Als Papst Benedikt XVI. vor wenigen Tagen gleich 22 neue Kardinäle ernannte, war seine Presseabteilung möglicherweise überfordert: Wie kann man innerhalb kürzester Zeit 22 Biografien recherchieren, die der entsprechenden Pressemitteilung beigelegt werden sollen? Für die PR-Leute des Vatikan war die Lösung nur wenige Klicks entfernt: auf it.wikipedia.org.
Wie die britische Zeitung "The Guardian" meldete, wurden die Biografien ohne Quellennennung aus der italienischen Wikipedia kopiert. Und zwar so unreflektiert, dass den Mitarbeitern der Pressestelle gar nicht auffiel, welchen Unsinn sie teilweise verzapften. Darauf machte sie zuerst der Blogger Sandro Magister aufmerksam, der den italienischen Blog "www.chiesa.espressonline.it" betreibt. So wurden nach einem Bericht von "Spiegel Online" einige Kardinäle als "katholische" Priester eingeführt. Nun ist es aber so offensichtlich, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche katholische Kardinäle ernennt, die irgendwann einmal als katholische Priester eingestiegen sind, dass man das als katholische PR-Abteilung nicht mehr extra erwähnen müsste.
Darüber hinaus sei die Vatikan-Pressestelle in der Beurteilung des frisch ernannten Kardinals Willem Jacobus Eijk zu der "gar nicht allzu erstaunlichen Erkenntnis" gekommen, dass der ehemalige Erzbischof von Utrecht sehr zum Konservatismus neige, vor allem bei den Themen Abtreibung und Homosexualität. "Das dürfte für dieses Amt ja eigentlich zu den Einstellungsvoraussetzungen gehören", bemerkt "Spiegel Online".
"Nur Handreichungen"
Gegenüber der britischen Zeitung "The Telegraph" äußerte der Sprecher des Vatikans, Frederico Lombardi, laut dem Nachrichtenmagazin, dass die Biografien nur als Handreichungen für die Pressestellen des Vatikans gedacht gewesen seien. Er und sein Team seien zu spät über die Liste der Kardinäle informiert worden. Auf der Website des Vatikans habe man zwischenzeitlich natürlich selbst verfasste Biografien veröffentlicht.
"Nun ist der Vatikan blamiert", schreibt "Spiegel Online". "Und weil der Katholizismus eine Weltreligion ist, wird auch global über den Vorfall gelacht – oder mit dem Kopf geschüttelt, je nachdem." Bei Twitter etwa habe man Anmerkungen zum Thema "Vatikan" und "Wikipedia" in indonesischer, polnischer, slowenischer Sprache gefunden, "und natürlich auf Englisch, Deutsch, Französisch und so weiter".
Der Vorfall offenbart aber auch, wie wenig Beachtung die Kirchen der Qualität von kirchlichen und theologischen Beiträgen in der Wikipedia schenken. (pro)