Das religiöse Vertrauen in eine höhere Macht und tägliches Gebet als Ressource im Alltag nahmen vom ersten Lockdown bis zur vierten Infektionswelle Ende des Jahres 2021 deutlich ab. Das ist ein zentrales Ergebnis der Forschungen von Mediziner Arndt Büssing. Durch die Corona-Pandemie haben sich viele Menschen verstärkt einsam gefühlt. Das erklärte er im Rahmen des Christlichen Gesundheitskongresses. Angststörungen hätten um 26 Prozent und schwere Depressionen um 28 Prozent zugenommen, habe ein internationales Forscherteam im vergangenen Herbst herausgefunden.
Büssing leitet den Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der Universtität Witten/Herdecke. In verschiedenen Studien und Untersuchungen erforschte er zusammen mit anderen Wissenschaftlern, wie sich die Corona-Pandemie auf Leben und Wohlbefinden der Menschen auswirkt. Stimmten zu Beginn der Krise noch um die 40 Prozent der Menschen zu, dass Gottvertrauen und tägliches Gebet sie stärke, waren es in der vierten Welle unter 30 Prozent, die in einer höheren Macht vertrauten und etwa 15 Prozent, die tägliches Gebet als Ressource nutzten. „Viele Menschen scheinen ihren Glauben verloren zu haben“, schlussfolgerte Büssing. Von diesen Menschen hätten sich zudem viele einsam und sozial isoliert gefühlt. Das Interesse an Spiritualität sei nach der zweiten Welle deutlich zurückgegangen.
Das könne zum Beispiel daran liegen, dass auch das Kirchen- und Gemeindeleben eingeschränkt war. Befragungen hätten gezeigt, dass viele Gläubige zudem enttäuscht waren, dass ihre Kirche oder Gemeinde keine Antworten oder zu wenig Zuspruch lieferten.
Das Gefühl der „geistlichen Trockenheit“ – also das Gefühl, von Gott vergessen zu sein, oder Gott im Alltag nicht zu erleben – habe sich zum Beispiel bei jungen Erwachsenen mit christlichem Hintergrund deutlich verstärkt. Knapp jeder vierte junge Christ gab in der Untersuchung an, sich vor der Pandemie hätten manchmal geistlich ausgetrocknet gefühlt zu haben; während Corona stieg dieses Empfinden an, sodass fast jeder Dritte davon berichtete. Von den jungen Menschen, die sich häufig so fühlten, sagten das vor der Krise 15 Prozent und während dieser 20 Prozent.
Erzwungene soziale Isolation wird stärker negativ empfunden
Büssing und sein Team untersuchten zudem über die vergangenen zwei Jahre, wie die Menschen Einsamkeit und soziale Isolation empfanden. Junge Menschen hätten die Einschränkungen durch Lockdowns und Corona-Maßnahmen stärker erlebt als andere Altersgruppen, sagte Büssing. Bei Älteren sei das Wohlbefinden besser gewesen. Das könne an der unterschiedlichen Lebenssituation liegen. Jüngere hätten sich oft am Ende ihres Studiums und am Beginn der Karriere befunden und wollten partnerschaftliche Beziehungen aufbauen. Die Corona-Beschränkungen hätten sie stärker als Einschränkungen ihres Alltags empfunden.
Die Untersuchungen zeigten zudem: Es mache einen Unterschied, ob soziale Isolation selbst gewählt werde, zum Beispiel als bewusste Auszeit. Oder ob sie von außen auferlegt werde wie durch die Lockdowns. Büssing unterschied zwischen „bewusster“ und „erlittener“ Einsamkeit. Wer ein geringeres Wohlbefinden habe, der könne auch die positiven Aspekte von Einsamkeit weniger gut wahrnehmen, als diejenigen, die sich wohl fühlten. Stille oder die Schönheit der Natur könnten dann zum Beispiel nicht als Bereicherung empfunden werden.
Perspektivlosigkeit erschöpft die Ressourcen
Die Mediziner stellten weiterhin fest, dass das Empfinden sozialer Isolation häufig nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmte. Mit der zweiten Corona-Welle im Herbst 2020 fühlten sich mehr als die Hälfte der Befragten einsam. Nach dem ersten Lockdown und vor dem Sommer 2020 waren das weniger als 20 Prozent. Gleichzeitig habe sich der Anteil der Menschen, die tatsächlich allein und als Single lebten, nicht verändert. Er lag von der ersten bis zur vierten Welle etwa bei 20 Prozent. Büssing erklärte das zunehmende Einsamkeitsgefühl damit, dass vielen Menschen bewusst gewesen sei, dass trotz entspannter Sommermonate die Normalität noch nicht wiedergekehrt sei und man weiterhin vorsichtig sein müsse. Das erkläre auch, warum die gefühlte Einsamkeit mit steigender Impfrate nicht deutlich sank.
Als Fazit der Untersuchungen sagte Büssing, wenn Menschen keine Perspektive auf Besserung hätten, erschöpften sich die Ressourcen, um mit einer Krise gut umzugehen. Religiöse Menschen begännen, mit ihrem Glauben zu kämpfen. Auch wenn dieser helfe, sich der positiven Seiten des Lebens bewusst zu werden, könne Spiritualität die negativen Folgen der Pandemie nicht vollständig abfedern.
Für die Glaubensgemeinschaften sei es wichtig, „Zurückgelassene“ zu unterstützen, innovative und niedrigschwellige Möglichkeiten der Begegnung zu entwickeln und aktiv auf Menschen zuzugehen. Büssing betonte den caritativen Auftrag der Religionsgemeinschaften. Zudem sei es wichtig, Sorgen und Bedürfnisse der Menschen stärker wahrzunehmen und ihnen zuzuhören. Es könne auch helfen, Ehrenämter zu fördern. Denn die Untersuchungen hätten gezeigt, dass Menschen, die in ihrer Gemeinde feste Aufgaben hätten, sich weniger einsam und seltener „geistlich ausgetrocknet“ fühlten.
6 Antworten
Es ist völlig klar, dass junge Menschen die Krise viel härter trifft als etwa einen 30jährigen oder noch älteren Menschen. Von mir persönlich kann ich bezeugen, dass mein Glaube auch in den Jahren der Pandemie gewachsen ist und ich hoffnungsfroher denn je in die Zukunft blicke. Das bedeutet nicht, dass ich erwarte, die irdischen Verhältnisse könnten besser werden. Nein, das denke ich überhaupt nicht. Eher ist zu erwarten, sie werden schlechter. Aber mit meinem Glauben kann ich alles überwinden! (Joh. 5,4) Von den Kirchen bin ich schon lange, eigentlich seit Beginn meines Christseins, enttäuscht. Deshalb möchte ich vielen Christen, die wahrhaftigen Glauben suchen, halt geben, u.a. mit meinem Blog: https://manfredreichelt.wordpress.com/
Und sie entscheiden, was der „wahrhaftige“ Glaube ist? Ich brauche keine Vermittler, wenn ich mich an Gott, unseren Vater im Himmel direkt wenden kann, dank unserem Bruder und Herrn Jesus Christus! Erst in dieser unmittelbaren Verbindung kann – wie jedes Vertrauen auch – wahrhaftiger Glaube wachsen.
Gott hat doch die Welt in der Hand – wenn wir sagen: Es muss im Leid alles an IHM vorbeigehen was mich persönlich betrifft – so kommt man schnell an den Punkt wo man sich verkalkuliert – was diese „Leidenszeit“ betrifft. Wir haben keinen Krieg – und keinen Menschen der uns „quält“ – es ist ein Virus der aussieht wie eine kleine Bombe. Und eine Zeit des Leidens.. Hygiene-Regeln.. warten, erneutes Impfen. Und es ändert sich ganz wenig. Wir beten um Gottes Hilfe – und eigentlich für die Forschungslabore – die Impfstoff-Hersteller – und zu wenig für uns persönlich. Geduld – neue Wege der Kommunikation und die Begegnung mit unserem Nächsten (Nachbarn – Bekanntschaft, die Verkäuferin im Laden) und das Gott uns am Leben erhält und wir fröhlich sein dürfen. meine Meinung !
Ist also doch nicht so weit her mit „Glaube gibt Halt und Hoffnung“, wie die Religionen immer behaupten.
Irgendwann ist die Dissonanz zwischen Glauben und Wirklichkeit wohl einfach zu groß.
Hallo Elvenpath, wenn man Gott und Glauben als Wunschkasten ansieht und Gebet als Weg, das zu bekommen, was man möchte, dann stimme ich Ihnen sogar zu. Aber Jesus hat nie gesagt, das wir im Glauben an ihn kein Leid erfahren. Im Gegenteil, er hat immer klar gesagt, das wir in dieser Welt Leid und Verfolgung erleiden werden. Über 300 Mio. verfolgte Christen weltweit sind das Statement unserer Welt dazu. Doch das diese Menschen im Leid Jesus unbeirrt nachfolgen ist ein unglaublich großes Zeugnis für die Existenz und Wirklichkeit Jesu. Denn er hat versprochen, dass er bei uns ist bis ans Ende aller Zeit uns uns Kraft gibt. Er gibt uns Halt und Trost und durch ihn dürfen wir eine persönliche Beziehung zu Gott haben. Das bietet keine andere Religion an – das ist sein Angebot an jeden Menschen. Kein Wettkampf der Religionen und kein „glaube nur, dann passiert Dir nichts“. Jesus hat selber mehr gelitten, als wir uns vorstellen können. Er ist der Weg und ein Trost für jeden, der sich das wünscht. Darum geht es – nicht mehr und nicht weniger.
Aus eigenen Erfahrungen und zur Ermutigung das folgende Gedicht.
Inmitten, du
Inmitten aller Geschäftigkeit,
du, der Ruhepol.
Inmitten beeindruckender Erfolge,
du, der Größere.
Inmitten Krieg und Terror,
du, der Frieden schenkende.
Inmitten unzähliger Angebote,
du, der Einzigartige.
Inmitten tiefstem Leid,
du, der Tröstende.
Inmitten Einsamkeit und Leere,
du, der Freudenbringer.
Inmitten turbulenter Zeiten,
du, der Sturmstiller.
Inmitten Schuld und Versagen,
du, der Vergebende.
Inmitten schmerzvoller Verletzungen,
du, der Heilende.
Inmitten Verzweiflung und Ausweglosigkeit,
du, der Hoffnung gebende.
Inmitten Krankheit und Tod,
du, der Lebendige.
Inmitten Ablehnung und Verfolgung,
du, der Gegenwärtige.
Inmitten weltweiter Umbrüche,
du, Derselbe.
Inmitten aller Zukunftsängste,
du, Jesus, der Kommende.
Peter Behncke