Alt und Jung: Verhältnis mit Konfliktpotenzial

Klimaschutz, Digitalität, Renten, Arbeit. Jung und Alt blicken unterschiedlich auf diese Themen – und das kann zu Konflikten führen. Auch in Kirchen und Gemeinden führt das zu Reibungspunkten. Aber gerade dort können beide Seiten voneinander lernen.
Von Johannes Schwarz
Verschiedene Generationen können einander begegnen

Mein Vater, Michael Schwarz, gehört zu den Babyboomern. Vor 59 Jahren wuchs er in einem norddeutschen Dorf an der Elbe mit Plumpsklo im Garten und Pferdekutsche statt Müllwagen auf. Ich bin 27 Jahre alt und somit Teil der sogenannten Gen Z, der Generation, die um den Jahrtausendwechsel herum geboren wurde. In meiner Schulzeit zog die Digitalisierung in den Schulen ein und so wurde ich mit technischen und digitalen Geräten und Formaten groß.

Künstliche Intelligenz, Soziale Medien und Smart Home statt eines gefühlten Dorflebens wie im Mittelalter. Die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte sind enorm. Die Lebenswelten, in denen die verschiedenen Generationen groß werden, sind tatsächlich unterschiedliche Welten. Damit sind auch unterschiedliche Werte und Vorstellungen über das Leben und die Gesellschaft verbunden. Das kann zu Konflikten führen.

Zwischen der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration gab es einst auch starke Konflikte. Mein Vater hat diese in seiner Kindheit in den 60er Jahren jedoch wenig mitbekommen. „Über den Krieg wurde nicht viel gesprochen, die Menschen wollten ihn vergessen.“ Stattdessen schauten sie nach vorne und wollten den wirtschaftlichen Aufschwung.

Austausch und Konsens der Generationen notwendig

Da mein Vater seit jeher naturverbunden ist, setzte er sich schon in seiner Jugend für Umweltschutz ein. Innerhalb der Familie bekam er Rückhalt dafür, in der Gesellschaft jedoch gab es Gegenwind. So bezeichneten ihn vor allem ältere Menschen als „Ökospinner“, als er schon damals ein Tempolimit forderte. Aus meiner Sicht hat mein Vater damals sehr weit gedacht und ist ein Pionier, schließlich beschäftigen wir uns heute mit gleichen Fragen.

„Bei allem Konflikt muss man immer die ­Bodenhaftung behalten“, sagt mein Vater heute. Es brauche den Austausch und den Dialog und am Ende auch einen Konsens in (Generations-)Konflikten. Das Engagement der „Letzten Generation“ beispielsweise sieht er sehr kritisch – das geht ihm viel zu weit.

Die Möglichkeiten der Digitalisierung findet mein Vater grundsätzlich sinnvoll. Doch problematisch sei es, wenn junge Menschen immer mehr in einen „digitalen Sog“ geraten. „Die ­Jugendlichen haben so viele Möglichkeiten, dass sie oftmals passiv bleiben und wenig aktiv im Leben tun“, so seine Einschätzung. Mittlerweile hat mein Vater übrigens auch ein Smartphone. ­Damit ist er nicht allein: Aktuelle Zahlen des Bundesbildungs­ministeriums zeigen eindeutig, dass auch mittelalte und alte Menschen digitale Teilhabe erleben. Liegt die Quote bis 67 Jahren bei mehr als 80 Prozent, geht sie erst ab dem Alter von 68 Jahren zurück.

Unterscheiden sich die Generationen doch nicht so stark voneinander?

„Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz. Wer mit 40 ­immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand“, so hat es einst Theodor Fontane formuliert. Junge Menschen begehren auf, wollen sich abgrenzen und Dinge anders und besser machen als die Generation vor ihr. Diese Abgrenzung hat es in unterschiedlichen Ausprägungen und Intensitäten schon immer gegeben. Und sie ist wichtig für die Entwicklung von Kindern hin zu Erwachsenen.

Doch es scheint so, als seien derzeitige Generationenkonflikte von grundlegender und stärkerer Natur. Es spielen sich Konflikte zwischen den Generationen ab, die eine neue Tiefe mitbringen. Dies zeigen Studien unterschiedlicher Fachrichtungen, so auch die Trendstudie „Jugend in Deutschland“, die regelmäßig von dem Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann und dem Jugendforscher Simon Schnetzer herausgegeben wird. Schnetzer spricht anlässlich der Trendstudie vom November 2021 von einem hohen Potenzial eines „ganz großen Generationenkonflikts“.

Es braue sich gesamtgesellschaftlich etwas zusammen. Zu den größten Sorgen der 14- bis 29-Jährigen zählten bei dieser Befragung der Klimawandel, der Zusammenbruch des Rentensystems und die Inflation. Im Jahr 2022 machte der Generation vor allem der Krieg in der Ukraine Sorge und lastete emotional auf ihr, wie Schnetzer sagte. Die Überlagerung von mehreren Krisen in den vergangenen Jahren setze der jungen Generation zu. Ältere Generationen würden die Probleme junger Menschen wenig beachten.

Generation X (1966-1980):

  • Charakterisiert durch starkes Konsumverhalten und Markenbewusstsein
  • Geprägt vom Massenmedium Fernsehen – Übergang von analogen zu digitalen Medien
  • Finanzielle Absicherung und Möglichkeit zu beruflichem Aufstieg
  • Hohes Bildungsniveau
  • Herausforderung durch die zunehmende Digitalisierung

Generation Y/ Gen Y/ Millennials (1980-1995):

  • Legt Wert auf moralisch und ökologisch vertretbares Verhalten, umweltbezogene Themen und sozialpolitische Diskussion
  • Hat Digitalisierung durch den Internet-Boom in vollen Zügen miterlebt
  • Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung
  • Verstärkte Selbstdarstellung über soziale Netzwerke
  • Gut ausgebildete Fachkräfte – Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung
  • Work-Life-Integration

Generation Z/Gen Z (1995-2010):

  • „Digital Natives“ – Digitalisierung in die Wiege gelegt: Welt ohne Internet nicht vorstellbar
  • Neue Möglichkeiten der Recherche; Online-Suche ein selbstverständlicher Bestandteil der Informationsschaffung
  • Ausgeprägtes Identitätsdenken; Einsatz für Menschenrechte und die Gleichberechtigung benachteiligter Gruppen; Themen: Gender und Klimawandel
  • Arbeit soll Leben nicht definieren, sondern bereichern

Die Zukunft birgt Spannungen

Doch die sind mit Blick auf die Zukunft erheblich. Allein der demografische Wandel schürt den Konflikt: Deutschlands Bevölkerung wird älter. Immer weniger junge Menschen werden immer mehr ältere versorgen müssen – ganz praktisch bei Gebrechen im Alter, aber auch durch ihre Arbeit, Steuern und Sozialabgaben. Ob die heutige Jugend mit einer nennenswerten Rente rechnen kann, ist ungewiss. Der Generationenvertrag steht auf der Kippe, aber politische Lösungen zeichnen sich nicht ab.

Auch die Folgen des Klimwandels werden die jüngeren Generationen länger und deutlicher spüren als die älteren. Junge Generationen sind im Durchschnitt wesentlich sensibler für Klima- und Nachhaltigkeitsthemen. 85 Prozent der Deutschen unter 23 Jahren finden Umwelt- und Klimaschutz wichtig. Dies geht aus Untersuchungen des Umwelt-Bundesamtes hervor. Der Konflikt im Umgang mit dem Klimawandel wird auch breit in den Medien ausgetragen.

Oft sind die Debatten emotionalisiert und vergiften damit einen konstruktiven Austausch. Innerhalb der Klimaschutzbewegung wird immer wieder der Vorwurf an die älteren Generationen herangetragen, dass sie zu verschwenderisch mit der Welt umgehen und so Umwelt und Klima schädigen. Auf der anderen Seite werden Klimaaktivisten als „Klimaterroristen“ gebrandmarkt.  Auch unter Christen gewinnt der Klimaschutz an Brisanz. Viele junge Christen sehen Handlungsbedarf, manche ältere konservative Christen sprechen von „Klimaevangelium“ oder sehen im Klimaschutz eine feindliche Ideologie.

Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich ebenfalls ein Generationenkonflikt ab. „Jüngere Menschen und frühere Generationen sehen den Arbeitsplatz fundamental anders“, sagt Roberta Katz, Anthropologin der Stanford Universität. Die Generationen haben unterschiedliche Vorstellungen von einem erfüllten Berufsleben. Um dem größer werdenden Problem des Fachkräftemangels entgegenzutreten, stellen einige Unternehmen mittlerweile ihre Angebote um.

Sie ermöglichen für die Gen Z, also derer, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, etwa verstärkt mobiles Arbeiten im Homeoffice oder auch eine Vier-Tage-Woche. Auffällig ist außerdem, dass Jüngere ihre Arbeitgeber auch nach Wertvorstellungen aussuchen. Etwa wie diese zu Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit oder zur Vielfalt in Führungspositionen stehen. Dies ist bei älteren Generationen weniger der Fall.

Die vergangene Bundestagswahl im Jahr 2021 zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Generationen. Wählten 38 Prozent der mindestens 70-Jährigen die Unionsparteien, waren es bei den unter 25-Jährigen zehn Prozent. Die jungen Menschen wählten vor allem die Grünen und die FDP mit 23 Prozent beziehungsweise 21 Prozent, während ältere Menschen diese beiden Parteien zu sieben und acht Prozent wählten. Dieses Verhalten der Wähler untermauert die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen, auch im politischen Bereich.

Christen erleben auch Einigkeit

Christen in Kirche und Gemeinde kommen nicht um Generationenkonflikte herum. Die großen gesellschaftlichen Generationskonflikte wie die Bedeutung des Klimaschutzes schlagen sich hier nieder. Aber auch Kirche und Glaube selbst können zum Streitpunkt zwischen Jung und Alt werden.

Wie wird der Gottesdienst gestaltet? Um welche Uhrzeit soll er sein? Welche Musik wird gespielt? Auch Lieder auf Englisch? Sollten Christen gendern? Wie umgehen mit homosexuellen Menschen? Auf diese Fragen geben die Generationen meist unterschiedliche Antworten. Gleichzeitig sind die Generationen durch ihren Glauben miteinander verbunden: Der Glaube an Gott und die Rettung durch Jesus bilden eine andere Ebene des Miteinanders. Das ist eine Chance.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Kirchen und Gemeinden der Debatte um einen Generationenkonflikt gestellt. Es gibt Handreichungen für ein Miteinander der Generationen, ­Programme, um einen Austausch zu fördern und sich mit den Themen zu beschäftigen, die Jung und Alt unter den Nägeln brennen. Experten raten Menschen verschiedener Altersgruppen, nicht zuerst über mögliche Konflikte zu sprechen.

Vielmehr kann ein guter Austausch zum Erfolg führen, wenn Vertrauen wächst und Menschen verschiedenen Alters alltägliche Dinge des Alltags teilen: ob gemeinsame Mahlzeiten, Spiel, Musik oder andere gemeinsame Aktivitäten. Vertrauen ist die Grundlage, um auch über die generationenspezifischen Differenzen zu sprechen – und Verständnis füreinander und die Lebenswelt der jeweils anderen Generation zu entwickeln. Generationenübergreifende Projekte können dabei einen Rahmen bieten. Seien es Wohnhäuser, in ­denen Menschen verschiedenen Alters bewusst eine Wohngemeinschaft bilden. Oder auch Mehrgenerationenhäuser als Treffpunkte in der Freizeit, wie das der evangelischen Kirche im hessischen Eschborn. Ob beim Spieltreff, im Buchclub, beim Kochen, im Sprachkurs, Sport oder Chor: im Zentrum des Konzepts steht der Austausch der Generationen und Kulturen miteinander. 

Letztlich kann ein Miteinander der verschiedenen Vorstellungen gelingen, wenn sich die Generationen begegnen. Für einen Austausch ist von Bedeutung, dass Verständnis für die jeweils andere Generation vorhanden ist. Der einende Glaube bildet hierfür die beste Grundlage. Die Verschiedenheit im Blick auf die Welt und die unterschiedlichen Antworten auf die Fragen der Zeit können als Geschenk Gottes wahrgenommen werden. Sich zu achten und voneinander, übereinander und miteinander zu lernen, steht bei vielen Christen im Vordergrund.

Der Personalentwickler und frühere Baptisten-Pastor Sebastian Gräbe unterstreicht die Wichtigkeit der gemeinsamen Begegnungen der Generationen. „Durch generationsübergreifendes Essen in der Gemeinde wird Gemeinschaft gestiftet und eingeübt“, schreibt er in einem Aufsatz zum Thema Generationenkirche. Der Glaube und die weiterführende Entwicklung der Gemeinde bilden einen „gemeinsamen Auftrag“, der „treibende und ­einende Kraft“ hat. Gräbe betont, dass das Miteinander von Jung und Alt „ein zentrales theologisches Motiv der Erwählung als Volk ­Gottes“ sei.

Zusammen könne die Gemeinde Raum bieten, um gemeinsam an Gottes Gemeinde zu arbeiten und einander wertzuschätzen. Kirche kann somit eine Gegenkultur einnehmen, in der die Möglichkeit besteht, sachlich aufeinander einzugehen und nicht emotionalisiert Konflikte zu verstärken. Gemeinde heißt, dass „alle an einem Strang ziehen, aber jede Generation einen anderen Weg wählt“. Gelingt dies, könne Kirche und Gemeinde trotz Konflikten Einheit und Vielfalt leben. Denn letztlich lebt eine Generationenkirche in Beziehung zwischen Gott, jedem Individuum und den Mitmenschen.

Gegenseitige Wertschätzung baut Brücken zwischen den Generationen. Mein Vater schätzt an den jüngeren Generationen, dass sie offen für Neues sind und die Welt positiv verändern wollen, etwa eine nachhaltige Umwelt sichern. Ich als 27-Jähriger hingegen schätze an den Babyboomern, dass sie, wenn sie Dinge anpacken, sie auch zu Ende bringen. Sie geben nicht schnell auf. Meine Generation hat ihnen viel zu verdanken.

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