„Weniger“-Konferenz feiert gelungenes Debüt

Anders als in den Vorjahren fand die Konferenz des Gebetshauses Augsburg wegen Corona als reine Online-Veranstaltung statt. Anders war auch das Thema: Anstatt um „Mehr“, sollte es um „Weniger“ gehen. Ein Erfahrungsbericht.
Von Martin Schlorke
„WENIGER“-Konferenz

Ich knie vor meinem Schreibtisch. Die Augen sind geschlossen. Vor mir steht mein Laptop, aus dem ruhige und harmonische Klavierklänge zu hören sind. Eine sanfte Stimme fordert mich auf, mein Atmen wahrzunehmen, den linken Unterarm zu spüren und schließlich dem rechten Arm zu lauschen. Ich konzentriere mich und versuche den Anweisungen zu folgen. Doch mein rechter Arm schweigt, der linke Unterarm macht sich auch nicht bemerkbar und Ruhe will in meine Gedankenwelt auch nicht einkehren. Vielmehr höre ich in meinem Kopf unentwegt eine Stimme, die fragt: „Was machst du hier eigentlich?“

Es ist Samstagvormittag. Eigentlich sollte ich jetzt gerade auf Dienstreise in Augsburg sein. Das Gebetshaus Augsburg hat zur „Weniger“-Konferenz eingeladen. Doch wegen der anhaltenden Corona-Pandemie findet die Veranstaltung ausschließlich online statt. Für mich als Journalist bedeutet das: Keine Bahnfahrt nach Augsburg, keine Hotelübernachtung in der von Menschen überfluteten Stadt, aber auch keine Begegnungen, kein hautnahes Erleben der „Weniger“-Konferenz. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie habe ich aufgehört mitzuzählen, wie oft aus einer Präsenz- eine Onlineveranstaltung wurde. Ja, es mag für manche vielleicht bequemer sein, von der Couch, dem Küchentisch oder sonst wo zu arbeiten. Aber damit geht viel verloren, gerade bei einer Konferenz, bei der normalerweise Begegnung und Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielen.

Am Samstag startete nun also die erste „Weniger“-Konferenz in der Geschichte. Die Wahl für meinen Arbeitsplatz ist übrigens auf meinen Schreibtisch gefallen. Die Couch ist jedoch keine zwei Schritte entfernt – man weiß ja nie, wie sich eine mehrstündige Onlineveranstaltung entwickelt. An dieser Stelle kann ich aber bereits spoilern: Das Sofa habe ich nicht gebraucht.

Hartl wie immer, Programm kurzweilig

Nach einer interaktiven Begrüßung (über ein Portal konnte live angeben werden, von wo man die „WENIGER“-Konferenz verfolgt), und der Empfehlung, das Smartphone zwei Tage wegzulegen, beginnt der erste Konferenztag mit einer Zeit des Lobpreises. Das Moderatorenpaar lädt dazu ein, den Raum, von dem man zuschaut, zu einem „Gebetsraum“ zu machen. Klar, Corona und den unzählig erlebten Online-Gottesdiensten geschuldet, ist das nicht neu.

Und dennoch: Allein im Wohnzimmer Lobpreis zu machen, ist nicht das gleiche wie in den Messehallen in Augsburg. Ebenso fehlt am Bildschirm der Weihrauchduft, der sich bei vorherigen Konferenzen nach den katholischen Messen überall im Messegelände ausbreitete. Der Erzgebirger in mir konnte aber immerhin dahingehend Abhilfe schaffen: Nach Weihnachten sind die Räucherkerzen-Lager der Duftrichtung „Weihrauch“ noch gut gefüllt und verbreiten immerhin ein „Gebetshauskonferenz-Gefühl-light“.

Inhaltlich steht die „Weniger“-Konferenz vorangegangenen Veranstaltungen des Gebetshauses in nichts nach. Hartl liefert bei gleich drei Vorträgen in bekannter Hartl-Manier ab: Bunt, lehrreich, kurzweilig und anschaulich. Wobei sich „bunt“ sowohl auf seinen typischen Kleidungsstil, als auch auf sein farbenfrohes Schaubild bezieht, das fast schon so legendär wie die Tafelnummer des ZDF-Satirikers Claus von Wagner ist. Einzig der Fokus ist in diesem Jahr ein anderer, wie Hartl erklärt. Wer mehr von Gott will, müsse bei anderen Dingen Abstriche machen. Konkret bedeute das weniger Ablenkung und weniger Lärm. Damit trifft er natürlich einen Nerv unserer Zeit – auch bei mir. Mein Smartphone lege ich dennoch nicht zur Seite. Schließlich muss ich ja arbeiten, denke ich mir mehr als Ausrede denn als überzeugendes Argument.

Weniger bietet die Konferenz insgesamt eher nicht, dafür sind die zwei Tage mit (spannenden) Vorträgen, Lobpreiszeiten und praktischen Übungen viel zu vollgepackt, weswegen auch das Sofa zu keinem Zeitpunkt eine Option ist. Aber die Konferenz bietet eine Anleitung, wie „Weniger“ im Alltag gelingen kann.

Als ich nun aber kniend in meinem Wohnzimmer auf das höre, was mir meine Arme zu sagen haben, ist es mir doch zu leise. Oder sind meine Gedanken zu laut? Ich öffne die Augen, blicke auf meinen Bildschirm und sehe, wie Hartl in knallrotem Rollkragenpullover selbst kniend auf der Bühne die nächsten Anweisungen gibt. Während ich mich frage, was wohl gerade die anderen 10.000 Zuschauer denken, beschließe ich, dem ganzen noch eine Chance zu geben.

Schließlich erklärt Hartl gerade, dass bereits die ersten Mönche in Ägypten ihren Gebetsrhythmus mit ihrem Atem verbunden haben. Dieses Wahrnehmen des eigenen Körpers sei außerdem eine Vorstufe des Gebets. Dann muss es ja gut sein, denke ich mir und schließe erneut meine Augen, um auf meinen Körper zu hören.

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5 Antworten

  1. „Wer mehr von Gott will, müsse bei anderen Dingen Abstriche machen.“
    Und zuerst und vor allem: Abstriche an der Bildschirm-Zeit.

    Wie dramatisch die Folgen von „Online“ sind, kann man auch in der „Zeit“ lesen:
    >>Jugendliche und Social Media: Jüngere Menschen haben Probleme, die Emotionen anderer wahrzunehmen. Social Media und digitale Kommunikation bestimmen den Alltag und überfordern uns.<<

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  2. „Schließlich erklärt Hartl gerade, dass bereits die ersten Mönche in Ägypten ihren Gebetsrhythmus mit ihrem Atem verbunden haben. Dieses Wahrnehmen des eigenen Körpers sei außerdem eine Vorstufe des Gebets.“
    Zu solchen Übungen fallen mir alle möglichen esoterischen, religiösen und okkulten Übungen ein, aber keinesfalls ein christliches Gebet, so wie es uns der Herr Jesus Christus gelehrt hat.

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  3. „Weniger“, ja und damit die Besinnung auf das Vaterunser:
    Unser tägliches Brot gib uns heute.
    Matthäus 6,11

    „Brot“ steht für Grundbedürfnisse!

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  4. Lieber Martin Schlorke,
    ich möchte Ihnen zurück melden, dass ich Ihren Bericht echt herzlich und auch mit einer Prise Humor richtig prima und lesenswert fand.
    Unsere Tochter hat voriges Jahr — oder schon 2020 ? In Präsenz an einer Tagung mit Hartl in Augsburg teilgenommen; wenn sie, die sonst ausgesprochen kritisch und überaus skeptisch gegen alles, was auch nur nach „Esoterik riecht“, nicht so lebendig und gewinnbringend
    davon erzählt hätte, — hätte ich vielleicht auch ( vorschnell)🤫😟) so geurteilt, wie das bei Lothar Freerksema zu lesen war

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