Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hält das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 für gescheitert. Es habe weder die Situation der Betroffenen verbessert noch sie besser geschützt. Im Parlament hat sie deswegen beantragt, eine allgemeine Strafbarkeit von Freiern einzuführen und den Kauf sexueller Dienstleistungen im Grundtatbestand als Vergehen zu ahnden.
Der Antrag auf Strafbarkeit von Sexkauf soll sicherstellen, dass Prostituierte im Zuge der Neuregelung nicht durch die Tatsache der reinen Ausübung der Tätigkeit kriminalisiert werden. Verboten werden soll ferner der Betrieb von Prostitutionsstätten wie Bordellen, Laufhäusern, Verrichtungsboxen und Wohnwagen sowie die Vermietung von Objekten zum Zweck der Prostitutionsausübung.
Für die Antragsteller erklärte Dorothee Bär (CSU), dass Artikel 1 des Grundgesetzes für alle Menschen gelte. Im Blick auf die Prostituierten dürfe man nicht wegsehen. Demütigung und Machtausübung stünden hier auf der Tagesordnung. „Frauen werden in unserem Land jeden Tag aufs Abscheulichste missbraucht“, erklärte die Unionspolitikerin. Es gehe bei Prostitution nicht um freiwillige, selbstbestimmte Arbeit. Wenn jemand einen Notfall-Knopf neben seinem Arbeitsplatz habe, sei das kein Beruf wie jeder andere: „Freiwilligkeit sieht anders aus. Oft handelt es sich um gebrochene Menschen.“
„Vergehen besser ahnden“
Ariane Fäscher (SPD) plädierte dafür, die menschenunwürdigen Zustände zu beenden. Jedes Schicksal sei eines zu viel, allerdings sei Zwangsprostitution bereits strafbar. Ein Sexkaufverbot führe zudem zu vermehrter Wohnungsprostitution. „Wir müssen die Vergehen besser ahnden.“ Der Antrag der Union beinhalte viele „gefühlte Evidenzen“. Sie warb dafür, die Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes abzuwarten, um dann geeignete und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen: „Dafür ist es aber heute zu früh.“
Der AfD-Abgeordnete Thomas Ehrhorn kritisierte den Paradigmenwechsel im Jahr 2002 scharf. Damals habe man eine „totale Freizügigkeit“ und das „Bild einer emanzipierten Sexarbeit“ gewollt. Jetzt werde eine 180-Grad-Wende vollzogen. Deutschland sei mittlerweile eine Wohlfühl-Oase für alle Kriminellen in diesem Milieu. Ehrborn bemängelte einen viel zu geringen Verfolgungsdruck im im Zusammenhang von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Ein Sexkaufverbot, wie es die Union erreichen wolle, verlagere die Schuld auf die Kunden und mache die falschen Personen strafbar. Ein gut gemeinter Ansatz werde nun „absurd und untauglich“ umgesetzt.
Denise Loop (Bündnis 90/ Die Grünen) bemängelte, dass der Antrag keine Antworten auf die bestehenden Probleme gebe. Die Polemik heize nur die Debatte auf und gehe auf Kosten der Betroffenen: „Lassen Sie uns die Bedingungen verbessern, aber dafür brauchen wir eine bessere Datenlage.“ Es gehe nicht um Scheinlösungen, notwendig sei ein nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution.
Kein Satz dazu im CDU-Grundsatzprogramm
Auch Gyde Jensen (FDP) wollte ebenfalls die Evaluation des Gesetzes von 2002 abwarten. Persönliche Bewertungen der Lage würden nicht weiterhelfen. Man müsse schauen, was politisch möglich sei. Die Erfahrungen des Nordischen Modells seien bei Weitem nicht so positiv, wie von der Union dargestellt werde. Jensen vermisste außerdem im CDU-Grundsatzprogramm eine Stellungnahme zu dem Thema. Ein Sexkaufverbot, wie es das nordische Modell vorsehe, verlagere die Nachfrage nach käuflichem Sex ins Dunkelfeld. Auch wollten selbstbestimmt Sexarbeitende durch das Sexkaufverbot nicht zu „Opfern ihrer selbst“ erklärt werden.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) sah das liberale Modell als gescheitert. Selbstbestimmung im Bereich der Prostitution sei eine Illusion. Die sexuellen Übergriffe, von denen Betroffene, Ermittler, Sozialarbeiter und Ärzte immer wieder berichteten, zeigten die Notwendigkeit für einen Paradigmenwechsel. Männer dürften hierzulande nach Belieben weiter über Frauen verfügen. Das müsse sich ändern. „Lassen Sie uns schnell handeln und eine Gleichstellung herstellen.“
Leni Breymaier (SPD) gestand der Union zu, dass das Nordische Modell durchaus tauglich sei. Der Antrag selbst werde aber an der Lage der Frauen nichts ändern. Politik bestehe darin, Mehrheiten zu organisieren. Sie befürchte allerdings, dass der Antrag wie eine Wunderkerze leuchte und dann schnell abbrenne. Das liberale Modell bezeichnete sie dagegen als „Autobahn, auf der die Menschenhändler rasen können“. Breymaier: „Deutschland ist Zielland des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung geworden.“
Moralische Debatte, die niemand gewinnt
Das Gruppenmitglied der Linken, Heidi Reichinnek, nannte die Diskussion eine „moralische Debatte, bei der niemand gewinnt“. Der Antrag, den der Bundestag schließlich zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwies, treibe die Probleme in die Hinterzimmer, in denen Betroffenen allem hilflos ausgeliefert seien. Der Staat müsse die Straftaten besser ahnden. Nicole Bauer (FDP) sah die Tendenz, durch Verbote den Eindruck zu erwecken, dass ein Problem nicht mehr existiere.