Wohl kaum ein Musiker des vergangenen Jahrhunderts hat so viele andere Musiker inspiriert. Seine Musik war oft stilgebend, seine Texte haben eine Tiefe und Vielseitigkeit, die nur wenige erreichen. Der meistens in Schwarz gekleidete Sänger mit Gitarre und Mundharmonika ist eine lebende Legende.
Bob Dylan, oder „His Dylaness“, wie Fans ihn wegen seiner Unnahbarkeit nennen, wurde am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth, Minnesota, geboren. Es ist schwierig, das vielfältige Leben und die vielen Facetten des Künstlers, der auch viel malte, zusammenzufassen. Mehrere Filmemacher haben versucht, den „Columbia recording artist Bob Dylan“ zu fassen. Allen voran seien „I’m Not There“ (2007) zu nennen, für den Regisseur Todd Haynes gleich sechs unterschiedliche Schauspieler engagierte, um die unterschiedlichen Lebensphasen Dylans darzustellen, sowie „No direction home“ (2005) des großen Martin Scorsese. Zuletzt setzten die Coen-Brüder dem Künstler mit ihrem Spielfilm „Inside Llewyn Davis“ ein Denkmal. Auch Dylan selbst versuchte sich 1973 als Filmschauspieler mit einer kleinen Rolle im Western „Pat Garrett & Billy the Kid“.
„Dylanologen“ analysieren das Werk des Meisters
Hartgesottene Fans, so genannte „Dylanologen“, auf der ganzen Welt behaupten von sich, sich im Dickicht der Lyrik des großen Meisters orientieren zu können. Seit vielen Jahren werden die Livekonzerte der „Never ending tour“ mitgeschnitten, getauscht und diskutiert. Dylan spricht, mit Ausnahme der Vorstellung der Bandmitglieder, kaum auf seinen Konzerten, jedes zusätzliche Wort löst kleine Zuckungen in der Fangemeinde aus. Bob Dylan gibt über 100 Konzerte pro Jahr, doch es wird weniger. Dylan selbst trug – gewollt oder ungewollt – stets selbst am meisten dazu bei, dass seine Person eine Aura des Unnahbaren umwehte. Jahrzehntelang gab er keine Interviews, auf seinen Konzerten ist es schon ein Glück, wenn der Musiker überhaupt ins Publikum schaut.
Dylans Eltern waren Nachfahren deutsch-ukrainisch-jüdischer Immigranten, die 1905 aus Odessa in die USA übergesiedelt waren. Robert Zimmermann benannte sich nach dem Dichter Dylan Thomas, ging 1961 nach New York und eroberte von dort die (Musik-)Welt. Als Dylan Mitte der 1960er Jahre von seiner akustischen zur elektrischen Gitarre wechselte, kam dies einem Erdbeben in der Folk-Welt gleich. Er war mit der Sängerin Joan Baez auf Tour, mit der er dann auch eine Liebesbeziehung hatte. Lieder wie „The Times They Are a-Changin’“ und „Blowin’ in the Wind“ gehören noch heute zu einem ordentlichen Lagerfeuer, in dessen Nähe sich ein Gitarrist befindet.
Dylan war mehrmals verheiratet, schon im Alter von 24 Jahren wurde er Familienvater. Seit dieser Zeit schirmte er sein Privatleben immer mehr von der Öffentlichkeit ab. Nach einem Motorradunfall 1966 zog er sich für zwei Jahre völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Im Jahr 1969 wurde sein Sohn Jakob geboren, der mittlerweile selbst als Musiker arbeitet. Dylan hat außer ihm drei weitere Kinder: Anna, Jesse und Samuel.
Ein auf die Bühne geworfenes Kreuz änderte alles
Bei einem Konzert in Montreal im November 1978 hatte ihm jemand ein silbernes Kreuz auf die Bühne geworfen. Das Interesse am christlichen Glauben wurde entfacht, und Dylan besuchte einige Monate eine Bibelschule in einer Vineyard-Gemeinde in Los Angeles, wo er den Glauben an Jesus Christus annahm. Der 2009 veröffentlichte Film „Bob Dylan – Inside Bob Dylan‘s Jesus Years“ skizziert diese Wandlung. Als der sonst so wortkarge Singer-Songwriter auf Konzerten plötzlich wie ein Wasserfall von der Bibel und der Erlösung durch Jesus Christus predigte und sang, gab es Tumulte und wütende Proteste unter den Fans. Nach seiner Bekehrung wurden Dylan seine jüdischen Wurzeln auf einmal wichtig, später besuchte der Sänger Israel und kontaktierte die Gruppe „Jews for Jesus“.
Auf drei Alben verarbeitete Dylan seinen neuen Glauben, „Slow Train Coming“, „Saved“ und „Shot of Love“, auf denen er in seinen Liedern beispielsweise bekannte: „Ich war blind durch den Teufel, doch durch Gottes Gnade wurde ich berührt und geheilt. Ich wurde errettet durch das Blut des Lammes“ oder „Es könnte der Teufel sein, oder der Herr, aber du musst irgendjemandem dienen“.
Es folgten künstlerische Phasen mit weniger christlichem Unterbau, immer wieder neue Musikstile und viele Aufs und Abs, künstlerisch wie auch persönlich. Dylan veröffentlichte unter dem Titel „Drawn Blank“ einen Bildband mit eigenen Zeichnungen, 2004 eine Autobiografie.
Vor kurzem starben sehr kurz hintereinander einige Größen der Musikwelt aus der Generation Bob Dylan, darunter „Motörhead“-Sänger Lemmy Kilmister (Dezember), David Bowie (Januar) und im April der Sänger Prince. Sie hatten alle ungefähr das selbe Alter wie Bob Dylan. Jemand twitterte: „We still got Dylan.“
Dieser Artikel ist erstmals am 24. Mai 2016 bei pro erschienen. Zum Anlass des 40. Jahrestags der Albumveröffentlichung von „Slow Train Coming“ am 20. August publizieren wir diesen Artikel erneut.
Von: Jörn Schumacher