Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen gefunden

Die Geschichte des Christentums nördlich der Alpen muss nach einem archäologischen Fund neu geschrieben werden: Noch zur Zeit der Christenverfolgungen Mitte des 3. Jahrhunderts trug ein Frankfurter ein christliches Silberamulett um den Hals.
Grabfund Aussicht

Die Stadt Frankfurt am Main hat am Mittwoch den Grabfund eines Silberamuletts mit einer christlichen Glaubensinschrift aus der Mitte des 3. Jahrhunderts vorgestellt. Die in der Silberkapsel enthaltende Silberfolie präsentiere den ältesten authentischen christlichen Text nördlich der Alpen, sagte der Frankfurter Archäologe Markus Scholz. Die ältesten dort bisher bekannten christlichen Glaubenszeugnisse seien mindestens 50 Jahre jünger. Sichere Nachweise für christliches Leben nördlich der Alpen stammten bisher erst aus dem vierten Jahrhundert, so die Nennung von Trierer Bischöfen von 313 und 314.

Die auf der Silberfolie eingravierte biblische Anrufung „heilig, heilig, heilig“ sei bisher sogar erst auf 200 Jahre jüngeren Amuletten bezeugt gewesen, fügte Scholz an. „Die Frankfurter Silberinschrift ist ein Sensationsfund“, sagte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD). Durch den Fund in einem zwischen 230 und 270 nach Christus datierten Grab müsse man die Geschichte des Christentums in Frankfurt und weit darüber hinaus um 50 bis 100 Jahre zurückdrehen. „Der älteste Christ nördlich der Alpen war ein Frankfurter“, kommentierte der Frankfurter Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD).

Inschrift der Silberfolie verehrt Jesus Christus

Die 35 Millimeter lange und neun Millimeter hohe Silberkapsel war 2018 in einem Grab in der römischen Vorgängerstadt von Frankfurt, Nida, im heutigen Stadtteil Frankfurt-Praunheim gefunden worden. Die Kapsel lag unter dem Kinn eines Skeletts. Der 35 bis 45 Jahre alte Mann hatte es nach den Worten von Scholz wohl wie ein Schutzamulett an einem Band um den Hals getragen. In der Kapsel befand sich eine 91 Millimeter lange Silberfolie, die gerollt, gefaltet und geknickt war. Die Inschrift konnte erst in diesem Jahr nach einer computertomografischen Untersuchung im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz aufgrund des daraus erstellten 3-D-Modells entziffert werden.

Die Entzifferung der gekritzelten lateinischen Inschrift sei ein Puzzle gewesen, erläuterte der Archäologe Scholz. Den Erfolg habe die Zusammenarbeit von Archäologen, Historikern und Theologen erbracht. Die Inschrift beginnt mit den Worten: „Im Namen des Heiligen Titus. Heilig, heilig, heilig! Im Namen Jesu Christi, Gottes Sohn.“ Die Sätze verehren Jesus Christus als Herrn der Welt und zitieren einen Hymnus im biblischen Philipperbrief (2,10-11).

Einmalig aus dieser Zeit sei, dass der Text nur lateinisch und nicht griechisch sowie rein christlich und nicht polytheistisch geschrieben sei, erklärte Scholz. Rechts des Rheins gebe es nur ein weiteres Beispiel eines ähnlichen Schutzamuletts um den Hals, und zwar aus einem Kindergrab im südbadischen Badenweiler. In jener Inschrift würden aber mehrere Götter angerufen, neben dem christlich-jüdischen Gott etwa auch ein germanischer Quellgott. Einzelne Formulierungen, wie die Nennung des Heiligen Titus oder der Ruf des dreimaligen „heilig“ (Jes. 6,3 und Offb. 4,8) in der Liturgie, seien bisher erst aus dem 4. Jahrhundert bekannt gewesen.

Der „Sensationsfund“ wird nach Ankündigung der Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) ab dem 18. Dezember in der Dauerausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt zu sehen sein.

Der volle Text der Silberinschrift:

(Im Namen?) des Heiligen Titus.
Heilig, heilig, heilig!
Im Namen Jesus Christi, Gottes Sohn!
Der Herr der Welt
widersetzt sich nach [Kräften?]
allen Anfällen(?)/Rückschlägen(?).
Der Gott(?) gewährt dem Wohlbefinden
Eintritt.
Dieses Rettungsmittel(?) schütze
den Menschen, der sich
hingibt dem Willen
des Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn,
da sich ja vor Jesus Christus
alle Knie beugen: die Himmlischen,
die Irdischen und
die Unterirdischen, und jede Zunge
bekenne sich (zu Jesus Christus).

epd
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen