast 400 Flüchtlinge vor der italienischen Südseeinsel Lampedusa ertranken, haben es sich in Italien christliche Organisationen zur Aufgabe gemacht, Geflüchtete in das Land zu bringen – vollkommen legal und zumeist ohne Mithilfe der Regierungen. Die ARD-Dokumentation „legal, sicher, christlich – Fluchthilfe im Namen des Papstes“ ist einigen der überwiegend katholischen Helfer gefolgt – und den Menschen, die ihnen ihr Schicksal anvertrauen.

Das Verfahren: In sogenannten „humanitären Korridoren“ beschaffen die Organisationen besonders schutzbedürftigen Menschen Visa für Italien. Sie werden dorthin geflogen und von Paten betreut. Papst Franziskus selbst hat sich der Flüchtlingsfrage verschrieben und die Korridore wiederholt gelobt.

Eine dieser Organisationen ist die katholische Gemeinschaft „Sant’ Egidio“, 1968 vom damals 18-jährigen Andrea Riccardi gegründet. Sant’ Egidio „rekrutiert“ seine Kandidaten für den humanitären Korridor in drei Auswahlrunden. Der Italiener Giancarlo Penza ist mit seinem Team in Äthiopien für diese Auswahl zuständig. Das Land hat fast eine Million eritreische Kriegsflüchtlinge aufgenommen und in Camps untergebracht. Doch die Zustände sind schlimm, macht die Doku klar, es fehlen die Ressourcen. „Das sollte auch eine Lektion für unsere europäischen Länder sein, die sehr reich sind, viele Ressourcen haben, das aber nicht tun“, sagt Penza im Film.

Film lässt die Stimmlosen zu Wort kommen

Der Streifen zeigt auf bewegende Weise die Not dieser Menschen und den Einsatz der Christen, die ihnen helfen. Deren Arbeit bewertet er durchweg positiv und fährt insgesamt eine sehr klare politische Linie: „Christen bauen Brücken nach Italien, Europas Politiker bevorzugen Mauern“, ist einer der ersten Sätze des Films.

Die Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik zieht sich auch durch die Szenen in Afrika und Nahost. Die Dokumentarfilmer besuchen in Äthopien nicht nur die Grenzregion zu Eritrea, sondern auch die zum Südsudan. Dort treffen sie in einem Camp etwa auf Nyawetch Ruet, eine Sudanesin und Mutter von vier Kindern. Eines ihrer Kinder ist auf der Flucht gestorben. Es sind solche Szenen, die dem Film viel emotionale Schlagkraft, aber auch ein gewisses Pathos verleihen.

Es gehört zu den stärksten Momenten des Films, wenn die sonst stimmlosen Geflüchteten wie hier selbst zu Wort kommen. Der Film begleitet eine Reihe von ihnen auf dem ganzen Weg bis nach Italien. Die Familie Tutu etwa, aus den Slums von Addis Abbeba, oder die syrischen Al Jedis, die im Libanon Schutz vor dem Krieg suchten. Dort gab es den ersten humanitären Korridor.

Viele Beispiele, aber wenig Argumente

All das illustriert zwar die Kritik des Films an der europäischen Flüchtlingspolitik, doch sachlich kommt sie etwas zu kurz. Sobald die Familien in Italien sind, wird zwar auch auf die Anpassungsschwierigkeiten dort eingegangen, insgesamt entsteht aber doch das Bild einer wünschenswerten, europäischen Idylle, die manchen Menschen aus purer Bosheit verwehrt wird. Auch als die Al Jedis untertauchen und einfach aus dem Programm verschwinden, deutet der Film die Erklärung zumindest an, dass sie bestimmt einfach zu Verwandten weitergereist seien. Dass auch Europa strukturelle Probleme hat, kommt kaum zur Sprache.

So findet der Film auch wenige gehaltvolle Antworten darauf, warum die Flüchtlingsfrage in Europa so polarisiert. Dass Rechtspopulisten und fremdenfeindliche Regierungen das Thema instrumentalisierten und damit Ängste schürten, das sagt Francesco Piobbichi von der Evangelischen Kirche Italiens. Aber weiter geht die Problemanalyse nicht. Die Kritik des Films ist mehr als berechtigt – doch genügen die emotionalen Geschichten, damit sie bei denen ankommt, die sie wirklich hören sollten?

45 Minuten reichen nur für Skizzen

Natürlich soll es vor allem um die Christen gehen, die helfen. Doch der Film macht klar: Sie müssen es tun, weil die Regierungen es unterlassen. So folgt am Schluss ein ähnlicher Blick auf das Deutschland nach dem großen Flüchtlingsansturm: „Viele Heime stehen leer, doch der neue Kurs der Bundesregierung bleibt bei Begrenzung […] anders, als es die beiden großen Kirchen fordern“.

Es bleibt so bei dem recht simplen Bild, das der Film durchweg zeichnet: Die Kirchen sind die Guten, die Rechtspopulisten und die sich isolierenden Regierungen Europas diejenigen, die rücksichtlos Menschenrechte missachten. Allerdings: Bei nur 45 Minuten Laufzeit muss der Film die Komplexität ein wenig zugunsten der Menschen opfern – denn die stehen hier im Vordergrund.

„legal, sicher, christlich“ lief am 30. Juli in der ARD. Die Wiederholung läuft am 3. August um 21.17 Uhr bei tagesschau24. Der Film ist auch in der ARD-Mediathek abrufbar.

 

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