Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht eine Änderung des Urheberrechtes vor. Demnach soll Presseverlagen das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung eigener Erzeugnisse im Netz eingeräumt werden. Konkret geht es um die Frage, ob Internet-Suchmaschinen und andere automatische Nachrichtensammler Lizenzgebühren an Presseverlage bezahlen müssen, wenn sie Teile von deren Texten verwenden. Die geplanten Neuerungen richteten sich zunächst vor allem gegen den Megakonzern Google. Dieser zeigt bei Suchabfragen nämlich zum Beispiel journalistische Textausschnitte an. Für diese sogenannten Snippets soll Google zahlen. Am Dienstag wurde jedoch bekannt, dass die Koalition ihren Gesetzesentwurf nochmals überarbeitet und entschärft hat. Einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte sollen auch künftig lizenzfrei nutzbar sein.
Eine Kehrtwende sei dies nicht, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Günter Krings, am Donnerstag laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Suchmaschinen seien weiterhin Adressaten des Gesetzes. Unabhängige Rechtsexperten vertraten dagegen die Ansicht, dass Google nun für seine Snippets keine Lizenz von den Presseverlagen mehr erwerben müsse. „Es kommt auf die Länge der Anrisse an”, sagte Krings. Das müssten Verlage und Suchmaschinenanbieter untereinander aushandeln. Für ihn sei klar, dass Suchmaschinen „auch kurz beschreiben dürfen, was denn da gefunden worden ist – mit einigen wenigen Worten, aber eben nicht halbe Artikel”.
Opposition forderte Vertagung der Abstimmung
Die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte am Freitag im Deutschen Bundestag, dass der neueste Gesetzentwurf für deutsche Bürger nicht verständlich sei. Hinzu komme: „Die Urheber, die Journalisten, werden nicht geschützt.” Zypries fragte: „Wie will man heutzutage im World Wide Web überhaupt etwas im Internet finden?” Daher sehe sie in einer Bezahlpflicht für Suchmaschinenbetreiber einen Eingriff in Grundrechte der Bürger. Unklar sei auch, wie lang die „kleinsten” Textschnipsel, die laut Entwurf kostenfrei zugänglich sein sollen, überhaupt sein dürften. Günter Krings (CDU) plädierte erneut für das neue Leistungsschutzrecht: Auch im Netz müsse ein fairer Gesetzesrahmen gelten. „Inhalte schreiben sich nicht von selbst.” Urhebern müsse das Recht auf finanzielle Entschädigung zugestanden werden. Das Zeitungssterben in Deutschland dürfe sich nicht fortsetzen, daher müsse ein Bezahlmodell für Inhalte auch im Netz her. Manuel Höferlin (FDP) wies auf das Recht der Verlage hin, zu bestimmen, was mit deren Inhalten geschehe. Niemand schreibe eine Bezahlung vor. Verlage und Betreiber, etwa von Suchmaschinen, müssten sich schlichtweg einigen, wie sie künftig verfahren wollten.
Der parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis ’90/Die Grünen, Volker Beck, hatte am Freitagmorgen zunächst die Absetzung der Abstimmung von der Tagesordnung des Bundestages beantragt. Es sei unklar, was die geänderte Version des Entwurfs bewirken soll. Zudem wies Beck auf Verfahrensfehler im Hinblick auf die rasche Änderung des Gesetzesentwurfes hin. Michael Grosse-Böhmer (CDU) warf der Opposition daraufhin unter lauten Zwischenrufen die Behinderung demokratischer Prozesse vor. Thomas Oppermann (SPD) erklärte, es sei unvernünftig, über ein derart weitreichendes Gesetz so kurz nach einer gravierenden Änderung des Entwurfs abzustimmen. Derzeit sei das Gesetz ein „Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte”. Dennoch entschieden die Abgeordneten, dass die Abstimmung wie geplant stattfinden sollte. Am Ende stimmten 293 Abgeordnete für den Entwurf, 243 waren dagegen, 3 enthielten sich.
„Massiver Schaden zu Lasten Dritter”
Die Liste der Kritiker des kommenden Gesetzes ist lang. Der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap erklärte jüngst im Handelsblatt: „Es geht im Kern nicht um ein Urheberrechtsproblem, sondern darum, dass die Politik den Presseverlagen helfen soll, Geld von Google zu bekommen. Dabei wird aber massiver Schaden zu Lasten Dritter angerichtet. Man würde zum Beispiel neue wettbewerbsrechtliche Probleme schaffen. Wenn Google für Verweise auf Presseartikel zahlen muss, nimmt es vielleicht nur noch Artikel von großen Medien auf. Das würde die Konzentration am Pressemarkt verstärken. Außerdem schafft das Gesetz rechtliche Probleme. Zum Beispiel könnten Blogger abgemahnt werden, die auf andere Blogs verlinken.” Ein Fiasko sei der Gesetzesentwurf auch nach den neuesten Änderungen noch. „Dann trifft man nur noch die Falschen, kleine Blogger zum Beispiel”, sagte Haucap.
Auch der Blogger und Spiegel-Autor Sascha Lobo protestierte öffentlich gegen die neue Regelung. „Die eigentliche Katastrophe ist der Abschied vieler Verlage vom Geschäftsmodell Journalismus im Netz. Mit dem Leistungsschutzrecht soll unter Verwendung technisch und juristisch hanebüchener Konstruktionen das Geld für die immerhin demokratierelevanten Presseleistungen nicht durch Verlage erwirtschaftet werden, sondern durch Google”, schrieb er bei Spiegel Online. Journalismus, der durch das Leistungsschutzrecht finanziert wird, sei somit eine gesetzliche Garantie für googleabhängigen Journalismus.
Doch nicht nur Blogger fürchten sich vor den Folgen einer Gesetzesänderung. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte die Abgeordneten des Deutschen Bundestags noch am Donnerstag dazu aufgefordert, dem Gesetzentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage in der vorliegenden Fassung die Zustimmung zu verweigern. „Der Gesetzestext ist in den zurückliegenden Monaten zwar mehrfach verändert worden, aber leider nicht so, dass die Interessen der Urheber ausreichend berücksichtigt sind”, kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken laut dem Mediendienst Kress. "Der Gesetzgeber muss berücksichtigen, dass die mit diesem Recht zu schützenden Leistungen ganz wesentlich auf der Arbeit von Journalisten beruhen", sagte Konken. "Es wäre absurd, wenn deren Interessen nur als Randnotiz im Gesetz erscheinen."
„Schon zu viele Rechte verloren”
Der Berufsverband freier Journalisten, die Freischreiber, fragte im Vorfeld der Abstimmung: "Was heißt das für uns Freie und unsere Texte? Dürfen wir keine Arbeitsproben auf unsere Webseiten stellen? Konkurriert das Leistungsschutzrecht jetzt doch mit dem Urheberrecht? Und wie wird dieses Monopol der Verwerter gegenüber den eigentlichen Urhebern begründet?” Benno Stieber, Vorsitzender der Freischreiber, erklärte: „Wir haben schon zu viele Rechte an unserer Arbeit verloren.”
Der Internetverband eco bezeichnete den Entwurf derweil als „verfassungsrechtlich untragbar”. Auch nach den Änderungen bestünden Rechtsunsicherheiten. Der Verband befürchtet Abmahnwellen und lange Gerichtsverfahren, bis die genaue Länge der lizenzfreien Texte geklärt ist. Ein Gutachten, das der Verband gemeinsam mit Google in Auftrag gegeben hatte, schätzte das Gesetz als verfassungswidrig ein.
Google-Sprecher Kay Oberbeck kritisierte das Vorhaben laut dpa am Freitag: "Das Gesetz ist weder notwendig noch sinnvoll, es behindert Innovation und schadet der Wirtschaft und den Internetnutzern in Deutschland." Google hoffe darauf, dass der Bundesrat das Gesetz stoppen werde.
Die Verleger begrüßten den Bundestagsbeschluss am Freitag. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger erklärte, nun sei eine Rechtslücke geschlossen worden: "Auch wenn der verabschiedete Text nicht alle Vorstellungen der Verleger berücksichtigt, ist das neue Leistungsschutzrecht für Presseverlage ein wichtiges Element eines fairen Rechtsrahmens für die digitale Welt." (pro)