Abtreibung: MDR nimmt Kritik nach Programmbeschwerde an

Eine MDR-Journalistin hat im vorigen Jahr undercover bei der christlichen Lebensschutz-Organisation Kaleb recherchiert. Eine Programmbeschwerde der Christlichen Medieninitiative pro dazu hat der Sender nun abgelehnt – aber Kritik angenommen.
Von PRO
Karola Wille, MDR

Vor einem Jahr veröffentlichte der MDR einen Beitrag, der die Beratungspraxis der christlichen Organisation Kaleb in der Region Chemnitz bei Schwangerschaftskonflikten unter die Lupe nimmt. Dafür hatte die Reporterin verdeckt recherchiert und als vermeintlich hilfesuchende Schwangere ein Beratungsgespräch besucht. Die Christliche Medieninitiative pro, die auch PRO herausgibt, legte aus diesem Grund und wegen weiterer handwerklicher Mängel Programmbeschwerde ein.

Nun teilte der Sender mit, dass der Beitrag nicht gegen „Angebotsgrundsätze“ verstoßen habe. Das stellte der Programmausschuss bei einer Enthaltung einstimmig fest. Der betroffene Verein Kaleb hatte eine eigene Beschwerde eingereicht – auch die wurde abgelehnt.

Die Beschwerde der Christlichen Medieninitiative pro stand laut dem Antwortschreiben in zwei Sitzungen des Ausschusses auf der Agenda. Auch Programmdirektor Klaus Brinkbäumer, der Leiter der Redaktion Politische Magazine und Reportagen, Jörg Wildermuth, sowie der juristische Direktor Jens-Ole Schröder waren laut dem Schreiben anwesend, als die Kritikpunkte diskutiert wurden.

Dass die Reporterin verdeckt recherchiert hatte, erschien dem Rundfunkrat nachvollziehbar. Nur so habe sie ein authentisches Bild von den Beratungen bekommen können. Zudem bedauerte das Gremium, dass der Verein Kaleb Anfragen der Journalistin nicht „vollumfänglich beantwortete“ und es so versäumt habe, die eigene Position einzubringen.

Christoph Irion, Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiative pro, sagte dazu: „Für uns bleibt eine solche verdeckte Recherche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein grober Verstoß gegen elementare journalistische Spielregeln.“ So sei beispielsweise im Pressekodex niedergelegt, dass „unwahre Angaben“ wie etwa fiktive Identitäten von recherchierenden Journalisten „nicht vereinbar“ sind mit anerkannten medienethischen Standards. Nur wenn Informationen von „besonderem öffentlichem Interesse“ nicht anderweitig beschafft werden könnten, sei laut Pressekodex eine verdeckte Recherche „im Einzelfall gerechtfertigt“.

Handelte es sich bei dem genannten MDR-Beitrag um einen solchen Einzelfall? „Daran kann man erhebliche Zweifel haben“, sagt Irion. Der Beitrag hatte auch nach Darstellung des MDR quasi gar nichts zu enthüllen – denn der Verein Kaleb berichtet auf seiner Website transparent, ausführlich und öffentlich leicht zugänglich über seine Ziele und weitere Hintergründe, die in der MDR-Sendung kritisiert wurden. Das Mittel einer „Undercover“-Recherche scheint für den Beitrag somit eher aus dramaturgischen Erwägungen gewählt worden zu sein, schätzt Irion.

Die Juristische Direktion des MDR räumte in einem Schreiben gegenüber der Christlichen Medieninitiative pro ein, dass es der Autorin bei der verdeckten Recherche „keineswegs darum“ gegangen sei, „Informationen über KALEB ,aufzudecken‘“. In ihrer Reportage beschreibe sie vielmehr „Emotionen“, die das verdeckte „Beratungsgespräch bei ihr ausgelöst“ hätten. Die Autorin äußert in ihrem Film, sie glaube, eine Frau fühle sich nach dem Beratungsgespräch „total schlecht“, wenn sie die Entscheidung für eine Abtreibung treffe. Der Sender gibt zu, „dass es sich dabei um eine subjektive Wahrnehmung der Autorin handelt“. Ob die persönlichen Eindrücke der Autorin „Informationen von besonderem öffentlichen Interesse“ im Sinne der anerkannten Medien-Standards sind, stellt Irion infrage.

Der Rundfunkrat betonte zugleich, dass sich „die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungs­vielfalt sowie die Ausgewogenheit“ auf das ganze Angebot des MDR bezögen. Einzelne Beiträge, „die ein Thema aus subjektiver Sicht behandeln“ seien davon nicht ausgeschlossen.

Darüber hinaus machte der Rundfunkrat deutlich, dass bei „einem so sensiblen Thema wie der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen und politi­schen Richtungen in möglichster Breite und Vollständigkeit“ abgebildet werden sollte. Er regte an, den Schutz des ungeborenen Lebens „auch in anderer Form und mit anderer Herangehensweise“ im Programm des MDR zu thematisieren.

Lebenslauf wird nach Beschwerde ergänzt

Eine erste ausführliche Antwort auf die Programmbeschwerde im Auftrag der Intendantin Karola Wille hat die Christliche Medieninitiative pro bereits im März erhalten. Darin erklärte der juristische Direktor Jens-Ole Schröder, dass der Sender auf einen konkreten Kritikpunkt reagiert habe: Im Beitrag kommt eine Expertin zu Wort, die aus wissenschaftlicher Sicht die Beratungspraxis von Kaleb einordnet.

Es wird allerdings nicht erwähnt, dass sie sich im Verein „pro familia“ engagierte, der ebenfalls Beratungen bei Schwangerschaftskonflikten anbietet und den für einen Schwangerschaftsabbruch erforderlichen Schein ausstellt. Dieser Verein setzt sich jedoch für eine Legalisierung von Abtreibungen ein und positioniert sich somit anders als Kaleb.

Die Christliche Medieninitiative pro kritisierte, dass die Expertin somit nicht unabhängig war und dies im Beitrag nicht transparent gemacht wurde. Aufgrund der Programmbeschwerde habe die zuständige Redaktion daher bereits im Januar den begleitenden Online-Artikel sowie das YouTube-Angebot um den Lebenslauf der Expertin ergänzt, teilte Schröder mit. Der Online-Beitrag und damit auch die verlinkten weiterführenden Informationen von YouTube sind mittlerweile aber nicht mehr auf der Website des MDR zu finden.

„Die Prüfungsgremien des MDR haben sich intensiv und differenziert mit unserer Beschwerde befasst, und sie haben wichtige handwerkliche und inhaltliche Kritikpunkte konstruktiv aufgegriffen“, sagte pro-Geschäftsführer Irion: „Das erkennen wir an.“ Insgesamt bleibe es aber „problematisch“, dass seit Jahren in allen öffentlich-rechtlichen Sendern Programmbeschwerden nahezu immer formell abgelehnt werden: „Eine Ablehnungsquote von 99,1 Prozent gegenüber begründeter Kritik – das fördert nicht gerade das Vertrauen in die Sender. Aber genau das hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade jetzt dringend nötig.“

Eine PRO-Recherche ergab, dass in den vergangenen sechs Jahren von 377 Programmbeschwerden nur zweien stattgegeben wurde. Jedoch bestätigten mehrere Personen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber PRO, dass sachliche Kritik, die in einer solchen Beschwerde formuliert ist, in einem Sender ernst genommen wird. Die verantwortlichen Redakteure müssen sich dazu erklären, die Antwortschreiben sind ausführlich und erkennbar mit Aufwand verbunden.

Jörn Dulige, der für die evangelischen Kirchen in Hessen im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks sitzt, sagte dazu im PRO-Interview: „Die Antwortschreiben nehmen oft Punkte der Beschwerde inhaltlich auf und gehen so auf den Beschwerdeführer zu. Diese selbstkritischen Reflexionen haben nach meiner Wahrnehmung in den vergangenen Jahren eher zugenommen.“

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4 Antworten

  1. Die Berichterstattung des ÖRR war ganz offensichtlich auch hier wieder einseitig lebensfeindlich und ideologisch voreingenommen.
    Wie schlimm muss es eigentlich um unsere Gesellschaft bestellt sein, wenn es als „Fortschritt“ und „Freiheit“ betrachtet wird, ungeborene Kinder zu töten?

    Wieviel beim ÖRR darüber hinaus im Argen liegt, nämlich Korruption, Genderideologie und Verschwendung von Gebührengeldern, das wurde von „PRO“ hier analysiert:
    https://www.pro-medienmagazin.de/fromme-wuensche-an-ard-und-co/

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  2. PRO beschwert sich, dass nicht ausgewogen berichtet wird und Hintergründe und Motive von beteiligten Personen nicht offen gelegt werden? Ok. Vielleicht sollte das an der einen oder anderen Stelle auf die eigene Berichterstattung auch angewendet werden…

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  3. „eine Frau fühle sich nach dem Beratungsgespräch „total schlecht“, wenn sie die Entscheidung für eine Abtreibung treffe..“ Das soll sie auch, das ist der Situation angemessen… Sie soll es sich so schwer wie möglich machen. Immerhin geht es um die Tötung menschlichen Lebens.

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  4. …sie glaube, eine Frau fühle sich nach dem Beratungsgespräch „total schlecht“, wenn sie die Entscheidung für eine Abtreibung treffe…
    Wie kann sie das als Nichtschwangere wissen? Sie bildet sich das ein. Eine echte Frau in Hoffnung (alter, aber sehr schöner Ausdruck) ist eine werdende Mutter. Vielleicht wird ihr das in der Beratung klar und sie möchte das tief drinnen auch annehmen. Bei Pro Familia wird immer zur Abtreibung ge -und beraten, wie ich von mehreren Frauen weiß.
    Da erinnere ich mich an eine Arbeitsstelle, wo eine Arztin gynäkologisch tätig war, die 8 Kinder, erwachsene, hatte.
    Sie war keine Europäerin.

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