„Man braucht einen Sündenbock“

Gelbe Sterne mit dem Wort „ungeimpft“, Hass auf Israel, Gewalt gegen Männer mit Kippa, Gerede von der Weltverschwörung – Antisemitismus hat viele Gesichter. Der Journalist Richard C. Schneider sagt: Der kommunikative Zweck ist immer der gleiche.
Von Jonathan Steinert
Richard C. Schneider

PRO: In Ihrer Dokumentation beschreiben Sie linken, rechten und muslimischen Antisemitismus sowie einen Alltags-Antisemitismus. In welcher Form sehen Sie das größte Problem?

Richard C. Schneider: Gemessen an den Zahlen von Übergriffen und Straftaten ist der Antisemitismus von rechts am bedrohlichsten. Das zweite ist ein gesamtgesellschaftliches Problem: dass ein Großteil der Menschen Antisemitismus gar nicht erkennt. Die deutsche Gesellschaft hat sich aufgrund der sogenannten Vergangenheitsbewältigung sehr konzentriert auf den Antisemitismus aus der Zeit des Nationalsozialismus. Aber es fehlt oft das Bewusstsein dafür, dass es mittlerweile neue Gefäße für ein uraltes Problem gibt. Da bräuchte es sehr viel mehr Aufklärung.

Woher kann man wissen, dass Ausdrücke wie „Globalisten“, „die da oben“ oder „Weltverschwörung“ antisemitisch aufgeladen sind? Nicht jeder denkt dabei vielleicht an Juden.

Das sind Chiffren, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Die „internationale Finanzelite“ oder das „Finanzkapital“ – das sind alte Stereotype, die gegen sogenanntes jüdisches Kapital in Stellung gebracht wurden. Oder die Idee des Kosmopoliten oder Globalisten, womit der Jude gemeint ist, der angeblich versucht, die Welt zu beherrschen. Diese Muster gibt es schon in Verschwörungstheorien um die Bankiersfamilie Rothschild oder die „Protokolle der Weisen von Zion“. Heute werden diese Chiffren von manchen wieder bewusst geschürt. Das erleben wir etwa bei den Protesten gegen die Coronapolitik. Natürlich gibt es Leute, die diese Begriffe verwenden, ohne sich dessen bewusst zu sein, was sie da sagen. Deshalb noch einmal: Aufklärung ist enorm wichtig!

Heißt das, es braucht mehr davon in der Schule, oder muss das auch auf anderen Ebenen passieren?

Schulen sind dafür ein sehr wichtiger Ort. Das gilt für Antisemitismus genau so wie für viele Fragen des Rassismus. Man sollte schon sehr frühzeitig anfangen, eine Sensibilität bei Kindern zu entwickeln, damit sie sie mit ins Erwachsenenleben nehmen. Erwachsene darüber aufzuklären, ist sicherlich auch hilfreich. Aber dann sind solche Stereotypen oft schon sehr tief verankert. Ich bin über 60, meine Generation zum Beispiel ist mit Bildern und Begriffen großgeworden, vor allem was schwarze Menschen betrifft, von denen wir heute wissen, dass sie zutiefst rassistisch sind. In unser aller Köpfen stecken Klischees und Vorurteile. Davon ist niemand frei.

„Der kommunikative Zweck ist immer der gleiche: Man braucht einen Sündenbock für das, was angeblich falsch läuft.“

Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik kam es vor, dass die aktuelle Situation mit dem Nationalsozialismus verglichen wurde oder dass sich Ungeimpfte den Judenstern anheften. Sehen Sie darin historisches Unwissen oder bewusste Provokation?

Wer einen gelben Stern mit „ungeimpft“ trägt oder andere Vergleiche zur Nazi-Diktatur anstellt, weiß, dass es eine Provokation ist. Aber manche meinen wahrscheinlich tatsächlich, sie tun das Richtige, weil sie sich selbst als Opfer empfinden. Das ist eine Mischung aus Überheblichkeit, mangelndem historischen Bewusstsein und – das klingt paradox – gleichzeitig aber doch einem Wissen um die Geschichte, weil man ja weiß, dass es provoziert.

Was ist der kommunikative Zweck hinter antisemitischen Äußerungen?

Der kommunikative Zweck ist immer der gleiche: Man braucht einen Sündenbock für das, was angeblich falsch läuft. Besonders gut klappt das, wenn man die Verantwortung so ganz ins Ungefähre hineinschiebt; man spricht von der „internationalen Elite“, dem ganzen „System“, „denen da oben“ und letztendlich den Juden. Je diffuser es wird, desto weniger ist es überprüfbar. Sich selbst macht man so zum armen, kleinen, ohnmächtigen Opfer. Menschen, die so etwas sagen, bleiben in einer kindlichen Haltung. Erwachsenes Verhalten wäre es, die Verantwortung zu tragen und einzustehen für das, was man tut.

Aber bei Protesten gegen die Corona-Politik ist der Adressat doch der Gesetzgeber und die Regierung, die die Maßnahmen erlassen.

Das ist das Primäre. Aber hinter dem Gesetzgeber, das haben wir ja immer wieder gehört, steckt in dieser Vorstellungswelt beispielsweise die – jüdische – Pharmaindustrie. Denn der Chef von Pfizer, Albert Bourla, ist ein griechischer Jude, der medizinische Direktor für die Corona-Impfstoffentwicklung von Moderna, Tal Sax, ist Israeli. George Soros, der amerikanisch-jüdische Milliardär, der ursprünglich aus Ungarn stammt, gehört für die Verschwörungstheoretiker sowieso dazu. Und diese Figuren sind diejenigen, die dann wiederum die Bundesregierung und Abgeordneten angeblich wie Marionetten hin und her schieben. Wir haben ja bei Demonstrationen auch diese Poster gesehen, wo Angela Merkel und andere so dargestellt wurden.

Gerade Akteure aus dem rechten Spektrum bedienen solche Narrative. Aber solche Erzählungen sind auch in der Mitte der Gesellschaft fruchtbar. Warum?

Zunächst darf man eines nicht vergessen: Wir leben hier im christlichen Abendland und im Christentum ist der Jude als Sündenbock ganz tief in der Kultur verankert. Das andere ist: Das Leben wird immer komplexer. Was in anderen Teilen der Welt geschieht, kann Auswirkungen auf mich haben. Dazu kommt die Sehnsucht nach einfachen Antworten, weil man sich sonst als Spielball in einem System versteht, das nicht mehr durchschaubar ist. Wir sind es in der Zeit der modernen Wissenschaft ja auch gewohnt, für alles Antworten und rationale Erklärungen zu finden. Deshalb fällt es uns schwer, mit einer Force majeur leben zu müssen, also einer höheren Gewalt, in dem Fall einem Virus, das einfach macht, was es will.

Zur Person

Richard Chaim Schneider, Jahrgang 1957, wurde als Sohn von Holocaust-Überlebenden in München geboren. Seit 1987 ist er journalistisch für die ARD tätig. Von 2005 bis Ende 2015 berichtete er für den Sender aus Israel, den palästinensischen Gebieten und Zypern. Ab 2006 leitete er das ARD-Studio in Tel Aviv. 2016 übernahm er die Leitung des Studios in Rom. Seit 2017 dreht er als „Editor at Large“ beim Bayerischen Rundfunk Reportagen und Dokumentationen rund um die Welt, außerdem berichtet er für den Spiegel aus Israel. Er ist Autor mehrerer Bücher. Für seine Arbeit hat er zahlreiche Preise bekommen. Schneider lebt in Tel Aviv.

Eine Frage, die gerade im Zuge der Aufarbeitung von Verbrechen der Kolonialgeschichte gestellt wird: Inwiefern ist der Holocaust einmalig? Was hebt ihn im Vergleich zu anderen Menschheitsverbrechen heraus?

Der entscheidende Unterschied zwischen dem Holocaust und allen anderen Genoziden ist, dass es eine Erlösung-Ideologie hinter dem Holocaust gab. Die erklärte, dass die Menschheit erst erlöst wird, wenn das Judentum ausgelöscht ist. Diese Ideologie verstand den Juden als das Übel schlechthin. Die anderen Genozide sind nie unter einem solchen Vorzeichen durchgeführt worden. Das macht diese aber nicht weniger schlimm.

Auch der Umgang von Israel mit den Palästinensern wird manchmal mit dem Holocaust verglichen. Die Erzählung ist: Was den Juden damals passiert ist, wenden sie heute auf die Palästinenser an. Wie kann man dem faktisch begegnen?

Wenn jemand einen solchen Schwachsinn von sich gibt, gibt’s eigentlich nichts zu diskutieren. Die Ermordung von sechs Millionen Juden in sechs Jahren ist nicht im Ansatz zu vergleichen mit dem, was in Israel durch den palästinensischen Konflikt passiert. Um es mal sehr zynisch zu sagen: Wenn Israel sich tatsächlich wie die Nazis verhalten würde, gäbe es keine Palästinenser mehr. Das ist einfach absurd. Dahinter steht vor allem eines, abgesehen von antisemitischen Tendenzen: völlige Unkenntnis der Realität vor Ort. Auch da frage ich mich: Warum sagt jemand soetwas? Dann sind wir schnell wieder bei eigenen Befindlichkeiten hier in Deutschland, die nichts zu tun haben mit Palästinensern und Israelis. Sondern mit einer Abwehr von Schuld und Verantwortung.

„Der entscheidende Unterschied zwischen dem Holocaust und allen anderen Genoziden ist, dass es eine Erlösungs-Ideologie hinter dem Holocaust gab. Die erklärte, dass die Menschheit erst dann erlöst ist, wenn das Judentum ausgelöscht ist.“

Wann ist Israelkritik antisemitisch aufgeladen?

Schauen wir doch erst mal den Begriff Israelkritik an: Israel ist das einzige Land, für das es im Deutschen eine solche feststehende Formulierung gibt. Es gibt keine Chinakritik, keine Russlandkritik, keine Amerikakritik, es gibt nur Israelkritik (duden.de kennt „israelkritisch“ und „russlandkritisch“ als Adjektive, wobei sich das erste laut Definition nur auf den Staat bezieht, das zweite auf Staat oder Politik; Anm. d. Red.). Für alle anderen Länder heißt es „Kritik an“. Allein das zeigt schon, dass hier mit einem anderen Maß gemessen wird. Die Unterscheidung zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus ist einfach: Antisemitismus beginnt dort, wo Israel als Ganzes gemeint ist, wo es in seiner Existenz nicht akzeptiert wird. Wenn ich die israelische Regierung kritisiere, ihre Politik – was ist daran schlecht? Das muss in jeder Demokratie möglich sein. Das gilt natürlich auch für Israel.

Was bedeutet das für die Solidarität mit den Palästinensern? Der WDR hat die Zusammenarbeit mit der palästinensischen Journalistin Nemi El-Hassan beendet, nachdem ihr vorgeworfen worden war, dass sie einmal am Al-Kuds Marsch teilnahm und sich in den sozialen Medien israelfeindlich geäußert habe.

Die Solidarität einer Palästinenserin mit Palästinensern ist doch normal. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Aber wenn jemand am Al-Kuds-Marsch teilnimmt, wo die Vernichtung des Staates Israel gefordert wird, wird es schwierig. Nemi El-Hassan hat sich entschuldigt, das nehme ich so hin. Sie soll auch extrem israelfeindliche Tweets geliket haben. Dazu kam das verteidigende Argument: Das waren Tweets von einer jüdischen Organisation aus Amerika, die antizionistisch ist. Das mag sein; aber wenn jemand antizionistisch ist, auch als Jude, ist er dagegen, dass Israel existiert, und damit habe ich ein Problem.

Wie bewerten Sie die pro-palästinensische Israel-Boykott-Bewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen)? Der Bundestag hat sie als antisemitisch eingestuft. Aber es gibt Kulturschaffende, die das kritisieren und sagen: Mit diesem Beschluss werden auch viele jüdische Stimmen ignoriert.

Ich selbst hab mir damals gedacht: Wozu ist es nötig? Damit wertet man BDS unnötig auf. Diese Resolution ist rechtlich nicht bindend und man kann sie selbstverständlich kritisieren. Es gibt Juden, die sagen, BDS sei alles, aber nicht antisemitisch. Ihnen widerspreche ich. Ich sage: Teile von BDS sind durchaus antisemitisch, weil sie auch die Auflösung des Staates Israel verlangen.

Die Dokumentation „Die Sache mit den Juden“ von Richard Schneider beschreibt und erklärt in vier rund 25-minütigen Folgen verschiedene Formen des Antisemitismus. Die Sendung ist in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zu sehen.

Gewalt gegen Juden und Angriffe gegen Synagogen gehen in Deutschland auch von Muslimen aus. In Ihrem Film warnen Sie aber davor, von einem „importierten Antisemitismus“ zu sprechen, wie es auch verschiedene Politiker getan haben. Warum?

Diese Formulierung des „importierten Antisemitismus“ wird vor allem von rechten Kreisen geschürt, die damit so tun, als ob es in Deutschland keinen Antisemitismus gäbe. Das einzige Problem der Juden seien die Muslime. Gibt es muslimischen Antisemitismus? Klar. Ist das ein Problem? Ja! Aber hinter dem Begriff des „importierten Antisemitismus“ steht eine politische Agenda. Die ist dazu da, um sich selbst reinzuwaschen, Muslime zum Sündenbock zu machen und somit ein Argument mehr zu finden, sie hier wieder loszuwerden – mit dem Begriff geschieht das auf dem Rücken der Juden. Nein, danke!

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview erschein in der Ausgabe 1/2022 des Christlichen Medienmagazins PRO. Sie können PRO kostenlos online bestellen oder telefonsich unter 0 64 41/5 66 77 00.

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18 Antworten

  1. „Man braucht einen Sündenbock“
    Und dessen Schuld steht immer schon fest:

    „Im Mai 2020 hielt die juristische Fakultät der Northwestern University bei Chicago ihre Fakultätssitzung ab. Es war, kurz nachdem George Floyd in Minneapolis von einem Polizisten getötet worden war. Im ganzen Land kam es zu gewaltsamen Protesten, «Black Lives Matter»-Kundgebungen. Und die Professoren fanden, es sei an der Zeit, dass auch sie ein Zeichen setzten. Gegen Ende der Sitzung erhoben sich alle Beteiligten von den Stühlen und legten ein Bekenntnis ab:
    Wir sind privilegiert.
    Und wir sind rassistisch.

    Das Schuldeingeständnis wurde vom ganzen Lehrkörper verlangt. Unabhängig von der Herkunft, den persönlichen Erfahrungen und der politischen Einstellung der Dozenten.
    Auf Twitter kommentierte eine Studentin und schrieb: «Professor Speta ist kein Rassist. Er ist ein wunderbarer Mensch, der von allen geschätzt wird. Es macht mich traurig, dass er gezwungen wird, von sich so etwas zu sagen.»

    Derlei Sentimentalitäten durften keine Rolle spielen. Denn in den Augen derer, die das kollektive Bussritual initiiert hatten, ging es um höhere Werte: um Solidarisierung mit den Opfern weisser Gewalt.
    Diese galt allerdings nicht dem gewaltsamen Tod eines jungen Menschen und nicht einer Polizeigewalt, die ausser Kontrolle geraten war.
    Das Eingeständnis wurde Menschen abverlangt, die damit nichts zu tun hatten. – ohne dass sie durch ihr Verhalten etwas daran ändern können.“

    https://www.nzz.ch/feuilleton/antirassismus-wird-zur-religion-john-mcwhorter-redet-klartext-ld.1669217

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  2. Importierter Antisemitismus?

    Dazu Daten und Fakten:
    „Wenn achtzig Prozent von mehr als sechzehntausend befragten jüdischen Europäern sagen, sie gingen schon gar nicht mehr zur Polizei, weil das ohnehin nichts nutze, und in Deutschland 41 Prozent im vergangenen Jahr antisemitisch angegangen worden sind, zeigt sich einmal mehr:
    Es hat viel zu lange gedauert, bis Vertreter jüdischen Lebens in Europa, angefangen bei der französischen Philosophin Elisabeth Badinter, mit der schon flehentlichen Mahnung Gehör gefunden haben, dass man sie mit der gerade in den letzten Jahren und im Zusammenhang mit der Migration rapide angewachsenen Judenfeindlichkeit nicht allein lassen dürfe.“
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/studie-zu-antisemitischen-uebergriffen-in-europa-juden-berichten-15935029.html

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    1. >Vor allem von rechten Kreisen geschürt< ?

      Leider ist der importierte Antisemitismus ein Thema, das in Medien und Polizeistatistik(!) weitgehend und wirklichkeitsfern ausgeblendet wird.

      "Diverse EU-Staaten mit schnell wachsenden muslimischen Minderheiten sehen sich mit einem importierten, oft gewalttätigen Antisemitismus konfrontiert.
      In den deutschen Medien wird zwar immer noch mit Hinweis auf die Polizeistatistik der Eindruck vermittelt, dass der Grossteil der antisemitischen Taten auf das Konto von Rechtsextremen gehe.
      Doch die registrierten Anzeigen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mobbing und Gewalt gegenüber Juden zunehmend von muslimischen Einwanderern ausgeht.
      So hat sich in Berlin, der Stadt mit der grössten jüdischen Gemeinde, die Anzahl der antisemitischen Taten seit 2013 verdoppelt. Vor diesem Hintergrund zeigt sich der deutsche Rechtsstaat, ähnlich wie in Frankreich oder Schweden, wo das Phänomen bereits länger in Erscheinung getreten ist, weitgehend ratlos."
      https://www.nzz.ch/meinung/der-neue-antisemitismus-trifft-deutschland-moralisch-am-haertesten-ld.1462604?

      und auch hier:
      https://www.nzz.ch/meinung/deutschland-der-islamische-antisemitismus-wird-verharmlost-ld.1625544?

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  3. 1. Der Antisemitismus von links, rechts und muslimisch ist in gleicher Art und Weise abzulehnen und zu bekämpfen
    2. In fast keiner Diskussion, die ich geführt habe, mit Impfgegnern, über Verschwörungstheorien sowie über den Einfluss von Finanzmagnaten ging es gleichzeitig um das Judentum. Es ist viel mehr umgekehrt. Menschen, die sich kritisch äußern in den genannten Zusammenhängen werden sehr oft fast automatisch in die rechte Ecke gestellt und damit auch gleichzeitig Antisemitismus dieser Personengruppe impliziert. Es wird leider Antisemitismus zum Beispiel von Linken gern ausgeblendet aber viele Konservative sind oft unbegründeten Verdacht ausgesetzt. Es ist sehr gefährlich und unehrenhaft wenn Antisemitismus als Waffe in der politischen Auseinandersetzung eingesetzt wird

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  4. Was ist eigentlich aus der Sache mit Gil Ofarim geworden? Komischweise hört man gar nichts mehr davon, obwohl das Thema doch das gesamte Land bewegt hat.

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    1. Hallo Maik,
      das Problem, das sie ansprechen, wird auch hier beleuchtet:
      https://www.nzz.ch/feuilleton/die-medien-lieben-geschichten-ueber-rassismus-weil-sie-klicks-bringen-und-ideologien-bestaetigen-ob-die-storys-wahr-sind-ist-unwichtig-ld.1662915?

      und konkret zum Fall „Ofarim“, da kann ich ebenfalls keinen abschließenden Status finden:
      „Die Leipziger Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag, dem 25.1.22, erklärt, ihr liege nun ein weiteres Gutachten zum Fall Ofarim vor. Dafür hatten Ermittler die Zu Details äußerte sich die Anklagebehörde aber nicht.“
      https://www.berliner-zeitung.de/news/causa-gil-ofarim-antisemitismus-beauftragter-zieht-traurige-bilanz-li.208965

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  5. Natürlich ist Antisemitismus nicht gutzuheißen. Es erschließt sich mir aber nicht, wieso man dieses Thema auf Menschen projeziert, die an Corona-Protesten teilnehmen und damit ein Grundrecht wahrnehmen, welches monatelang ausgesetzt oder stark eingeschränkt war.
    Zum Sündenbock werden heute ja nicht die Juden gemacht, sondern die Ungeimpften. Sie sind laut politisch-medialer Propaganda für das Unheil verantwortlich. Und genau diese Ausgrenzung, Diffamierung und Hetze (Montgomery: „Tyrannei der Ungeimpften“) gegenüber Menschen, die ihr Recht auf körperliche Unversehrheit in Anspruch nehmen, ist anzuprangern. Dass man innerhalb kurzer Zeit ein System der Einschüchterung, der Lüge und Angst in westlichen Demokratien installieren kann zeigt, dass wir nichts aus der Geschichte gelernt haben. Das erschüttert mich zutiefst.

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    1. Das Problem bei den Protesten gegen die Coronamaßnahmen ist der Bezug auf den Holocaust, den manche Teilnehmer vornehmen.

      Wenn ein Kind sich als „Anne Frank“ fühlt, weil sie ihren Geburtstag nicht groß feiern konnte, da die Nachbarn sie dann vielleicht wie Anne Frank denunziert geworden wäre, muss man leider sagen, hier haben Erwachsene dieses Kind instrumentalisiert. Weil sie nichts aber auch gar nichts vom Holocaust verstanden haben. Bei Anne Frank ging es um Leben und Tod, bei dem Kind hier nur um „Spaßgesellschaft“.

      Und die junge Frau, die sich mit Sophie Scholl verglich. Sophie Scholl wurde hingerichtet, weil sie nicht bereit war zuzusehen, wie Behinderte ermordet wurden, Juden vergast wurden und die Deutsche Bevölkerung sich zusehends wegduckte und vor einem Massenmörder kuschte. Diese junge Frau hat von Sophie Scholl nichts, aber auch gar nichts verstanden.

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      1. Das stimmt und das gehört auch massiv kritisiert und damit wird der Holocaust verunglimpft. Nur das bekommt die richtige Wirksamkeit nur dann wenn man mit antisemitischen Aktionen von Linken und Muslimen genauso konsequent umgeht. Und das erfolgt eben gerade nicht. Jeder, der einem anderen eine Kippa vom Kopf schlägt sollte zumindest ein ordentliches Bussgeld bezahlen müssen egal wie er heisst. Es gibt immer weniger Juden, die ihren Glauben in der Öffentlichkeit zeigen. Doch nicht nur weil die AfD im Bundestag sitzt.

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    2. Ihr Kommentar ist ein gutes Beispiel für Antisemitismus – so wie Sie schreiben, sind Juden=Ungeimpfte zu verstehen. Ja, es gibt unschöne Kommentare über Corona-Maßnahmenkritiker und Ungeimpfte, und für letztere auch einige Einschränkungen – aber das kann man eben in keiner Weise vergleichen, geschweige denn gleich setzen mit dem, was in der Nazizeit Juden angetan wurde. Es wird auch nicht „projeziert“, sondern die Vergleiche werden von nicht wenigen Kritikern verwendet. Ein besonders krasses Beispiel: eine zeitlang war er öfter zu sehen (bevor das jetzt verboten werden musste): ein gelber Stern mit „ungeimpft“. Man kann es drehen und wenden wie man will: das ist Antisemitismus. Kritisieren ist gut und sehr wichtig, sich zum Opfer ähnlich den Juden hochstilisieren geht nicht. Und zum System der Einschüchterung, Lüge und Angst – damit meinen Sie doch das, was manche Maßnahmenkritiker machen oder? Ich kann Ihnen jede Menge Belege für Lügen, Angst, Einschüchterung und Hetze von Seiten der prominenten Maßnahmenkritiker liefern!

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      1. Man kann es drehen und wenden, wer sich einen Judenstern anheftet um eine vermeintliche (und wohl völlig überzogene) Opfersolidarität zu beanspruchen, der hat sich historisch auf Glatteis begeben.
        Eines ist er aber sofort und automatisch deshalb nicht zwingenderweise: Ein Antisemit.
        Denn hier wird kein Hass, sondern, – im Gegenteil – , eine Identifikation mit Juden demonstriert.

        Erschreckender ist es nun aber, das diese Sicht in Deutschland von der Diskussion ausgeschlossen wird:
        >>In der umstrittenen Kolumne vom 6. Februar bezeichnete Martenstein das Tragen von „Judensternen“ auf Corona-Demonstrationen mit der Aufschrift „Ungeimpft“ zwar als „eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung“ und „für die Überlebenden schwer auszuhalten“, aber „sicher nicht antisemitisch“, weil die Träger sich mit verfolgten Juden identifizierten.
        Die Text wurde innerhalb der Redaktion und auch von der Leserschaft scharf kritisiert. Die Chefredaktion … zog ihn online zurück.

        Wie immer habe er geschrieben, was er denkt, schreibt der 68 Jahre alte Journalist in seiner Abschiedskolumne. Leute, die Judensterne benutzten, um sich zu Opfern zu stilisieren, seien dumm und geschichtsvergessen, Leute, die auf Demos zur Vernichtung Israels aufrufen, seien etwas gefährlicher: „Ich habe meine Meinung nicht geändert. Vielleicht irre ich. Wo man glaubt, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz.“<<

        https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/streit-um-kolumne-harald-martenstein-verlaesst-den-tagesspiegel-17819623.html#void

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        1. 1. Das von Herrn Martenstein habe ich gestern auch gelesen, aber ändert nichts an meiner Meinung.
          2. „Drehen und Wenden“ habe ich bewußt geschrieben, anfangs fand ich diese Vergleiche zwar weitaus mehr als „historisches Glatteis“, nämlich „dumm und geschichtsvergessen“. Aber je länger und mehr das aufgetreten ist, desto mehr finde ich: Antisemitismus. Die von Ihnen angeführte „Identifikation“ passt eben gerade nicht – ich wiederhole mich: das, was Ungeimpfte und Maßnahmenkritiker an Ablehnung erleben ist nicht schön, aber in keiner Weise zu vergleichen mit dem, was Juden durchmachen mussten. Sie können sich nicht mit Juden identifizieren, weil sie nicht das erleben, auch nicht, wenn man seinen Job verliert – Juden hatten keine Möglichkeit, etwas an ihrem Schicksal zu ändern, zum Beispiel einen anderen Job zu suchen. Und: es ist schon seltsam: es gibt immer nur zwei Vergleiche bei den Demos: Juden oder der Widerstand 1989, auch dieser Vergleich ist meiner Ansicht nach nicht zulässig. Ich frage mich, warum nie ein Vergleich kommt wie: ich fühle mich abgestempelt und ausgegrenzt wie ein Flüchtling? Oder ein behinderter Mensch? Merken Sie, wieso der Ungeimpft-Stern Antisemitismus ist?

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          1. Hallo Veronika,
            der von ihnen vorgeschlagene Vergleich mit dem „Flüchtling“ wäre nach Ihrer Logik doch dann aber „Rassismus“, nicht wahr?
            Merken Sie, dass Identifikation etwas anderes ist als Hass, Antisemitismus, Rassismus, …?
            Man sollte diese Keule „Antisemitismus“ nicht zu oft verwenden, nicht immer passt der Vorwurf – und wäre (da unangebracht und überzogen) genau das, was Sie bemängeln: Verharmlosung.

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          2. @Tell (leider kann ich nicht direkt antworten) Können Sie mir bitte nochmal erklären, was Sie meinen?
            Zuerst: ja, das wäre nach meiner Logik Rassismus.
            Was ich mit meiner Frage meinte, war: warum wird immer wieder und fast ausschließlich diese „Indentifikation“ mit verfolgten Juden hergestellt? Zumal diese gar nicht nötig wäre – es reicht doch aus, wenn man sagt: ich fühle mich ausgegrenzt,/sehr unfair behandelt/ ich sehe die Maßnahmen als nicht mehr vom Grundgesetz gedeckt? Das reicht vollkommen aus, um sachlich miteinander zu diskutieren.
            Und bei meinen beiden Beispielen wird hoffentlich klar, dass man sich da nicht identifizieren kann oder will, genauso wenig, wie man das meiner Ansicht nach mit der Verfolgung der Juden tun kann. Interessant, was Politik, Polizei und Vertreter jüdischer Gemeinden zum „Ungeimpft-Stern“ sagen: kurz zusammengefasst: Volksverhetzung. siehe zum Beispiel: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Ungeimpft-Sterne-Fuerst-fordert-beschleunigte-Verfahren,davidstern112.html
            Und ich frage mich, was sie mit „Verharmlosung“, „unangebracht und überzogen“ meinen – für mein Verständnis tun das gerade die „Ungeimpft-Stern“ Träger, die heutigen Sophie Scholls oder Anne Franks.
            Aber nochmals: ich verstehe Ihre Antwort nicht wirklich, wahrscheinlich ist sie zu kurz – bitte erklären Sie mir, was Sie meinen.

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          3. @Tell: Wichtig finde ich übrigens die Unterscheidung die Alan Posener in der Welt trifft: ein Ungeimpft-Stern ist antisemitisch, die Person, die ihn sich anheftet, ist vermutlich kein Antisemit. Und spannend finde ich die Löschung des Artikels im Tagesspiegel und den Abschied von Herrn Martenstein und dass der Tagesspiegel danach eine letzte Kolumne von Herrn Martenstein veröffentlicht hat: „Ich bleibe bei meiner Meinung“.

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  6. Wie gesagt und als Beispiel: bei einer Demo zu Hanau in Berlin kam es von Linkextremen zu massiven Ausfällen gegen Israel. Nur: wo sind nun die Leitmedien und vor allem Frau Faeser!!!!

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