Alan Posener: Christlicher Antisemitismus in der Kirche

In einer von der evangelischen Kirche finanzierten Schriftenreihe ist ein Text des Theologen Ulrich Duchrow erschienen, der Israel als noch schlimmeren Unrechtsstaat als Südafrika bezeichnet. Der Journalist Alan Posener sieht in dem Text eine ähnliche Argumentation wie bei der Terror-Organisation Hamas.
Von Jörn Schumacher
Alan Posener von der Tageszeitung Die Welt kritisiert einen Text des evangelischen Theologen Ulrich Duchrow, laut dem Israels Juden kein Recht auf ihre Heimat haben

Unter der Überschrift „Mit der Bibel gegen Israel“ protestiert Posener in der Tageszeitung Die Welt gegen einen Text des Theologen Ulrich Duchrow, der früher Professor für systematische Theologie an der Universität Heidelberg war. Duchrow hatte bereits vor zwei Jahren seinen Text „Unterdrückung: über Ausbeutung hinaus“ veröffentlicht, und zwar in einer vom Diakonischen Werk Hessen und Nassau herausgegebenen Festschrift für seinen scheidenden Vorsitzenden Wolfgang Gern. Mitautoren der Festschrift waren damals unter anderem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, seine Amtsvorgänger Margot Käßmann und Wolfgang Huber, sowie Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland. Posener kritisiert, der Text sei ein lupenreines Beispiel für „israelbezogenen Antisemitismus“.

Schon damals habe es keiner der Kirchenvertreter für notwendig befunden, „sich auch nur kritisch zu äußern zu diesem skandalösen Text, geschweige denn, sich von ihm zu distanzieren“, schreibt Posener. Kürzlich erschien der Text erneut im siebten Band der Schriftenreihe „Die Reformation radikalisieren“. Sie wird von Duchrow und dem Theologieprofessor Hans G. Ulrich, von der EKD, diversen Landeskirchen, „Brot für die Welt“ und dem ÖRK finanziert.

Duchrow ist Mitbegründer des kirchlichen Netzwerks „Kairos Europa“, das in den deutschen Kirchen zahlreiche Sympathisanten und Kooperationspartner hat, Konferenzen organisiert, bei Kirchentagen auftritt und auch mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) zusammenarbeitet.

„Israel ist ein Unrechtsstaat“

„Ausgerechnet mit Stellen aus der Hebräischen Bibel, dem Alten Testament“ spreche hier ein Theologe dem jüdischen Staat das Existenzrecht ab, und er werde dabei von der Evangelischen Kirche sogar noch finanziert, protestiert Posener. Angesichts dieses „christlichen Antisemitismus“ stellt der Journalist fest: „Im Hass auf den jüdischen Staat kommen sich manche Muslime und manche Christen durchaus nahe.“

Gott habe den Juden in der Bibel aufgetragen, „gerecht“ zu sein. Das bedeute nach Duchrow, „Imperien zu zerschlagen und Gerechtigkeit überall zu verwirklichen“. Israel aber folge „der tiefsten Logik der Moderne“ und sei als „Teil des westlichen Imperiums“ sogar ein „Extremfall“. „Wenn aber das Volk notorisch den Bund der Gerechtigkeit bricht, dann verliert es das Land.“ So hätten es die jüdischen Propheten ja selbst verkündet.

Posener fasst die Argumentation Duchrows so zusammen: „Die Juden haben den Bund mit Gott gebrochen, Israel ist ein Unrechtsstaat, und Israels Juden haben kein Recht auf ihre Heimat“, und fügt hinzu: „Die Hamas könnte es nicht besser sagen.“ Posener fährt fort: „Ausgerechnet ein Deutscher, der 1935 geboren wurde und damit im Dritten Reich aufgewachsen ist, wirft den Juden vor, sie hätten das Recht auf das Land verwirkt, in das sie wegen des mörderischen europäischen Antisemitismus flüchteten.“

„Das Land von den Palästinensern reinigen…“

Duchrow stelle die Behauptung auf, die „ursprüngliche zionistische Logik“ laute, „das Land von den Palästinensern zu reinigen – durch Zwangsumsiedlungen, Krieg und Mord“. Damit sei Israel viel schlimmer als der Apartheidstaat Südafrika, denn der sei nur „ausbeuterisch und unterdrückerisch“ gewesen. Israel aber wolle „die Menschen minderen Rechts komplett loswerden und die Übrigbleibenden gettoisieren wie in Gaza“. Israel sei „das Extrem der westlichen, kolonialistischen, kapitalistischen, imperialen, wissenschaftlich-technischen, gewalttätigen Eroberungskultur der letzten 500 Jahre“. Dabei weist Posener insbesondere auf die Wortwahl „reinigen“ hin, „in Anlehnung an den Nazi-Begriff ‚judenrein‘“. Dies solle auch „Begriffsstutzigen“ klarmachen: die Israelis seien die Nazis von heute.

Duchrow zeige in seinem Beitrag die „3 D“: Dämonisierung und Delegitimierung Israels sowie eine Doppelmoral, die an den jüdischen Staat schärfere Maßstäbe anlegt als an andere Länder. Diese drei D seien bekannte Kriterien für „israelbezogenen Antisemitismus“, so Posener. Duchrows Beitrag „Unterdrückung: über Ausbeutung hinaus“ sei ein zutreffendes Beispiel dafür.

Auf Nachfrage des Welt-Journalisten an Bedford-Strohm teilte ein Sprecher der EKD mit: „Von dem Text von Herrn Duchrow distanziert sich die EKD inhaltlich ausdrücklich.“ Für den Rat der EKD sei „Antisemitismus Gotteslästerung“.

Von: Jörn Schumacher

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