Abgeordnete aus fast allen Fraktionen haben einen neuen Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Suizid-Beihilfe vorgelegt. Der neue Paragraf 217 sieht im Wesentlichen vor, dass Sterbehilfe nur nach intensiver Beratung möglich ist. Für Unter-18-Jährige soll Sterbehilfe nicht möglich sein.
Im Einzelnen schlägt der Entwurf Folgendes vor:
- Die Person, die Sterbhilfe in Anspruch nehmen möchte, muss „volljährig und einsichtsfähig“ sein.
- Darüber hinaus muss sie mindestens zwei Untersuchungen bei einem Facharzt für Psychologie oder Psychotherapie mit einem Mindestabstand von drei Monaten wahrnehmen. Das soll sicherstellen, dass keine „beeinträchtigende psychische Erkrankung“ vorliegt und das Verlangen zum Sterben „freiwillig, ernsthaft und von Dauer“ ist. Der entsprechende Mediziner darf nicht bei der anschließenden Durchführung der Sterbehilfe beteiligt sein.
- Darüber hinaus braucht es mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch bei einem weiteren Arzt, Psychologen oder Psychotherapeuten, einer psychosozialen Beratungstelle, einer Suchtberatung oder Schuldenberatung. Bei diesem Beratungstermin soll über den mentalen und psychischen Zustand des Sterbewilligen aufgeklärt werden.
Ihm müssen Alternativen zum Suizid genannt werden und Möglichkeiten einer medizinischen Behandlung. Er muss auf weitere Beratungsmöglichkeiten hingewiesen werden. Außerdem soll die Person darüber aufgeklärt werden, welche Folgen eine fehlgeschlagene Selbsttötung haben kann und welche sozialen Folgen für das Umfeld des Betroffenen entstehen können, wenn die Selbsttötung gelingt.
Zwischen den ersten beiden Untersuchungsterminen beim Facharzt und dem anschließenden Beratungsgespräch müssen bis zum Suizid mindestens zwei Wochen liegen. Höchstens dürfen seit dem letzten Untersuchungstermin beim psychiatrischen Facharzt jedoch zwei Monate vergangen sein.
Es gibt Ausnahmen, wenn der Person, die die Sterbehilfe wünscht, die zwei ersten Untersuchungstermine nicht zumutbar sind, zum Beispiel aufgrund einer zeitlich begrenzten Lebenserwartung wegen schwerer, unheilbarer Krankheit. Dann reicht im Zweifel auch ein Untersuchungstermin, das muss jedoch der entsprechende Facharzt bestätigen.
Sterbehilfe „ermöglichen, aber nicht fördern“
Der Gesetzesentwurf stellt außerdem das Werben für Sterbehilfe unter Strafe. Strafbar ist zum Beispiel, eigene Sterbehilfe öffentlich, in Versammlungen oder durch die Verbreitung von Schriften zu bewerben. Es ist auch verboten, bestimmte Verfahren und Mittel zur Selbsttötung anzupreisen. Davon ausgenommen sind Ärzte oder Beratungsstellen, die Menschen mit dem Wunsch auf Suizid-Beihilfe beraten oder die entsprechende Sterbehilfe anschließend durchführen. Zudem dürfen Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen darauf hinweisen, dass sie gemäß Paragraf 217 Sterbehilfe leisten.
„Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern. Sonst würde der äußere Druck zunehmen, sich auf diese Weise das Leben zu nehmen, und dieser würde verletzliche Gruppen besonders treffen“, sagte Castellucci in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Der Zugang zum assistierten Suizid dürfe nicht leichter sein als zu palliativer Versorgung, sagte er. „Der Staat darf niemandem den Eindruck vermitteln, überflüssig zu sein.“
Hilfe bei Suizidgedanken
Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.
Neben Castellucci sind auch andere kirchennahe Parlamentarier an dem Entwurf beteiligt. So zum Beispiel der kirchenpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, der kirchen- und religionspolitische Sprecher der Union, Thomas Rachel, der ehemalige religionspolitische Sprecher der FDP, Benjamin Strasser, und der FDP-Politiker und ehemalige Militärpfarrer Pascal Kober. Auch der ehemalige religionspolitische Sprecher der Union, Hermann Gröhe (CDU) und Kerstin Griese (SPD), die Mitglied im Rat der EKD ist, gehören zu den Unterzeichnern.
Mehr Hilfe und Beratung zur Suizidgedanken
Die Politiker fordern zusammen mit dem Entwurf für aktive Sterbehilfe in einem Antrag auch bessere Suizidprävention. Belgien, die Niederlande oder die Schweiz, wo Sterbehilfe bereits erlaubt ist, wiesen deutlich höhere Suizidraten in der Bevölkerung auf, heißt es in dem Antrag. Deshalb müssten Beratungs- und Hilfsangebote ausgebaut werden.
Ein erleichterter Zugang zum assistierten Suizid dürfe nicht dazu führen, dass Menschen Sterbehilfe in Anspruch nehmen, die das sonst nicht getan hätten. Es dürfe bei Alten und Kranken auch nicht der Eindruck entstehen, sie müssten Sterbehilfe in Anspruch nehmen, um das Gesundheitssystem zu entlasten.
Die Politiker wollen deshalb den Zugang zu Suizidmitteln stärker einschränken und ermöglichen, dass Menschen mit Suizidgedanken offen darüber sprechen können, ohne Angst vor Stigmatisierung zu haben. Zudem müsse besser erkannt werden, wenn Menschen über einen Freitod nachdenken. Konkret könnten zum Beispiel Armutsbekämpfung, soziale Unterstützung und Maßnahmen gegen Vereinsamung helfen, Suizidgedanken vorzubeugen. Außerdem brauche es Beratungs- und Behandlungsangebote, die leicht erreichbar sind und sich an die jeweiligen Alters- und Zielgruppen richten. Auch eine gute Unterstützung am Lebensende, zum Beispiel durch Hospize, sei wichtig. Die Politiker empfehlen zudem Fort- und Weiterbildungen für Ärzte und Therapeuten in dem Bereich.
Sollten Sie selbst von Suizidgedanken betroffen sein, suchen Sie sich umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner unter: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
2 Antworten
Bevor hier wieder das Landeskirchenbashing losgeht oder „die CDU ist auch nicht mehr, was sie mal war“ oder dergleichen: Sofern ich es richtig in Erinnerung habe, ist der Gesetzgeber wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet, Sterbehilfe zu ermöglichen, und es geht in dem Entwurf wohl darum, dieses Urteil möglichst vorsichtig umzusetzen.
Mir wird gruselig, wenn die Vormundschaft bei alten Menschen mangels angehöriger dann in Staatshände fällt… einfach gruselig.