Ihr Auftritt hat für Aufsehen gesorgt. Die Journalistin Marina Owsjannikowa hat in den Abendnachrichten des russischen Staatsfernsehens das Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin öffentlich als Krieg angeprangert. Für die Journalistin hat dies krasse Konsequenzen. Sie muss fliehen und als „Feind Nummer eins“ Russlands um ihr Leben fürchten.
Im Interview mit Spiegel Online erklärt sie, dass sie als Journalistin angetreten sei, um für die Gerechtigkeit und das Gute zu kämpfen. Sie habe sich am Sonntag für ihre Aktion entschieden. Da habe sie auch das Video gedreht, was danach auf Facebook veröffentlicht wurde. Außer ihr habe niemand von der Aktion gewusst.
Am Montag habe sie im Sender geprüft, wie die Aktion ablaufen könne. Immer in der Angst, „am Ende könnte alles umsonst sein, wenn mich keiner zu sehen bekäme“. Nach der Aktion sei sie schnell wieder zu ihrem Arbeitsplatz gelaufen und habe dort gewartet. Was folgten, waren stundenlange Gespräche mit ihren Chefs und der Polizei.
Marina Owsjannikowa: Stehe zwischen den Fronten
Sie begreife erst jetzt, wie diese Aktion ihr Leben für immer verändert hat. Aktuell verstecke sie sich bei Freunden und verspüre großen Stress. Sorgen mache sie sich auch um ihren 17-jährigen Sohn und die elfjährige Tochter, die sich in Moskau in Sicherheit befänden. Sie wolle aber das Land auf keinen Fall verlassen.
Für ihre Familie sei die durchgeführte Aktion ein schwerer Schlag gewesen. Ihre Sohn werfe ihr vor, dass Owsjannikowa das Leben der Familie zerstört habe. Sie stehe jetzt „zwischen den Fronten“ einer Familie, die sie nicht richtig unterstütze und der Meinung einer gespaltenen Gesellschaft. Auch die Tragweite der Aktion werde ihr erst nach und nach bewusst: „Es kann alles passieren, ein Autounfall, alles, was die wollen, dessen bin ich mir bewusst.“
Bisher gebe es nur eine Geldstrafe von umgerechnet 265 Euro gegen sie, aber keinen Strafbefehl. Die „schreckliche Situation“ in ihrem eigenen Land habe sie zu lange verdrängt. Dadurch habe sich eine Unzufriedenheit aufgestaut: „Der Beginn des Krieges gegen die Ukraine war der Punkt, an dem es für mich kein Zurück mehr gab.“ Den Krieg gegen das Brudervolk könne „kein gesunder Mensch akzeptieren“.
Ihr Vater sei Ukrainer, die Mutter Russin. Ihren Protest begreife sie in erster Linie als „pazifistische Aktion“: „Ich wollte zeigen, dass auch Russen gegen diesen Krieg sind, was viele Menschen im Westen nicht verstehen. Die Mehrheit der klugen und gebildeten Menschen hier lehnt diesen Krieg ab.“ Owsjannikowa widerspricht in dem Interview, dass es sich bei den Bildern um eine Montage handelt. Auch der Sender habe den Vorfall bestätigt. „Der Protest war allein meine Idee“, bekennt sie. Die Beamten in der Vernehmung hätten das nicht glauben wollen und ihr immer wieder eine Verbindung in den Westen unterstellt. Einen Anwalt habe sie dabei nicht verständigen dürfen.
Die Journalistin hatte im Bereich Auslandsnachrichten des Ersten Kanals gearbeitet und Beiträge für ihn produziert. Bereits vor Putins Einmarsch in die Ukraine habe die Staatspropaganda „schreckliche Formen“ angenommen. Mittlerweile sei diese zu einer schweren Last und unerträglich geworden. Der Kreml habe klare Vorgaben über die Inhalte gemacht.
Viele Journalistinnen und Journalisten würden innerlich zwischen der Arbeit und dem eigenen moralischen Kompass ringen. Obwohl die Medien nicht objektiv berichteten, seien sie auf ihre Arbeitsstelle angewiesen, um die Familien zu ernähren. Owsjannikowa selbst will bald ihre Kündigung einreichen. Bis zum Kriegsbeginn habe sie in der Moskauer Mittelschicht gelebt. Wie ihre persönliche Zukunft aussehen wird, sei ungewiss.
2 Antworten
Ich habe sehr großen und tiefen Respekt vor der Tat und die mutige Frau! Ich ziehe voller Hochachtung meinen Mut!
Hochachtung vor dieser Frau! Letztlich kann aber nur ein Protest wie der-lange beginnend vor dem Herbst `89- in der Ex-DDR eine andere Führung in Russland bringen. Die Wende muss machtvoll von innen heraus kommen, das kann dauern, das könnte aber auch bald sein. Es kommt auf den Mut und das Durchhaltevermögen der Russinnen und Russen an.