„Wut“ lautet der Titel der deutschen Produktion, die nach langer Debatte am Freitag, den 29. September, um 22 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird, statt, wie zuvor geplant, am Mittwoch um 20.15 Uhr. Es geht um den türkischen Bandenführer und Drogendealer Can, der zunächst nur den Sohn der deutschen Familie Laub tyrannisiert. Der junge Türke Can nutzt Felix Laub aus, misshandelt und erniedrigt ihn. Der feinsinnige, Cello spielende Teenager (dargestellt von Robert Höller) muss etwa seine nagelneuen Schuhe an Can (Oktay Özdemir) abtreten und andere Schikanen über sich ergehen lassen.
Schließlich erfährt Felix‘ Vater Simon (August Zirner), was sein Sohn ertragen muss und geht mit Polizei und Gesetz gegen den aggressiven Berliner Türken vor. Der angehende Universitätsprofessor wird besonders von seiner Frau Christa (Corinna Harfouch) gedrängt, gegen Can vorzugehen. Der beleidigt sowohl den Vater („unmännlicher Schwächling“) als auch die Mutter.
Zwar beugt sich Can irgendwann dem Willen des Vaters und bringt die Schuhe wieder zurück, doch sein Hass auf die Familie wächst. Can verrät inmitten der Antrittsvorlesung Simons zur Germanistik-Professur, dass dieser eine Affäre mit einer dort anwesenden Studentin hat. „Für den Vater ist der gewaltbereite Jugendliche längst zum Albtraum geworden“, heißt es in der Ankündigung.
„Christliche“ oder „faschistische Arschlöcher“?
Das Magazin „Der Spiegel“ bezeichnete „Wut“ als „brutales ARD-Movie“, das voll von „heimlicher Bewunderung“ sei für etwas, was Can für eine „Kultur der Ehre hält. „Frauen- und Homosexuellenverachtung sind das eine, die Rückkehr des Faustrechts das andere. Wer dem aggressiven Tunichtgut in die Quere kommt, bezieht Prügel. Wer, wie der Professorenvater, gesetzliche Mittel einsetzt und die Polizei holt, ist ein Feigling und Verräter.“
Can wirft mit derben Kraftausdrücken und Fäkalworten nur so um sich. Nach einem Bericht des „Spiegel“ (Nr. 38, 2006) schimpft er unter anderem auf „christliche Arschlöcher“. In der darauffolgenden Ausgabe teilt der „Spiegel“ eine Richtigstellung des WDR mit: Can sage nicht „christliche“, sondern „faschistische Arschlöcher“. Durch das Nuscheln des Deutsch-Türken und fehlende Untertitel sei dieses Missverständnis wohl zustande gekommen, so das Magazin.
Der Regisseur Züli Aladag wollte laut „Spiegel“ mit seinem Film vor allem eines nicht: politisch korrekt sein. Die Ausländer als ewige Opfer darzustellen und nicht auch als Täter, so etwas wäre ihm als Beschönigung vorgekommen, sagte Aladag, der selbst in der Türkei geboren wurde und seit 1973 in Deutschland lebt. WDR-Fernsehspielchef Gebhard Henke erklärte, „Wut“ wolle „radikale Fragen stellen und radikale Antworten geben“.
Pleitgen: „Der Film zeigt die Realität“
Dies sei jedoch schief gegangen, kritisiert „Der Spiegel“: „‚Wut‘ tut so, als wäre die bisherige Debatte um die Integration der Ausländer von Tabus geprägt, von falscher deutscher Rücksichtsnahme. Er will mit dem gutmenschlichen linksliberalen Köhlerglauben brechen, eigentlich seien Ausländer immer nur Opfer. Er zeigt den Fremden als Täter. Und spielt mit dem Feuer.“
Warum der Film in die Nacht verlegt wurde, wurde WDR-Intendanten Fritz Pleitgen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Montag gefragt. „Das frage ich mich auch“, antwortete der. Die Jugendschutzbeauftragten der ARD hatten eine Verschiebung empfohlen. „Ich bin über die Entscheidung mehr als bekümmert, ich bin zornig. Man fürchtet offensichtlich kritische Schlagzeilen. Der Film zeigt eine Realität, wie sie vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, aber die wir Erwachsenen nicht wahrhaben möchten.“
Der Film solle eine „engagierte, kontroverse, weiterführende Diskussion auslösen“ und sei besonders für junge Menschen geeignet, betont Pleitgen. Die neue Sendezeit komme dem jedoch nicht entgegen. „Um Mitternacht eine gesellschaftlich wichtige Diskussion zu führen, ist natürlich eine vertane Chance.“
Ursprünglich sollte direkt im Anschluss an „Wut“ in der ARD eine von Sandra Maischberger moderierte Dikussion zum Thema Jugendgewalt kommen, in der Politiker, Experten und Betroffene zu Wort kommen sollten.