Meinung

Als Frau katholisch sein – und es bleiben

Der Synodale Weg hat versucht, Frauen in der katholischen Kirche Wege zu ebnen. Das ist nicht gelungen. In dem Buch „Wir bleiben!“ schildern Katholikinnen, was sie ihrer Kirche stört und warum sie ihr dennoch nicht den Rücken kehren.
Von Norbert Schäfer
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Mit der Synodalversammlung in Frankfurt am Main endete in dieser Woche vorerst der Synodale Weg, der Ende 2019 begonnen wurde. Hervorgegangen ist der innerkirchliche Reformprozess deutscher Katholiken aus den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche. Bei den angestrebten Reformen stehen daher Themen wie die katholische Sexualmoral – etwa die Segnung Homosexueller –, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen, die Aufhebung des Pflichtzölibates für Priester und der Umgang mit struktureller Macht im Mittelpunkt der Bemühungen.

Dass der katholischen Kirche keine Vorreiterrolle beim Thema Veränderung zukommt, ist wahrscheinlich zu den meisten durchgesickert. In dem Buch „Wir bleiben“, herausgegeben von der Journalistin Elisabeth Zoll, geben 18 Katholikinnen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft Einblick in ihre Geschichte mit der katholischen Kirche.

Annette Schavan, Malu Dreyer, Gerlinde Kretschmann, Gesine Schwan, Nora Gomringer, Andrea Nahles und andere erklären in Interviews, Essays und persönlichen Berichten, was sie an der katholischen Kirche stört und was sich ändern muss, damit sie weiter bleiben.

Grütters: „Kirchenaustritt ist keine Alternative“

Die katholische Kirche „glaubt offenbar, auf Vielfalt, auf die Begabung von Frauen und auf den Erfolg gemischter Teams verzichten zu können“, schreibt Monika Grütters. Die CDU-Politikerin bezieht sich auf Galater 3,27-29. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“

Damit argumentiert Grütters für Veränderungen: Weil die katholische Kirche bei der Vergabe von Ämtern unterscheide zwischen Mann und Frau, sei sie im eigentlichen Sinn nicht mehr katholisch, im Wortsinn allumfassend. Das Evangelium verkünde die Gleichheit der Geschlechter. Daher sieht Grütters dringenden Handlungsbedarf, aber sie sagt auch: „Der Kirchenaustritt darf keine Alternative oder gar Form des Protests sein.“

Andrea Nahles, Leiterin der Agentur für Arbeit und ehemalige SPD-Chefin, hat wenig Hoffnung auf Reformen in der Kirche, „solange sich die Deutsche Bischofskonferenz wechselseitig blockiert“. Das Gremium sei trotzt einiger neuer Gesichter nicht handlungsfähig. „Meine große Sorge ist, dass man sich einzurichten beginnt im zahlenmäßig Kleinen – und kein Problem damit hat.“

Sant‘Egidio-Mitbegründerin: „Arme in der Kirche wenig beachtet“

Ursula Kalb, Mitgründerin von Sant’Egidio in Deutschland, einer geistlichen Gemeinschaft innerhalb der Kirche, die sich für Arme und für Ökumene einsetzt, lebt einen praktischen, handfesten Glauben, der sich am Dienst am Nächste zeigt. „Im Laufe der Jahre, in der Reflexion über das Evangelium und durch das Eintauchen in die verschiedenen Armutswelten, wurde mir […] sehr viel Neues, Lebenswertes, und Sinnstiftendes am Christentum deutlich“, schreibt die Theologin. Dass Frauen in der Kirche wenig Raum eingeräumt werde, könne damit zusammen hängen, dass die Armen in der Kirche wenig beachtet würden.

Kalb geht es nicht um einen Machtwechsel, sondern darum, dass die Kirche im Wortsinn von „katholisch“ wieder Kirche für alle wird. Dass die Kirche weiterhin in männlichen Strukturen verhaftet sei, entspreche schon lange nicht mehr den „gesellschaftlichen Errungenschaften des Miteinanders“. Kalb fordert ein „Bündnis“, das an die Stelle traditioneller männlicher Strukturen tritt und der „Wirklichkeit der Frauen und damit der Wirklichkeit des Lebens gerecht wird“.

Claudia Danzer spricht von einer „Kirche der Angst“, und davon, dass „der katholische Machtapparat, der auf Angst und Gehorsam basiert, immer mehr am Bröckeln“ sei. Für die Theologin bedeutet katholisch zu sein, Katholisch-Sein auf Zeit. Weil die Katholische Kirche Menschen aufgrund ihrer Sexualität diskriminiere.

Teil der Identität

Für die meisten Autorinnen ist Katholisch-Sein ein fester Bestandteil der eigenen Identität. Das ist der eigentliche Grund, weswegen sie in der Kirche geblieben sind. Und der Grund, warum sie ihr Katholisch-Sein so wenig ablegen können – und wollen – wie der Leopard seine Flecken. Am deutlichsten bringt das Ulrike Böhmer zu Ausdruck. Die Kirchenkabarettistin sagt von sich, dass sie in Kindertagen das Katholisch-Sein mit dem Weihrauch inhaliert hat.

Das Buch macht auf 180 Seiten aufmerksam auf die missliche Situation von Frauen in der katholischen Kirche und den mangelnden Willen zur Veränderung. So verdeutlicht es das Erstarren der Institution. Mal sehr persönlich, mal nüchtern und differenziert geben die Texte Einblicke in das Glaubensleben von Menschen und ihrem Unmut über die Kirche, in der sie eigentlich gleichberechtigt ihren Glauben leben und zum Ausdruck bringen wollen.

Dass dabei die Gründe, aus denen die Autorinnen weiter an ihrer Kirche festhalten und ihr treu bleiben, in den Hintergrund treten, stört kaum, wird aber dem Titel nicht wirklich gerecht. Besonders eindrücklich und zum Nachdenken anregend sind die eingestreuten, feinen Gedichte der schweizerisch-deutschen Lyrikerin Nora-Eugenie Gomringer.

Schade, dass die Autorinnen nicht deutlicher theologisch argumentieren. Der Erkenntnisgewinn ist überschaubar. Insgesamt ist das Buch wegen der übersichtlichen Texte kurzweilig, interessant, auch flüssig geschrieben und daher lesenswert.

Elisabeth Zoll (Hrsg.): „Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen“, Hirzel S. Verlag, 183 Seiten, 22 Euro, ISBN 9783777631981

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