Die Verschärfung des russischen Mediengesetzes stößt bei Bundesregierung, Journalistenverbänden und Medienunternehmen zunehmend auf Kritik und Besorgnis. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach am Montag von einem gravierenden Verstoß gegen die Presse- und Meinungsfreiheit. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, forderte alle deutschen Auslandsreporter in Russland auf, schnellstmöglich das Land zu verlassen. ZDF-Chefredakteur Peter Frey bezeichnete die Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Sender, die Berichterstattung aus Moskau vorerst auszusetzen, als notwendig für den Schutz der Journalisten vor Ort.
Zahlreiche westliche Medien hatten in den vergangenen Tagen beschlossen, aus Sicherheitsgründen vorerst nicht mehr aus Moskau zu berichten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Berichten zufolge ein Gesetzespaket unterzeichnet, das die „öffentliche Verbreitung absichtlich falscher Informationen über die Benutzung der Streitkräfte der Russischen Föderation“ unter Strafe stellt. Es drohen demnach bis zu 15 Jahre Haft. In russischen Staatsmedien wird nicht von einem Krieg gegen die Ukraine gesprochen, sondern von einer „militärischen Spezialaktion“.
Journalisten droht „willkürliche Verhängung hoher Haftstrafen“
Ein Außenamtssprecher sagte, das Ministerium befürchte, dass Äußerungen sowohl von Journalistinnen und Journalisten, aber auch von Privatpersonen in sozialen Medien „sehr drakonische Strafen“ nach sich ziehen könnten. Die Formulierung der russischen Gesetze mit vielen unbestimmten Begriffen müsse dazu führen, dass man hier sehr problembewusst mit der Situation umgehe. Aus Sicht einer freien Gesellschaft sei es ein großes Problem, wenn eine freie Berichterstattung über wichtige Ereignisse nicht mehr möglich sei, fügte er hinzu.
In den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes heißt es, dass „die willkürliche Verhängung hoher Haftstrafen für öffentliche Äußerungen“ durch das Gesetz ermöglicht werde. Auch private Äußerungen in sozialen Medien könnten „mit unberechenbaren persönlichen Risiken verbunden sein“. Es werde daher „zu äußerster Zurückhaltung oder alternativ zur Ausreise geraten“.
Überall forderte Hilfe der Bundesregierung für eine Evakuierung internationaler Korrespondenten aus Russland. Angesichts des neuen Mediengesetzes sei die freie Arbeit von Journalisten dort nicht mehr sicher, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag).
ZDF-Chefredakteur Frey erklärte, solange nicht klar sei, ob die verschärften russischen Mediengesetze auch für ausländische Korrespondentinnen und Korrespondenten gelten, sei die Aussetzung der Berichterstattung nötig. Die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen vor Ort sei durch die neuen Gesetze gefährdet, sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Sie habe oberste Priorität.
Andere Medienunternehmen mit Korrespondenten in Moskau äußerten sich auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) zurückhaltend. RTL Deutschland erklärte, die Moskau-Korrespondentin Charlotte Maihoff sei nach einer gemeinsamen Entscheidung mit der Chefredaktion mittlerweile abgereist. Ein Korrespondent und ein Kameramann berichteten erst einmal weiter aus der russischen Hauptstadt. Der Sender beurteile die Gefahrenlage jedoch kontinuierlich im engen Austausch zusammen mit den Kollegen vor Ort, sagte eine Sprecherin.
Der Verlag Axel Springer betonte, die Sicherheit der Reporter von „Bild“ und „Welt“ in Krisenregionen habe höchste Priorität. Konkretere Angaben wollte das Unternehmen aus Sicherheitsgründen ebenso wie die Funke Mediengruppe, die „Süddeutsche Zeitung“ und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nicht machen.
Der Medienwissenschaftler Dietrich Leder äußerte die Befürchtung, die Aussetzung der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung aus Moskau könne zu Qualitätseinbußen führen. Er vermute, dass die Zahl aus dem Internet übernommener Berichte zunehmen werde, sagte Leder dem epd in Köln.