Laut einer neuen Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ waren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gut jeder Dritte schon Opfer von Mobbing. Tatort ist in vielen Fällen das Arbeitsumfeld. Diese Zahlen präsentierte Uwe Leest vom „Bündnis gegen Cybermobbing“ gemeinsam mit den beiden Mitautoren Franz Beitzinger und Daniel Süss.
Die Forscher konstatierten, dass Frauen 1,4 Mal häufiger Opfer von Mobbing seien als Männer. Beim anonymeren Cybermobbing gebe es dagegen nur noch geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Als bedenklich stuften sie ein, dass die junge „Generation Smartphone“ ihre Verhaltensweise mit in die Arbeitswelt nehme. Hier gelte es, gegenzusteuern und dafür zu sensibilisieren: „Aus dem Phänomen Cybermobbing ist ein Problem geworden.“
Neben Jugendlichen seien von Mobbing und Cybermobbing besonders Menschen im sozialen Bereich und in Service-Berufen betroffen. Durch die Pandemie habe das Mobbing im Bereich der Arbeits zwar abgenommen, dafür werde mehr im privaten Umfeld gemobbt. Am häufigsten komme es dabei zu Ausgrenzung. Viele würden aber auch massiv kritisiert oder gehänselt. „Die Vielfalt des Mobbens hat zugenommen“, erklärte Leest.
Zu wenige reagieren auf Mobbing
43 Prozent der Betroffenen hätten nach einem Mobbing-Vorfall mit Familie und Verwandten gesprochen, jeder Fünfte dagegen gar nichts unternommen. Auf Mobbing im privaten Umfeld habe jeder Dritte nicht reagiert. 22 Prozent hätten versucht, den Täter zur Rede zu stellen. Im beruflichen Umfeld wurde als häufigste Ursache für Mobbing „Anderes Verhalten als andere es wollen“, genannt, aber auch die „eigene Persönlichkeit“ liegt unter den drei wichtigsten Mobbing-Gründen.
Wer mobbe, handele oft aus Vergeltung. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten hatten Ärger mit der betroffenen Person. 47 Prozent sagen, dass die Person das Mobbing verdient habe, und 45 Prozent mobbten zum Spaß. 26 Prozent der Befragten gaben an, aufgrund ihrer Glaubens- und Religionszugehörigkeit gemobbt zu werden. Fast die Hälfte der Betroffenen klage über Persönlichkeitsveränderungen und Depressionen. Circa 16 Prozent stuften sich als selbstmordgefährdet ein.
Opfer strebten stärker den Wechsel in eine andere Abteilung an oder des aktuellen Arbeitgebers an, erklärten die Forscher. Leest verwies auf massive Folgen dieser Befunde für Arbeitgeber. Zudem wiesen Mobbing-Opfer jährlich bis zu fünf Fehltage mehr auf. Jeder vierte von Mobbing betroffene Befragte habe sich in ärztliche oder therapeutische Hilfe begeben, im Bereich Cybermobbing seien es 18 Prozent.
Zudem habe das Mobbing enormen Einfluss auf die subjektive Lebensqualität der Opfer. Bisher gebe es nur in wenigen Unternehmen Präventionsmaßnahmen, aber es sei eine positive Entwicklung erkennbar. Allerdings werde bisher nur jede fünfte Führungskraft für den Umgang mit solchen Problemen geschult.
Ist die Würde wirklich unantastbar?
Die Befragten wünschten sich ein härteres Vorgehen seitens des Gesetzgebers gegen Mobbing und Cybermobbing. Dafür plädierte auch Leest: eine gesetzliche Lösung würde klare Leitlinien für Opfer und Täter schaffen. Außerdem müsse eine frühestmögliche Prävention stattfinden. Leest warb sowohl im Arbeitsumfeld als auch im privaten Bereich für einen respektvollen Umgang miteinander. Zudem bräuchten Betroffene die Möglichkeit einer anonymen Hotline zur Beratung.
„Grundsätzlich müssen wir uns als Gesellschaft die Frage stellen, wie wir mit der Meinungsfreiheit und der Würde des Menschen umgehen und ob sie wirklich unantastbar ist“, bilanziert er. Der Zürcher Professor Daniel Süss machte deutlich, dass es darum gehe, die Zahl der Täter rasch zu identifizieren und zum Umdenken zu bewegen. Außerdem sei zu verzeichnen, dass sich Männer „weniger schnell Hilfe holten“.
Die standardisierte und repräsentative Online-Befragung im deutschsprachigen Raum fand vom 2. bis 11. August statt. Daran nahmen 4.000 Personen – 2.000 Deutsche und jeweils 1.000 Österreicher und Schweizer – zwischen 18 und 65 Jahren teil. Das „Bündnis gegen Cybermobbing“ existiert seit 2011. Laut eigener Aussage ist es ein Netzwerk von engagieren Eltern, Pädagogen, Juristen, Medizinern und Forschern und möchte die Öffentlichkeit mit verschwenden Projekten für das Internet als Tatort sensibilisieren.