Mittendrin statt nur dabei: Besuch in der Weihnachtskrippe dank Virtual Reality

Zu Weihnachten gehört für viele Familien eine Krippe: Das Jesuskind im Stall, umringt von Maria und Josef, Hirten, Ochs und Esel. In einem Museum kann man nun eine Krippe sogar selbst betreten. Die Virtual Reality-Technik macht's möglich.
Von Jörn Schumacher

Eine Weihnachtskrippe nicht nur von außen betrachten, sondern in sie einsteigen und den Figuren in Lebensgröße gegenüberstehen – das erlaubt die virtuelle Krippe im Egerland-Museum in Marktredwitz im Fichtelgebirge. Wer die Virtual-Reality-Brille aufsetzt, wird tatsächlich von jetzt auf gleich in die Krippe versetzt, und er kann den Figuren rund um das Geschehen in Bethlehem einen Besuch abstatten. Das Jesuskind, aber natürlich auch Ochs und Esel, die Hirten mit ihren Schafen und noch viel mehr Figuren, stehen in Lebensgröße vor einem, als wäre man dort. In der Luft schwebt sogar ein Engel, der über alles wacht und die Frohe Botschaft verkündet.

Foto: Jörn Schumacher
Die Krippenfiguren sind derart detailliert fotografiert, dass sie lebensgroß erscheinen. Als Vorlage dienten echte Figuren.

Der Besucher der virtuellen Welt, die von einem leistungsstarken Computer erzeugt wird, kann jede Figur sogar anheben und umstellen. Egal, wer die 3D-Krippe zum ersten Mal betritt: Das Erstaunen ist jedes Mal groß. Auch ältere Menschen haben kaum Probleme, mit der neuartigen Krippe zurechtzukommen. Ein Angestellter des Museums setzt jedem Besucher die VR-Brille behutsam auf und erklärt die Fortbewegung mittels Controller in den Händen. Die meisten sind erst einmal stumm vor Erstaunen, dann entspringt vielen ein „Wow“, wenn sie vor den Figuren stehen. „Zum ersten Mal stehe ich in einer Krippe, statt nur davor“, sagt ein älterer Herr, der soeben die virtuelle Krippe mittels Headset betreten hat. „Eine Figur, die in der Wirklichkeit vielleicht nur zwölf Zentimeter groß ist, steht plötzlich in Lebensgröße vor mir. Das ist für viele schon beeindruckend“, sagt der Erfinder der VR-Krippe, Stefan Frank, gegenüber PRO.

Altes Kulturerbe mit moderner Technik fortgesetzt

Es handelt sich um die digitalen Scans sehr alter Krippenfiguren, die aus dem Bestand des Egerland-Museums stammen, sowie aus privaten Krippen. Von jeder einzelnen Figur wurden 400 Fotos gemacht, die dann mit einer Software zu einem 3D-Modell zusammengesetzt wurden. Die Detailtreue war den Initiatoren wichtig, handelt es sich bei der Marktredwitzer Krippenkultur doch um eine über 130 Jahre alte Tradition, die in diesem Jahr ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Die VR-Krippe im PRO-Video

Die Sammlung im Egerland-Museum umfasst einige tausend Figuren, erklärt Museumsdirektor Volker Dittmar gegenüber PRO. Beim alljährlichen „Krippenweg“ besuchen sich die Bewohner der Region zur Weihnachtszeit gegenseitig und bewundern die Krippen der anderen Familien. Auch heute noch – wenn nicht gerade Corona ist – kann man mit einem Flyer durch den Ort wandern und die rund 30 eingezeichneten Krippen der verschiedenen Familien besichtigen. Nun gehört auch die virtuelle Krippe dazu, und die Verantwortlichen sind stolz darauf, die uralte Tradition mit der Technik des 21. Jahrhunderts fortzuschreiben, sagt Dittmar.

Foto: Jörn Schumacher
VR-Brillen werden immer beliebter: Auch ältere Menschen finden sich in der Krippe sofort zurecht.

Der Museumsleiter und Experte für Weihnachtskrippen erklärt: Eigentlich ist der Krippenbau eher bekannt aus den katholischen Regionen Bayerns, aber Marktredwitz ist seit 1560 protestantisch. Doch ab dem 19. Jahrhundert übernahmen die Marktredwitzer die Krippentradition, und dabei entstand eine bunte Vielfalt an Krippen, die nun der Besucher im Egerland-Museum in Schaukästen bewundern kann. „Ähnliche Kulturen gibt es in anderen evangelischen Gegenden wie Nordböhmen und dem Erzgebirge, wo man sich dem Heilsgeschehen der heiligen Nacht widmet“, sagt Dittmar. Das Jesuskind stehe dabei natürlich immer im Zentrum der Krippe, doch drumherum gebe es eine eher typisch bayerische Szenerie. „Die bayerische Berglandschaft war der Sehnsuchtsort der damaligen einfachen Bevölkerung, in einer Zeit, in der der Tourismus und die Bahnfahrt langsam aufkamen.“ Wer sich eine „Sommerfrische“ nicht leisten konnte, träumte an der Krippenlandschaft vom Ausflug in die Berge.

Dittmar war für das VR-Projekt sehr schnell zu begeistern, sagt er. So könnten auch jüngere Menschen erreicht werden. „Heutige Jugendliche sind oft dem Gaming verfallen, und die haben einen leichten Zugang zur virtuellen Krippe.“

Bei größeren Figuren, etwa beim Bauern mit seinem Pferdegespann, mussten sogar 1.800 Fotos erstellt und zu einem 3D-Modell verarbeitet werden. „Ich sehe nun Details direkt vor dem Auge, kleine Makel, Risse und Kratzer, die ich bei den echten Figuren auf Entfernung gar nicht sehen kann“, sagt Dittmar. Außerdem wurde immer der echte Maßstab mit abgespeichert. Ein erfreulicher Nebeneffekt: Das Museum verfügt nun über eine Datenbank von historischen Figuren mit den exakten Maßen, so dass man sie eines Tages daraus wieder reproduzieren könnte.

Schwindelgefühl am Rand des virtuellen Berges

Es handelt sich um die wahrscheinlich einzige VR-Krippe weltweit, sagt Stefan Frank, der vor fünf Jahren die Idee hatte und diese mittels Fördergelder in Höhe von 80.000 Euro und viel Kleinarbeit umsetzen konnte. Eigentlich sollte das weihnachtliche Wunderwerk der Technik bereits im Advent 2020 der Öffentlichkeit präsentiert werden, doch wegen Corona ging das nicht. Und auch jetzt ist der Besuch im Museum stark eingeschränkt.

Foto: Jörn Schumacher
Ochsen, Ziegen – und noch viel mehr: Die VR-Krippe im Museum Marktredwitz.

Erst rund zwei Dutzend Menschen haben die virtuelle Krippe im Museum Marktredwitz besucht. „Doch wir wollen die Menschen außerhalb des musealen Kontextes erreichen“, sagt Frank. Die ganze Anlage ist mobil, alles passt in drei Rollkoffer und kann in 15 Minuten aufgebaut werden. Geplant ist, damit in Kirchen zu gehen, in Schulen und zu Veranstaltungen.

Zur Tradition der Marktredwitzer Krippen gehören auch kleine Szenen um das eigentliche Geburtsgeschehen herum, erklärt Frank. „Stickler“, sagt man im Bayerischen, kleine Geschichten, die für das Fichtelgebirge typisch sind. Da gibt es Handwerker, Landwirte, Jäger oder auch Touristen. Auch das ist in der VR-Krippe vielfältig zu finden: Da begegnet dem Besucher auf dem Bergweg ein Mann, der Rast macht und sich den Schweiß von der Stirn wischt.

„Als der Schwitzer damals das erste Mal erfunden wurde, wusste jeder im Dorf, wer das sein sollte“, lacht Frank. Es gibt einen Landschaftsmaler, der die Berglandschaft abmalt, viele Tiere: Kühe, Schafe, Steinböcke, Ziegen. Auch eine Kapelle auf dem Berggipfel kann man besuchen. „Als ich selbst zum ersten Mal am Rande dieser virtuellen Berge stand und hinunterschaute, war ich selbst beeindruckt, ich bin es jedes Mal wieder“, sagt Frank. Auf dem Berg gibt es zudem einen Gasthof, vor dem Personen in Trachtenkleidung eine Brotzeit halten, andere tanzen Schuhplattler, eine Blaskapelle spielt Musik.

Foto: Jörn Schumacher
Analog und digital: Auch reale Krippenfiguren lassen sich im Museum bewundern.

Aber auch viele biblische Bezüge hat Frank in die begehbare virtuelle Welt eingebaut. Das Paradies kommt in der VR-Krippe vor, Adam und Eva und die Schlange. „Denn da hat ja alles angefangen“, sagt Frank. Auch Maria auf einem Esel auf der Flucht kann man hinter einem Berg in einer Art Wüstenlandschaft finden. Und zu allem gehört der passende Sound, den Frank für jede Figur ersonnen hat. Dass man die Tiere hört, die Kirchenglocken und die Blasmusik, gehört einfach zu einem immersiven Erlebnis dazu, also zum Gefühl, wirklich vor Ort zu sein, das die VR-Technik auf so beeindruckende Weise erzeugen kann.

„Der Clou“, ergänzt Museumsleiter Dittmar, „ist, dass die Landschaft jederzeit frei modelliert werden kann. Ein Schülergruppe etwa kann die Krippenlandschaft ganz neu erstellen und die Krippenfiguren neu platzieren.“ Und er fügt schmunzelnd hinzu: „Man fühlt sich ein bisschen wie der liebe Gott, der die Welt erschafft. Und danach kann man selbst durch die Landschaft spazieren. Und man denkt sich: Siehe, es ist alles gut.“

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Eine Antwort

  1. Wer in der virtuellen Realität eine Kirche mit Gottesdienst besuchen will, kann dies mit der VRBrille und über AltspaceVR tun, Alspace geht auch ohne Brille über Monitor.
    VR Kirche Gottes Lamm
    deutschsprachige evangelische freie Kirche in der virtuellen Realität von AltspaceVR, ihr seids alle Herzlich eingeladen.
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