Christliche Träger kritisieren Impfpflicht in Kliniken und Pflege

Wer nicht gegen Corona geimpft ist, dem droht ab Mitte März ein Beschäftigungsverbot im Pflege- und Gesundheitswesen. Einrichtungen blicken mit Sorge auf den Stichtag.
Von Jonathan Steinert
Klinik, Pflege, Medizin, Corona

Mehrere christliche Träger im Gesundheitswesen haben die Impfpflicht in Kliniken und der Pflege kritisiert. Bis zum 15. März müssen die Arbeitgeber dem zuständigen Gesundheitsamt melden, wer von den Mitarbeitern nicht gegen das Coronavirus geimpft ist.

Was dann geschieht, liegt im Ermessen des Amtes. Im härtesten Fall dürfen Ungeimpfte das Haus nicht mehr betreten. Diesen Fall fürchten die Träger, denn dann könnte es mit der Versorgung der Patienten und Heimbewohner noch schwieriger werden, als es mit knappem Personal ohnehin schon ist.

„Alle bisher in der Einrichtung tätigen Mitarbeitenden werden auch nach dem 15. März für die Aufrechterhaltung unserer Leistungsangebote benötigt und eingesetzt“, teilte etwa Knut Riedel auf Anfrage von PRO mit. Er ist Fachbereichsleiter Pflege- und Seniorendienste des Diakoniewerks Westsachen.

Alle Mitarbeiter hätten sich vor allem während der Pandemie zum Teil bis „an die Grenzen physischer und psychischer Belastungen“ engagiert. Das verdiene „uneingeschränkt Respekt und Wertschätzung – unabhängig vom Impfstatus“, erklärte er.

Impfpflicht verschärft Polarisierung

Bereits jetzt seien zunehmende personelle Ausfälle durch Krankheiten kaum mehr zu kompensieren. Dass es in der Branche ohnehin zu wenige Beschäftigte gebe, sei „seit längerer Zeitauf allen Ebenen bekannt“. Sollten noch mehr Mitarbeiter abwandern, belaste das die verbleibenden zusätzlich und führe dazu, dass die Versorgungsleistung nicht mehr vollständig erfüllt werden könne. „Daran müssen sich alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht orientieren“, betonte Riedel.

Hubertus Jaeger, Kaufmännischer Vorstand der DGD-Stiftung, kritisierte, der Gesetzgeber verlagere seine ungelösten Probleme auf die Einrichtungen und „eskaliert die ohnehin schon angespannte Atmosphäre in den Belegschaften“. Durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Kliniken und die Pflege habe die Polarisierung unter den Mitarbeitern zugenommen. Das bewertete Jaeger als „problematisch und nicht zielführend“.

Zur Stiftung des Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverbandes (DGD) gehören Kliniken, Medizinische Versorgungszentren, Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie zwei Pflegeschulen mit insgesamt rund 3.000 Beschäftigten. Den möglichen Personalausfall durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht Jaeger mit Sorge. Zudem kritisierte er den hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, den die Regelung mit sich bringe.

Auch der christliche Gesundheitskonzern Agaplesion mit rund 20.000 Beschäftigten in etwa 100 Einrichtungen fürchtet, durch die Impfpflicht in Kliniken und Pflege Mitarbeiter zu verlieren. Es sei „nahezu unmöglich“, das kurzfristig zu kompensieren, teilte Unternehmenssprecher Sebastian Wenz auf Anfrage mit.

Zwar seien es die Einrichtungen durch die Pandemie gewohnt, flexibel auf sich verändernde Situationen zu reagieren und Kräfte zu bündeln. Jedoch sei die Personalsituation im Gesundheitswesen und der Pflege „bekanntermaßen sehr angespannt“. Von den Gesundheitsämtern erwarte Agaplesion, diese Situation zu berücksichtigen, das sei im Interesse aller.

Lieber allgemeine Impfpflicht statt nur für Kliniken und Pflege

Alle drei Träger betonen, die gesetzlichen Regelungen umsetzen zu wollen. Zudem geben sie an, dass in ihren Einrichtungen mehr Menschen gegen Corona geimpft seien als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Doch selbst wenn 90 Prozent des Personals geimpft sind, sind es bei 600 Mitarbeitern immerhin noch 60 nicht, rechnet Martin Montowski beispielhaft vor. Der Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses Harz in Elbingerode, das zur DGD-Stiftung gehört, sieht folgendes Szenario: Sollte es tatsächlich zu einem Beschäftigungsverbot kommen, werden sich manche Mitarbeiter womöglich noch impfen lassen.

Fehlende Mitarbeiter jedoch würden die Leistungsfähigkeit „ganz erheblich schwächen“. Er sagt: „Wir beweisen täglich, dass wir mit geimpften und ungeimpften Mitarbeitenden prima zusammenarbeiten können.“ Beide Gruppen handelten reflektiert, hielten sich an die Schutzvorkehrungen und übernähmen Dienste für ausgefallene Kollegen – unabhängig vom Impfstatus.

Agaplesion-Vorstandschef Markus Horneber erklärte gegenüber PRO, die große Mehrheit der Mitarbeiter sehe in der Corona-Schutzimpfung einen „wichtigen Schritt zurück zur Normalität“. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht werde jedoch als ungerecht empfunden. Denn so müsse „die engagierte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, die ohnehin am allermeisten gefordert ist, die Last der Pandemie wieder einseitig tragen“.

Er plädiert daher für eine allgemeine Impfpflicht. Diese böte allen Menschen die Perspektive, die Pandemie zu überwinden. Die DGD-Stiftung hält die allgemeine Impfpflicht ebenfalls „für den besseren Weg“. Eine Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal sieht der diakonische Träger kritisch – vor allem, wenn unzureichend geregelt sei, wie sie umzusetzen ist.

Im Notfall soll der Nachbar einspringen

Diesen Punkt kritisiert auch ein Klinikseelsorger aus dem Raum Dresden, der seinen Namen in dem Zusammenhang nicht öffentlich nennen möchte. Er kenne ebenfalls Einrichtungsleiter, die Personalengpässe fürchten. Im Haus, in dem er tätig ist, sei das eher nicht zu erwarten.

Für den Unmut gegenüber der Impfpflicht in Kliniken und der Pflege sei die Politik auch selbst verantwortlich: Sie habe nicht präzise und rechtzeitig kommuniziert, was im konkreten Fall auf die Arbeitgeber und Beschäftigten zukomme. Das erzeuge Unruhe in der Bevölkerung.

Er befürworte das Impfen, eine Pflicht dazu, sei es für bestimmte Berufsgruppen oder allgemein, lehne er aber ab. Jeder solle diese Entscheidung für sich treffen dürfen. „Der Staat muss da in seinen Grenzen bleiben. Wer sich schützen will, hat es bereits getan“, findet er.

Die Krankenhäuser seien durch die Pandemie nicht mehr so belastet, dass es eine Impfpflicht rechtfertigen würde. Und er ergänzt: „Mit aller Pflicht lässt sich das Risiko des Lebens nicht ausräumen.“ Auch der sächsische Landesbischof Tobias Bilz hat sich gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht gewandt.

Die Bundesregierung reichte indes die Verantwortung an die Bundesländer weiter: Die hätten dafür Sorge zu tragen, „dass die Krankenhäuser in der Lage sind, ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen“, zitiert der Spiegel aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. In der häuslichen Pflege könne bei Bedarf auch der Nachbar auf Kosten der Pflegeversicherung einspringen, heißt es vom Gesundheitsministerium.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht haben Bundestag- und Bundesrat mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes am 10. Dezember beschlossen. Sie gilt für Beschäftigte, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Arzt- und Zahnarztpraxen, Pflegeheimen, Reha-Kliniken, in der ambulanten Pflege oder in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen tätig sind.

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2 Responses

  1. Wäre der Pieks wirksam und nachgewiesenermaßen nur mit schwachen schädigenden Nebenwirkungen verbunden, könnte man eine Impfpflicht in Erwägung ziehen. Da weder das eine noch das andere zutrifft, wird mit dieser staatlichen Keule noch mehr Schaden angerichtet: gesundheitlich, psychisch, sozial. Eine Regierung, die nicht transparent kommuniziert und unangenehme Erkenntnisse der Öffentlichkeit verweigert, verliert das Vertrauen der Bevölkerung. Das genau ist zu beobachten seit Anfang 2020 insbesondere.
    Hände weg von einer Impfpflicht jeglicher Art.

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    1. „der Pieks (Ist!) wirksam (gegen schwere Verläufe) und nachgewiesenermaßen nur mit schwachen schädigenden Nebenwirkungen verbunden“, auch wenn es manche sozialen Medien das anders darstellen und damit Angst schüren wollen. Diese Angst (vor schweren Verläufen, bis zum Tod!) müssen die Nichtgeimpften haben! Aber auch ich bin gegen eine Impfpflicht. Druck erzeugt Gegendruck, den desinformierende Sozialmedien gerne instrumentalisieren. Zudem ist es jedem selbst überlassen, ob er sich dieser Gefahr aussetzen will oder nicht. Aufklärung scheint notwendig zu sein, kein Verbot. Wird diese Aufklärung (ähnlich wie bei den Sicherheitsbelehrungen) von den „Aufgeklärten“ unterschrieben, ist auch der Arbeitgeber nicht mehr haftbar zu machen, wenn eine Pflegekraft an Corona verstirbt. Einen Strafbestand gegen unterlassener Hilfeleistung gegen sich selbst gibt es ja nicht. Eine Testpflicht in sozialen Einrichtungen wäre angemessener, da er das „Einschleppen“ der Corona-Viren in Pflegeeinrichtungen verhindert (denn das können auch Geboostete) und die zu pflegenden schützen würde.

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