Eigentlich hat Erika Steinbach in der Diskussionsrunde mit dem passenden Titel „Gleiche Rechte für Homosexuelle – ist die Ehe nicht mehr heilig?“ alles richtig gemacht. Mehrfach äußerte sie Respekt für Homosexuelle und betonte, dass in Deutschland jeder so leben solle, wie er wolle. Sie verurteilte die Diskriminierung von Homosexuellen in Russland und betonte beim Thema Adoptionsrecht, dass das Wohl der Kinder im Mittelpunkt stehen müsse.
Dass die konservative Unionsabgeordnete trotzdem einen schweren Stand hatte, lag nicht an der Moderatorin, die ausgesprochen fair mit ihren Gästen umging, sondern vielmehr am Publikum im Studio. Äußerungen Steinbachs und auch ihrer Mitstreiterin Hedwig von Beverfoerde wurden oft mit lauten Buh-Rufen quittiert, während kritische Fragen von Anne Will an die Verfechterinnen der traditionellen Familie mit langem Applaus belohnt wurden.
Geladen war außerdem der homosexuelle katholische Theologe David Berger, der jüngst mit der Forderung für Aufsehen gesorgt hatte, „Homohasser“ nicht mehr in Talkshows auftreten zu lassen. Er nannte von Beverfoerde, CDU-Mitglied und Sprecherin der Initiative Familienschutz, „reaktionär“ und erklärte: „Wir leben hier nicht im Vatikan oder in Katholistan.“
Wesentlich konstruktiver argumentierte der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch. Er lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und hat eine Tochter, die er mit seinem Partner gemeinsam mit deren lesbischer Mutter aufzieht. Er sagte, dass eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau durch die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft nicht benachteiligt werde.
Warum hat es die Bundesregierung so eilig?
Von Beverfoerde zeigte sich verwundert darüber, dass es die Bundesregierung mit der Umsetzung der steuerlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften so eilig habe: „Es gibt Urteile vom Bundesverfassungsgericht zur Familie, die seit 20, 30 Jahren nicht umgesetzt werden.“ Der „Galopp“ der Bundesregierung sei merkwürdig: „Man sollte erstmal für die vielen Menschen im Land, die Kinder erziehen, Urteile umsetzen, die schon lange anstehen“, forderte sie. Dass es beim Ehegattensplitting nun so schnell gehe, sei auf die geschickte Lobbyarbeit der Homosexuellen zurückzuführen.
Kauch merkte an, dass es in Deutschland außerhalb der Stadtzentren von Großstädten noch immer zur Diskriminierung Homosexueller komme. Daher sei jede gesetzliche Regelung, welche Diskriminierung abbaue, gut. Auf seiner Facebook-Seite werde er selbst wegen seiner sexuellen Orientierung beleidigt: „Sowohl aus dem rechtsradikalen als auch aus dem christlich-fundamentalistischen Bereich heraus wurde da die Gülle über mich geschüttet.“
Braucht ein Kind Vater und Mutter?
Ausführlich wurde in der kurzweiligen Runde die Frage nach dem Adoptionsrecht und dem Kindswohl behandelt. „Wir haben in Deutschland eine stattliche Anzahl von Elternpaaren, die ein Kind adoptieren wollen – ein Vielfaches mehr, als Kinder zur Verfügung stehen.“ Diesen Eltern sollte man den Vorzug geben, da Kinder Vater und Mutter als Identifikationsfiguren bräuchten. Von Beverfoerde bekräftigte dies mit dem Hinweis auf eine EU-Charta für Menschenrechte von 1995, wonach jedes Kind das Recht auf Vater und Mutter habe.
FDP-Mann Kauch stimmte hier im Grundsatz zu, Kinder bräuchten den Einfluss beider Geschlechter. „Doch auch lesbische Paare haben Brüder und Freunde, und wir bemühen uns, mehr männliche Erzieher einzustellen“, sagte er. Im letzten Viertel der Sendung berichtete der 18-jährige Malte Czarnetzki, der bei einem lesbischen Paar aufwuchs, von seinen Erfahrungen. In seiner Kindheit habe nichts gefehlt, er habe auch nicht das Bedürfnis, sich auf die Suche nach seinem biologischen Vater zu begeben. Für die Erziehung zu einem verantwortungsvollen Mitglied der Gesellschaft spiele es keine Rolle, welches Geschlecht „die Eltern“ hätten.
Laut einer Allensbach-Studie von 2012, die Will am Ende der Sendung zitierte, denken 97 Prozent der Deutschen beim Wort Familie noch immer an einen Mann, seine Frau und gemeinsame Kinder. Das höhnische Studiopublikum scheint mehrheitlich zu den drei Prozent zu gehören, die Familie für etwas anderes halten. Das Statement des Abends kam dann auch von Hedwig von Beverfoerde: „Toleranz wird, zu Recht, gerade von Homosexuellen oft eingefordert. Ich sehe ein ganz großes Problem in umgekehrter Richtung.“ (pro)