Ärztetag streicht berufsrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe

Der Deutsche Ärztetag hat die Regelung zur Hilfe zur Selbsttötung in seiner Muster-Berufsordnung gestrichen. Damit können Ärzte frei und allein auf Basis ihres Gewissens entscheiden, ob sie Suizidwillige beim Sterben unterstützen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Tote Hand

Der Deutsche Ärztetag hat in seiner digitalen Zusammenkunft vorige Woche die Musterberufsordnung geändert. In ihr war die ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung bisher verboten. Mit dem Beschluss des Ärztetages wurde der Satz „Der Arzt darf keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ aus der Verordnung gestrichen. Die Entscheidung trifft auf ein gespaltenes Echo.

Die Dele­gier­ten haben damit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprochen. Das Gericht hatte im vergangenen Jahr den Paragrafen 217 des Straf­ge­setzbuches für nichtig erklärt, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Gleichzeitig kritisierte es, dass die Musterberufsordnungen der meisten Landesärzte­kam­mern ärztliche Suizidhilfe untersagen.

Der Präsident der Bundes­ärzte­kammer, Klaus Reinhardt, stellte gegenüber dem Ärzteblatt jedoch gleichzeitig klar, dass die Ärzteschaft nicht bereit sei, Suizidbeihilfe zu einer normalen ärztlichen Dienstleistung zu machen. Es gebe nur wenige Fälle, in denen sterbenskranken Menschen nicht durch palliativmedizinische Maßnahmen ge­holfen werden könne.

„Nicht Aufgabe der Ärzte, beim Töten zu helfen“

„Mit der Änderung der Musterberufsordnung schaffen wir Rechtssicherheit und eine konsistente Ausgestal­tung des ärztlichen Berufsrechts“, betonte Josef Mischo. Der Vorsitzende der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer betonte zugleich, dass niemand verpflichtet wer­den könne, Suizidhilfe zu leisten. Paragraf 1 regele, dass Ärzte Leben erhalten und die Gesundheit schützen und wiederherzustellen sollen.

Deutlich kritischer sah den Beschluss Lydia Berendes von der Ärztekammer Nordrhein. Sie warnte davor, dass „hier eine Grenze verschoben wird“. Der Ärztevertreter und CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke meinte, das Verbot der Suizidassistenz könne in der Berufsordnung stehen bleiben, ohne damit nicht rechtskonform zu sein.

Aus Sicht des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV) ist der Beschluss des Ärztetags das richtige Zeichen. In deren Pressemitteilung heißt es: „Der DEKV begrüßt die Beschlüsse des Ärztetags zum assistierten Suizid, die mit der Streichung des Verbotes der Suizidbeihilfe aus der Berufsordnung zugleich beschließen, dass die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe sei. Damit wird in begründeten Einzelfällen bei terminal Erkrankten eine Ausnahme ermöglicht.“

Kann kein Regelangebot evangelischer Krankenhäuser sein

Für den DEKV-Vorsitzende Christoph Radbruch entspreche die Haltung des Ärztetages dem Beschluss des Vorstandes des DEKV, dass der assistierte Suizid kein Regelangebot der evangelischen Krankenhäuser sein kann. Die moderne Palliativmedizin biete vielfältige Möglichkeiten als Alternative zum Suizid: „Dabei schließen die palliativmedizinischen Möglichkeiten auch Therapiebegrenzungen bis hin zur palliativen Sedierung sowie einen Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen ein“, sagt Radbruch. Er betont: „In den wenigen Fällen, in denen es trotz qualitativ hochwertiger Palliativmedizin dazu kommt, dass Menschen mit schweren Erkrankungen kurz vor dem Tod um Hilfe beim Suizid bitten, kommen die handelnden Personen in eine Dilemmasituation. Diese wenigen begründeten Ausnahmefälle entziehen sich als Grenzfall des menschlichen Lebens der moralischen Beurteilung.“

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) kritisierte den Beschluss. Dessen Präsident Thomas Sternberg konnte einerseits den Wunsch der Ärzte nach Rechtssicherheit nachvollziehen, er warnte aber auch vor den negativen Folgen, die das Urteil habe. Zugleich begrüßte Sternberg „den ausdrücklichen Hinweis des Ärztetages, dass es primäres Ziel der Ärzte sei, Leben zu erhalten und Gesundheit wiederherzustellen“. Entscheidend sei, dass das Ärzteparlament einen Ausbau der Suizidprävention verlange.

Nicht mit christlichen Wertvorstellungen vereinbar

Caritas-Präsident Peter Neher erklärte, es sei leider damit zu rechnen gewesen, dass der Ärztetag, noch bevor es das entsprechende Gesetz gibt, die Assistenz zum Suizid so konkret in Betracht ziehe. Aus Sicht des Präsidenten sei der freie Willen des Einzelnen anzuerkennen und zu respektieren. Für Mitarbeiter der Caritas, sei jedoch die Assistenz zum Suizid nicht mit den Wertvorstellungen einer christlichen Einrichtung zu vereinbaren.

Ein weiterer Antrag der Delegierten soll dazu dienen, dass die Politik die Suizidprävention in Deutschland stärker ausbaut und verstetigt. Für viele Menschen sei Suizidprävention notwendig, nicht Suizid­assistenz. Aber auch für Suizidwillige müssten Ärzte als Ansprechpartner fungieren.

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3 Antworten

  1. Der „freie“ Wille…

    Wenn die „Deutsche Depressions Hilfe“ feststellt, dass die Mehrheit der Menschen, die durch Suizid versterben, an einer psychiatrischen Erkrankung (90 %), am häufigsten an einer Depression (> 50 %), gelitten haben und daneben Schizophrenie und Suchterkrankungen ebenfalls mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden sind, dann ist „Beihilfe zum Suizid“ wohl kaum zu rechtfertigen.
    Es werden durch diese „Beihilfe“ Menschen im Stich gelassen.

    Der „hippokratische Eid“ geht zurück auf Hippokrates, ca. 400 v. Chr. Mit diesem Eid verpflichtet sich der Arzt unter anderem dazu:
    „Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten.“
    Wenn jetzt die Ärzteschaft meint, das Verbot der Suizidbeihilfe aufheben zu sollen, dann bricht sie mit einem jahrtausendealten Selbstverständnis des Arztes als Helfer zum Leben, – nicht als Beihelfer zum Tod.

    Hier zeigt sich deutlich, dass eine Gesellschaft, die ihre christlichen Wurzeln verliert, auch ihre Mitmenschlichkeit verliert.

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    1. @Christian Bütker

      Psychische Krankheit bedeutet keineswegs zwangsläufig (dauerhafte) Urteilsunfähigkeit. Mit derlei pauschalen Unterstellungen sollte man diese Menschen nicht stigmatisieren, das gilt natürlich besonders für die „Experten“. Da ein Patientensuizid Psychiater stark belasten kann, besteht ein Eigeninteresse an Suizidprävention. Insoweit sind Psychiater befangen.

      „Es werden durch diese “Beihilfe” Menschen im Stich gelassen.“

      Ihnen scheint nicht bekannt zu sein, an welche Bedingungen das Recht auf (assistierten) Suizid geknüpft ist. Nachzulesen im Urteil des BVerfG.

      „Der “hippokratische Eid” geht zurück auf Hippokrates, ca. 400 v. Chr.“

      Der Hippokratische Eid ist heute nicht mehr relevant, sondern das Genfer Gelöbnis. Von den Göttern, die im Hippokratischen Eid erwähnt sind, wollen wir garnicht reden.

      „Hier zeigt sich deutlich, dass eine Gesellschaft, die ihre christlichen Wurzeln verliert, auch ihre Mitmenschlichkeit verliert.“

      Für mich ist mitmenschlich, einem Schwerstleidenden, der mit seinem Leben abgeschlossen hat, durch Suizidassistenz zu ersparen, dass er von einem Hochhaus springt oder sich von einem Schienenfahrzeug überfahren lässt.

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  2. Du sollst nicht töten. Das war bis vor einiger Zeit auch in Deutschland so. Die zuhnemende Gottlosigkeit wird noch ganz andere blüten treiben wenn wir nicht umkehren. Selbst Christen werden durch ihre eigene Kirche verwirrt. Gott hat einen Plan für das Leben niemals darf ein Mensch Richter über Leben und tot werden. Auch nicht von kleinen Babys die noch nicht da sind. Das ganze ist grausam grausam grausam. Wer wird die Grenzen zukünftig definieren? Wer entscheidet bei abgegebener Vormundschaft? Die Probleme und das Unheil werden immer Größer.

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