betaKirche: „Glauben, Lieben, Hoffen“ rein digital

Die betaKirche existiert ausschließlich digital. Die Macher wollen Menschen vernetzen und mit ihnen Kirche sein, egal, wo sie wohnen. Pastor Simon Birr, einer der Initiatoren, glaubt, dass so die Zukunft von Kirche aussehen kann.
Von Swanhild Brenneke

Eine Gemeinschaft von Gläubigen, die ausschließlich im digitalen Raum stattfindet: Das will die betaKirche sein. Die Idee dazu, eine rein digitale Kirche zu gründen, sei im ersten Lockdown 2020 entstanden, sagt Simon Birr im Interview mit PRO. Er ist einer der Initiatoren und Pastor in der Freien Evangelischen Gemeinde (FEG) Ewersbach in Hessen.

„Die betaKirche richtet sich an digitale Nomaden, an Menschen, die weltweit unterwegs sind, die vielleicht keinen festen Wohnsitz haben, sich aber trotzdem eine eigene Kirche wünschen“, sagt er.

Mit dem Slogan „Kirche für die Hosentasche“ werben die Macher aktuell. „Der Traum dahinter ist, dass man auf dem Smartphone seine Kirche immer dabei hat“, sagt der Pastor.

Online-Gottesdienste und -Communities

In der betaKirche ist Birr aktuell für die Öffentlichkeitsarbeit mitverantwortlich. Wirklich feste Strukturen oder festgelegte Ämter gibt es noch nicht. Die betaKirche stecke noch in den Kinderschuhen, sagt Birr. Derzeit seien es etwa 17 Aktive, die sich in der digitalen Kirche engagieren. Und etwa 50 Interessenten, die regelmäßig zusammenkommen, um zum Beispiel per Videochat Gottesdienst zu feiern.

Der findet einmal im Monat sonntagabends per Zoom statt und dauert etwa eine Dreiviertelstunde. 24 Stunden vorher veröffentlicht das Team den Link über verschiedene Kanäle wie Instagram, Facebook oder auch die App der betaKirche, in der sich die Interessierten miteinander vernetzen. Außerdem gibt es verschiedene Communities – kleine Interessengruppen, die sich zum Beispiel per WhatsApp zum Beten oder per Zoom zum Austausch treffen.

Keine „Content-Maschine“

Nachträglich anschauen kann man die Gottesdienste nicht. „Wir sagen ganz bewusst: Es darf jeder kommen, jeder darf sich fühlen, wie er möchte. Niemand soll Angst haben, dass es aufgezeichnet wird. Der Gottesdienst lebt von der Interaktion der Menschen“, sagt Birr.

Außerdem möchte die betaKirche keine „Content-Maschine“ sein. Die Initiatoren möchten nicht einfach Inhalte produzieren, die dann Zuhause konsumiert werden können. „Wir wollen Menschen vernetzen und die sollen dann miteinander unterwegs sein.“ Auf lange Sicht würden sich wahrscheinlich lokale Gruppen herausbilden, die sich entweder privat treffen oder es werde vielleicht auch Kleingruppenarbeit entstehen, sagt Birr.

Nicht jedes menschliche Bedürfnis nach Geselligkeit könne komplett digital erfüllt werden. Konkret seien physische Treffen aber noch nicht geplant. Mit dem Slogan „Glauben, Hoffen, Lieben im digitalen Raum“ stellt sich die betaKirche zum Beispiel bei Instagram vor.

„Die Kerze verbindet uns und macht uns bewusst, dass Jesus da ist.“

Simon Birr

Bei einem Hackathon Ende vergangenen Jahres habe man konkrete Ansätze entwickelt, wie Spiritualität und Verkündigung im digitalen Raum ganz praktisch aussehen können. Dieses digitale Brainstorming sei zuvor auf Instagram und in verschiedenen Facbook-Gruppen publik gemacht worden.

Ziel sei es gewesen, den Prototyp eines digitalen Gottesdienstes zu entwickeln. „In der Verkündigung haben wir uns auf kurze Impulse geeinigt und darauf, dass verschiedene Personen zu Wort kommen, um den Gottesdienst zu gestalten“, sagt Birr.

Spiritualität werde aktuell unter anderem dadurch gelebt, dass alle Gottesdienstbesucher gleichzeitig eine Kerze anzünden. „Die Kerze verbindet uns und macht uns bewusst, dass Jesus da ist.“ Musik wird live von einem Zweier-Team eingespielt.

Man suche außerdem immer weiter nach Möglichkeiten, wie Spiritualität im Digitalen gelebt werden kann. „Wir fragen uns: Wie können wir unsere Gottesbeziehung leben, uns untereinander unterstützen und das Ganze im digitalen Raum halten?“, erklärt Birr.

betaKirche will keine Freikirche sein

Die betaKirche gehört zu keinem Gemeindebund, ist aber auch keine eigenständige Kirche. Theologische Grundlage für die Beteiligten ist die Barmer Theologische Erklärung. Viele der Gründer seien zwar aus dem Bund der FEGs, auch einige FEG-Pastoren, so wie Birr, seien dabei. Andere hätten wiederum gar keinen Bezug zu einer Freikirche, sagt Birr.

Deshalb will sich auch die betaKirche nicht einer einzigen Gemeindeform zuordnen. „Wir wissen, dass wir da viele Glaubensrichtungen und -denominationen mit einbeziehen. Wir wollen nicht nur als Freikirche wahrgenommen werden. Sondern als eine digitale Kirche, die diejenigen verbindet, die gerade keine Kirche vor Ort haben.“

„Ich bin überzeugt, dass die alten Grabenkämpfe in Zukunft der Vergangenheit angehören.“

Pastor Simon Birr

Aktuell gebe es Gespräche, wie sich die betaKirche organisieren kann. Denn eine Rechtsform brauche es langfristig. Ob man eine eigenständige Kirche werden möchte – darüber ist man sich noch nicht klar. Denn das werfe auch theologische Fragen auf wie zum Beispiel, ob man in zwei Gemeinden gleichzeitig Mitglied sein könne, sagt Birr. Die Mehrheit der aktiven Beteiligten gehöre nämlich auch Ortsgemeinden an.

Neue Wege müsse man zum Beispiel bei Sakramenten wie dem Abendmahl oder der Taufe gehen. Abendmahl werde schon jetzt digital gefeiert, dazu habe zwangsläufig der erste Lockdown geführt, sagt Birr.

Birr: Zukunft der Kirche wird noch digitaler

Beim Thema Taufe könne er sich vorstellen, dass man diese hybrid feiert. „Natürlich findet sie physisch an dem Ort statt, wo die Person getauft wird. Aber die anderen Personen können sich digital dazuschalten. So sind wir nicht an ein Gemeindehaus mit einem Taufbecken gebunden.“ Es brauche lediglich irgendein Gewässer – deutschland-, europa- oder weltweit.

Birr ist überzeugt davon, dass diese Art von Kirche ein wesentlicher Teil der Zukunft sein wird. Es sei Fakt, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Denominationen miteinander vernetzten. Darauf müsse Kirche reagieren. Außerdem: „Ich bin überzeugt, dass die alten Grabenkämpfe in Zukunft der Vergangenheit angehören. Die Digitalisierung wird uns als Gemeinden noch sehr viel stärker beschäftigen, als wir jetzt vermuten“, sagt Birr.

Viele der Mitarbeitenden seien bereits seit Jahren digital vernetzt, ohne sich je physisch getroffen zu haben. „Wir merken, dass diese Beziehungen funktionieren, solange man auch bewusst da rein investiert. Wir sind überzeugt davon, dass Gemeinschaft im digitalen Raum möglich ist.“

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