pro: Warum sind Sie als Evangelikaler bei der katholischen Familiensynode dabei?
Thomas Schirrmacher: Die im Vatikan tagende Synode lädt jedes Mal sogenannte „brüderliche Delegierte“ aus anderen Konfessionen ein, darunter auch von der Weltweiten Evangelischen Allianz. Sie haben Rederecht wie alle anderen auch und nehmen an allen Beratungen teil. Sie haben nur kein Stimmrecht. Also bin ich als Ethiker mitten drin in der Diskussion rund um alle Fragen von Ehe und Sexualethik. Daneben aber ist es eine einmalige Gelegenheit, sehr viele katholische Würdenträger persönlich kennenzulernen und ihnen auch ein Bild der Evangelikalen aus erster Hand zu vermitteln.Welche inhaltlichen Positionen wollen Sie einbringen?
Wir leben in einer sexualisierten Welt, in der sich Evangelikale wie Katholiken häufiger scheiden lassen. Weil beispielsweise die Lebenserwartung steigt, dauern die Ehen potenziell immer länger. Die sexuelle Reife setzt früher ein, der Berufsabschluss, um eine Familie ernähren zu können, erfolgt immer später – da liegen schnell zehn Jahre dazwischen, in der die Sexualität voll entfaltet, aber eine auf Nachwuchs angelegte Ehe noch nicht sinnvoll ist. Wir müssen die Heilige Schrift in ihren Ordnungen ernst nehmen – etwa die Worte Jesu zur Scheidung – und uns zugleich an ihr durchgängiges Liebesgebot halten.Was erwarten Sie von der Synode?
Ich erwarte viele Freundschaften und belastbare Beziehungen, die in den fast drei Wochen entstehen. Dies zahlt sich später oft in konkreten Situationen aus, etwa wenn es um Christenverfolgung geht. Thematisch befürchte ich, dass die Lager in Fragen der Scheidung und gleichgeschlechtlichen Ehe unüberwindlich sind, auch wenn jetzt offen diskutiert wird. Spannend wird, ob und wie der Papst selbst Stellung bezieht.Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Moritz Breckner. (pro)