Aline Schreiber: Ich bin getauft auf deinen Namen

Als Kind der DDR hat Aline Schreiber mit dem Glauben kaum Berührungspunkte. Erst ein Pfarrer bringt sie in einer schwierigen Lebensphase der Katholischen Kirche näher. Mit 34 Jahren trifft sie eine ungewöhnliche Entscheidung – und lässt sich taufen.
Von Johannes Blöcher-Weil

Den beiden großen Kirche in Deutschland laufen die Mitglieder davon. Aline Schreiber ist das Gegenmodell. Die junge Frau hatte lange gar nichts mit dem Glauben am Hut, bis ihr ein katholischer Pfarrer die entscheidenden Fragen zum christlichen Glauben beantwortet hat. Mit 34 Jahren lässt sie sich taufen und wirbt öffentlich für den Glauben und die Kirche.

Schreiber wächst mit ihren Eltern in der DDR auf. 1990 zieht die Familie nach Hannover. „Es war nicht boshaft, dass sie mir nichts vom christlichen Glauben erzählt haben. Er spielte in ihrem Leben einfach keine Rolle.“ Schreiber besucht zwar den Religionsunterricht, aber die dortigen Themen sind für ihr Leben nicht relevant: „Ich brauchte erst diesen persönlichen Bezug.“

Eine viel wichtigere Rolle spielt für sie die enge Bindung zu ihrem Vater: „Er war mein Richtungsgeber und Rettungsanker. Aber auch ein guter Freund, der mir Ratschläge gegeben und mich ermahnt hat.“ Als Aline elf Jahre alt ist, zerbricht die heile Familienwelt. Nach der Trennung der Eltern bleibt Aline bei ihrem Vater. Der Kontakt zur Mutter ist vorhanden, aber überschaubar.

Den Vater beim Sterben begleitet

Gerade in der Zeit, als sie ihrem Vater von ihrer ersten Liebe erzählen möchte, macht er ihr eine traurige Mitteilung. Der damals 45-Jährige hat Krebs: „Das war ein riesiger Schock. Er hatte gehofft, dass die Krankheit nicht so schlimm ist. Vermutlich hat er mir deswegen die ersten Behandlungen verschwiegen“, erinnert sich Schreiber. Beide schweißt das Ganze noch einmal zusammen.

Aber die Krankheit ist unheilbar. Schreiber begleitet ihren Vater beim Sterben im Hospiz: „Er war bis zum Schluss in vielen Fragen mein Ansprechpartner.“ Ein guter Freund unterstützt sie bei den Besuchen im Hospiz. Auch viele ihrer Kommilitonen im Studium wissen um ihre persönliche Situation und unterstützen sie nach Kräften, damit sie – wo immer möglich – für ihren Vater da sein kann.

Später habe dieser Freund ihr einmal gesagt, wie sehr ihn diese Zeit selbst geprägt und gestärkt habe. Schreiber ist froh, dass sich ihre Eltern am Sterbebett des Vaters versöhnen. Sie selbst verarbeitet den Verlust, indem sie sich nach dem Ende ihres Studiums in die Arbeit stürzt. Sie macht ihr Spaß und gibt ihrem Leben einen Sinn: „Sonst hätte ich das Pensum von mindestens zwölf Stunden pro Tag nicht lange durchgehalten.“

Die körperliche Belastungsgrenze ist erreicht

In ihrer Firma übernimmt sie schnell Leitungspositionen: „Ich wurde zu diesem Arbeitspensum von keinem Vorgesetzten gezwungen.“ Aber irgendwann macht der Körper nicht mehr mit: „Ich habe funktioniert. Die Arbeit gab mir Halt und war Zuflucht. Den Sinn, den Jesus meinem Leben heute gibt, hatte ich noch nicht.“

Sie geht über ihre Belastungsgrenzen. Erst in der Klinik erfährt sie die Diagnose Burn-out. In dieser Lebensphase begegnet sie einem katholischer Pfarrer, den sie gerne als „coole Socke“ bezeichnet. Er nimmt sich jeden Mittwoch um 17 Uhr für sie Zeit, um mit ihr über den christlichen Glauben zu reden und ihre Fragen zu beantworten: „Er hat mir die biblische Botschaft begreifbar gemacht.“

Schreiber löchert ihn mit Fragen und erhält für sich plausible Antworten: „Natürlich habe ich noch nicht alles durchdrungen. Aber ich habe verstanden, dass Gott mich so annimmt, wie ich bin.“ Nach etlichen Gesprächen kommt beiden zeitgleich derselbe Gedanke, ob sie ihre Erkenntnis nicht mit der Taufe besiegeln möchte. Aline Schreiber wagt den ungewöhnlichen Schritt – mit 34 Jahren.

Taufe war der Neuanfang

„Manche Menschen geben viel Geld für Yoga und andere spirituelle Angebote aus. Dabei liefert die Kirche Sinn stiftende Angebote frei Haus“, erzählt Schreiber. Die Taufe war für sie nicht nur ein Ritual, sondern ein bewusster Neuanfang, an dem sie „Ja“ zu Gott gesagt habe: „Ich habe mich erlöst gefühlt. Mit meiner Bekehrung habe ich einen neuen Vater bekommen.“

Schreiber findet es schade, dass Taufen im Gegensatz zu Hochzeiten eher unter ferner liefen gefeiert werden. Sie selbst wollte nach ihrer Taufe möglichst schnell selbst ehrenamtlich aktiv werden. Schreiber vergleicht das mit der Botschaft von Himmelfahrt, ihrem Lieblingsfeiertag im Kirchenjahr: „Jesus erklärt den Jüngern seine Botschaft und sie sollen diese dann weitergeben.“ Das wollte sie auch tun.

„In meiner Gemeinde bin ich Teil eines großen Ganzen. Ich habe tolle Menschen kennengelernt und es haben sich viele Türen geöffnet“, sagt Schreiber. In der Gemeinde erlebe sie Gemeinschaft, erfahre Trost und könne sich bei anderen Christen Rat holen. Sie vermisst allerdings, dass Neulinge im Gottesdienst die Chance haben, konkret Fragen zu stellen. Viele Gemeinden seien in der Ansprache von neuen Besuchern zu zögerlich und würden darauf hoffen, dass diese wiederkämen.

Vorbild Samuel

Eine der ersten biblischen Geschichten, mit denen sie sich intensiver befasst hat, ist zu ihrer Lieblingsgeschichte geworden. Es ist die Berufung des Samuel: „Samuel wurde dreimal von Gott gerufen, aber er wusste es nicht. Ich frage mich, bei wie vielen anderen Menschen das auch so ist, die noch wachgerüttelt werden müssen.“

Nach ihrer eigenen Taufe hat sich Schreiber mit vielen Menschen getroffen, die diesen Schritt ebenfalls gewagt haben. „Eine Frau war 68 Jahre alt bei ihrer Taufe. Das hat mir gezeigt, dass es für die Taufe nie zu spät ist.“ Ihre eigene Geschichte hat sie genau deshalb aufgeschrieben, damit solche Geschichten Werbung für den christlichen Glauben machen: „Gott hat mir den Weg geöffnet und die Kontakte hergestellt, damit ich das Buch schreiben kann.“

Schreiber hat sogar einen Online-Club gegründet, in dem sie sich mit Gleichgesinnten aufgetaucht und ihnen die Bibel alltagstauglich näher gebracht hat. Aufgrund der Arbeit für ihr Buch liegt dieses Projekt aber gerade auf Eis. Von einigen Seiten musste sie auch Kritik einstecken, dass ihrem Buch der religiöse Tiefgang fehle. Aber das war nicht Schreibers Anspruch, denn theologische Abhandlungen gebe es genügend.

Brauchen positive Beispiele

Mit ihrem Buch wirbt Schreiber für Kirche, Glauben und Taufe. Sie persönlich favorisiert die Erwachsenen-Taufe: „Die eigene Entscheidung ist immer das Beste.“ Schreiber findet es wichtig, dass getaufte Menschen im Glauben begleitet werden. Kürzlich ist sie selbst Taufpatin bei einer Erwachsenen geworden, um genau das zu leben.

Sie hat noch lange nicht auf alle ihre Fragen eine Antwort. Vor allem das Thema Versöhnung liegt ihr am Herzen. Kann Versöhnung wirklich immer stattfinden? Trifft man wirklich im Himmel alle wieder, um die man trauert? Das sind Fragen, die sie gerade beschäftigen. Schreiber hat den richtigen Ansprechpartner für ihre Fragen gefunden.

Sie hofft, dass auch möglichst viele andere Menschen offensiv von ihren Glaubenserlebnissen berichten und sich dadurch gegenseitig stützen – oder andere zum Glauben einladen. Das sei keine originäre Aufgabe des Pfarrers, sondern hier könne sich jedes einzelne Gemeindemitglied einbringen: „Wir brauchen diese positiven Beispiele. Wenn wir uns gegenseitig als Christen kritisieren, machen wir uns Gestaltungsspielräume kaputt.“ Aline Schreiber hat mit ihrer Bekehrung einen neuen Richtungsgeber und Wegweiser für ihr Leben gefunden: Jesus. 

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