„Abiy Ahmed muss Verfassung Äthiopiens ändern“

Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an den Ministerpräsidenten Äthiopiens, Abiy Ahmed. Nach Ansicht des politischen Analysten und Unternehmensberaters für Afrika und den mittleren Osten Asfa-Wossen Asserate muss Abiy Ahmed nun die Verfassung angehen.
Von Norbert Schäfer
Asfa-Wossen Asserate hofft, dass die Vergabe des Nobelpreises gute Auswirkungen für Äthiopien hat

Der äthiopische Ministerpräsidenten Abiy Ahmed erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Er wird für seinen Einsatz um den Friedensprozess mit dem Nachbarland Eritrea und Reformen in seinem Land ausgezeichnet. Der politische Analyst, Autor, Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten sowie Angehörige des entthronten äthiopischen Kaiserhauses Asfa-Wossen Asserate sieht darin einen Glücksfall. Damit Reformen in dem Land Aussicht auf Erfolg haben, müsse Abiy Ahmed die rassistische Verfassung Äthiopiens ändern, erklärt Asfa-Wossen Asserate im Gespräch mit pro.

pro: Herr Asserate, Ihr Landsmann, Ministerpräsident Abiy Ahmed, wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat das für Äthiopien?

Asfa-Wossen Asserate: Es ist ein Glückstag für Äthiopien. Er ist der erste Äthiopier, der eine solche Ehrung erhält. Abiy Ahmed ist ein Mann, der eine große Rolle dabei gespielt hat, dass zwischen den brüderlichen Völkern Äthiopiens und Eritreas endlich der Krieg aufgehört hat und dass wir auf dem Wege des Friedens sind. Hier ist ein Mann Nobelpreisträger geworden, der Tausende von politischen Gefangenen wieder freigelassen hat. Das allein und seine außenpolitischen Erfolge sind gute Gründe für die Entscheidung des Nobelpreiskomitees. Also ja, ein glücklicher Tag für alle Äthiopier und Afrikaner.

Was erwarten Sie nun von Ahmed, aber auch seinen Landsleuten?

Ich hoffe nun, dass Abiy Ahmed an die versprochenen Reformen herangeht und sein Versprechen, das er vor 18 Monaten gegeben hat, endlich einhält. Und, dass er den Demokratisierungsprozess endlich aufnimmt. Die dringendste Reform, die Äthiopien braucht, ist die einer neuen Verfassung. Es können keine weitreichenden Reformen in dem Land umgesetzt werden, ohne dass die Verfassung grundlegend geändert wird. Daran wird man Abiy Ahmed messen.

Aus welchem Grund ist eine Änderung der Verfassung so wichtig?

Die bestehende Verfassung ist der Grund allen Übels. Alle Probleme, die Äthiopien hat, entspringen der aktuellen, rassistischen Verfassung. Es ist eine Verfassung die einen Staat hervorgerufen hat, der sich als einziger Staat auf dieser Welt eine „ethnische Föderation“ nennt. Für mich ist dieser Begriff ein anderes Wort für Apartheid.

Sehen Sie wirklich Parallelen zum einstigen Apartheidssystem in Südafrika?

Diesen Begriff hat das Malan-Regime in Südafrika genauso verwendet, nachdem es dort 1948 die Macht übernommen hatte: Apartheid ist nichts anderes als eine ethnische Föderation. Da liegt der Hund begraben. Solange Äthiopien eine ethnische Föderation ist, solange es ethnische Grenzen, ethnische Parteien gibt und solange die Wirtschaft ethnisiert ist, kann das Land keine neuen, gedeihlichen Wege beschreiten. Die ethnische Komponente muss auf jeden Fall aus der Verfassung verschwinden.

Wie bewerten Sie den Umstand, dass der Nobelpreisträger Christ ist?

Dass Abiy Ahmed bewusst als Christ lebt, wird sich positiv auswirken. Äthiopien ist ein Land der Gläubigen. Ein Land, in dem die drei abrahamitischen Religionen seit Jahrhunderten in friedlicher Koexistenz gelebt haben. Dafür ist der Ministerpräsident ein wahres Exempel. Er kommt aus einer multireligiösen Familie. Der Vater ist Oromo und Moslem, seine Mutter ist Amharin und äthiopisch-orthodox. Er selbst ist Pfingstler. Wenn Ahmed als Christ lebt und agiert, unterstreicht das, dass Äthiopien ein Land der religiösen Vielfalt ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kurz nach seinem Amtsantritt hatte der Ministerpräsident Äthiopiens, Abiy Ahmed, im April 2018 den Grenzkonflikt mit Eritrea, bei dem zwischen 1998 und 2000 etwa 70.000 Menschen getötet wurden, gelöst. Abiy Ahmed hob zudem den Ausnahmezustand in Äthiopien auf und entließ politische Gefangene aus der Haft. Der Christ verbesserte zudem die Meinungs- und Pressefreiheit in dem Land und müht sich um mehr Einfluss von Frauen in Gesellschaft und Politik.

Von: Norbert Schäfer

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