„Wo die Kirche anecken müsste, duckt sie sich weg“

Der Synodale Weg möchte die Katholische Kirche reformieren. Die Reformen gefallen nicht allen Gläubigen. Sie wünschen sich einen missionarischen Aufbruch der Kirche. Der gelinge mit dem Synodalen Weg nicht, sagt der Publizist Bernhard Meuser, einer der Kritiker.
Von Johannes Blöcher-Weil
Bernhard Meuser

PRO: Die Synodalversammlung, das oberste Gremium des „Synodalen Wegs“ tagte Anfang Oktober zum zweiten Mal. Sie vereint Laien, Bischöfe und andere Hauptamtliche, um Reformen in der Katholischen Kirche voranzubringen. Sie, Herr Meuser, gehören zu einer Initiative, die mit dem „Reform-Manifest“ einen anderen Entwurf verfolgt. Wer steht dahinter?

Bernhard Meuser: Wir sind eine Gruppe von katholischen und mittlerweile auch evangelischen Christen, die die Zukunft der Kirche in der Neuevangelisierung sehen. Unter uns sind Theologen, Philosophen, Anthropologen und Publizisten. Wir glauben, dass uns das biblische Evangelium aufruft, Widerstand zu leisten gegen die Reformen. Sie führen von Jesus weg und decken die eigentlichen Probleme zu.

Worin liegt aus Ihrer Sicht der Kern der Krise?

Der Mühlstein um den Hals beider Kirchen ist der sexuelle Missbrauch. In der Katholischen Kirche liegt die Besonderheit darin, dass es viele gleichgeschlechtliche Übergriffe auf Jungen im nachpubertären Alter gab – nicht in erster Linie auf Kinder. Dass die Zahlen außerhalb der Kirche weitaus größer sind, muss außer Betracht bleiben. Christen müssen Sünde mit allen Mitteln bekämpfen, auch wenn davon leitende Mitarbeiter betroffen sind. Sie darf nicht verallgemeinert werden, als hätten alle Christen oder Katholiken daran Anteil, etwa durch eine den Missbrauch fördernde Sexualmoral.

Sie wollen nicht, dass der Missbrauch nicht für eigene Zwecke missbraucht wird. Was ist dabei die größte Gefahr?

Dass die Kirche ihre Altlasten immer weiter mit sich herumschleppt und damit den Menschen den Weg zu Jesus verstellt. Das wäre eine Horrorvorstellung. Denn das ist der eigentliche Auftrag der Kirche.

Sie sind gar nicht gegen prinzipielle Reformen: Welche Reformen der Kirche tragen sie mit?

Wir sind sogar für Reformen, die noch tiefer greifen. Denn in der Tat leidet die Verkündigung ja nicht nur unter den Taten weniger Einzeltäter. Wir sind trotz riesigem Kirchenapparat und hunderttausenden Angestellten weithin abgesunken in die geistliche Unfruchtbarkeit. Es könnte sein, dass wir noch einmal mit Offenbarung 15 konfrontiert werden und uns zu viel Lauheit vorgeworfen wird. Gleichzeitig entsteht das Neue: Menschen, die sich um das Wort Gottes versammeln und es mit der persönlichen Umkehr ernst nehmen. Deswegen wollen wir einen „neuen Anfang“ und nicht zu alten Routinen zurück.

Wo ist bei ihnen eine „Rote Linie“ überschritten?

Bei groß angekündigten Reformprojekten, auf denen es Reden, Papiere, Schnittchen und Fahrtkostenerstattung gibt, aber kein Ruck durch die Kirche geht. Wir bezeichnen die Maßnahmen des Synodalen Wegs als „Pseudo-Reformen“. Äußerliche und strukturelle Reformen sollen verhindern, dass die eigentlichen geschehen. Der Synodale Weg ist strukturkonservativ, populistisch und biedert sich an den Mainstream an. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat von der „billigen Gnade“ gesprochen. Dort wo die Kirche anecken müsste, beispielsweise beim Thema Lebensschutz und beim Schutz der Familie, duckt sie sich weg.

Bei den Reformen des „Synodalen Wegs“ geht zum Beispiel um die Frage, ob Frauen Priesterinnen werden dürfen. Warum sind Sie gegenüber der Ordination von Frauen skeptisch?

Weil es biblisch ist. Das Volk Gottes ist die Braut, Christus der Bräutigam. Es ist altkirchliche Auffassung, dass nur noch Christus „Priester“ im eigentlichen Sinn ist. Der ihn am Altar zeichenhaft vertritt, sollte ein Mann sein. Das hat die Kirche nicht nur aus einem kulturellen Vorurteil herausgetan. Nirgendwo in der ganzen Antike wurden Frauen gründlicher in ihrer Würde erkannt, als im Umfeld Jesu

Auch in der Bewertung der Ehe sehen Sie eine Entwicklung zum kulturellen Mainstream?

Ja. Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen. Noch immer gilt, dass ein Mann Vater und Mutter verlässt und sich an seine Frau bindet, um ein Fleisch mit ihr zu werden. Jesus hat das in Matthäus 19,6 bekräftigt: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Diese Verheißung gilt nicht für Formen sexueller Selbstverwirklichung, in denen kein Einswerden im Fleisch möglich ist. Nun muss die Kirche freilich lernen, dass Menschen verletzt und verletzbar sind und auf schweren Wegen – oder auch gar nicht – zu ihrer Identität als Mann und Frau finden. Sie auszugrenzen wäre eine große Sünde.

Sie bemängeln auch, dass dem Synodalen Weg die kirchenrechtliche Legitimation fehlt… Was meinen Sie damit?

In der Katholischen Kirche kann jede Ortskirche offiziell eine „Synode“ beantragen. Das ist sinnvoll. Bei einer Synode ist die Weltkirche immer eingebunden, damit die Kirche xy nicht aus der Einheit herausfällt. Die deutschen Betreiber haben aber getrickst, indem sie von einem „Synodalen Weg“ sprechen. Damit wollen sie Rom signalisieren, dass nichts Böses passiert. Den Gläubigen in Deutschland bekunden sie, dass „sie wacker bindende Beschlüsse“ fassen. Alle können sich wild aufregen und an einer Traumkirche herumschrauben. Am Ende ist es geplante Frustration. Rom wird einkassieren, was nicht mit der Lehrmeinung übereinstimmt. Viele werden die Kirche verlassen, weil man ihnen falsche Hoffnung gemacht hat, sie könnten mehrheitlich bestimmen, was die Kirche ist.

Was macht der Synodale Weg in Ihren Augen sonst noch falsch?

So merkwürdig das von ihren Vorkämpfern inszeniert wurde, denen es wohl vornehmlich um den Erhalt der Struktur ging, so undurchsichtig und strategisch vorgeplant läuft das Ganze ab. Leute der richtigen Denkart werden in Stellung gebracht. Beschlüsse werden im Eiltempo durch das Plenum gejagt. Treten die „Falschen“ auf, gehen rote Karten in die Luft. Es herrscht ein Klima wie auf einem Parteitag der Linken. Ich wünsche mir einfach mehr geistliche Tiefe in den Reformen und dass die Kirche weniger Zeitgeist atmet.

In der Berichterstattung scheint der Synodale Weg ganz gut wegzukommen.

Eindeutig. Die kirchlichen Medien sind in der Hand der Institution Kirche. Säkulare Journalisten glauben den Offiziellen, dass es jetzt aber mal wirklich um fundamentale Reformen geht und dass man das notfalls mit erhobener Faust gegen Papst Franziskus durchsetzen müsse. Die Reformer fordern ja auch nur, was die Medien selbst auf dem Panier haben, etwa die gesamte LGBTQI-Agenda. Besonders linke Journalisten finden es cool, wenn einige Synodalen wollen, dass man Gott künftig G*tt schreibt.

Wie groß ist ihre Angst vor einer weiteren Spaltung der Kirche?

Sehr groß. Es gibt mehrere Szenarien: Rom wehrt ab, was in Deutschland „verbindlich beschlossen“ werden soll. Dann kann es zu einer Abspaltung und einer Sonderkirche kommen, so revolutionär aufgeladen sich das Ganze gerade darstellt. Es könnte aber auch sein, dass Rom aus seiner derzeitigen Schwäche heraus nicht reagiert. Das könnte zu einem „schmutzigen Schisma“ führen, ohne eine klare Linie der Bischöfe. Dann werden sich die Gläubigen „ihre“ Bischöfe und Priester aussuchen und die anderen als Häretiker und Abtrünnige meiden. Oder Rom und die Bischöfe in der Weltkirche rufen die deutsche Kirche zur Ordnung und es gibt eine Kehrtwende mit Neuanfang.

Ist der Synodale Weg zu rebellisch und ungehorsam?

Ja. Und auch bestimmte Bischöfe sind es. Für Katholiken ist das schon ein Hammer, wenn ein Bischof jetzt sagt: „Wir sind Volk Gottes und können nur Licht der Welt sein, wenn wir mit den Tränen und den schwierigen Lebenssituationen so vieler Betroffener wirklich ernst umgehen, deshalb kann man auch vom Lehramt der Betroffenen sprechen. Es ist die Lehre, die sie in die Nähe Jesu rückt. Dieses ist das einzige wirklich unfehlbare Lehramt.“ Was Lehre ist, steht in der Bibel und in den gemeinsamen Lehrdokumenten der Kirche. Wo kommen wir hin, wenn alle Betroffenen dieser Welt sagen, was Sache ist?

Was ist ihr Lösungsansatz?

Vor Jahren gab es ja schon einmal das „Mission Manifest“. Darin ging es zentral um das Ende der Betreuungskirche und darum, „Jesus in die Mitte“ zu stellen. Das ist auch aus meiner Sicht der einzige ökumenisch vertretbare Weg in die Zukunft. Um Jesus herum entsteht Jüngerschaft, Freundschaft mit dem Herrn, die vom Geist Jesu geprägt ist und „missionarische Jüngerschaft“ sein muss, wie es Papst Franziskus in „Evangelii Gaudium“ sagt. Früher hat man von praktizierenden Christen gesprochen. Das hat nur passive Kirchenkonsumenten hervorgebracht. Es wurde akzeptiert, sich sonntags im Gottesdienst blicken zu lassen. Der Rest war der Job der Pfarrer und Hauptamtlichen. Die neuen Thesen des „Reform-Manifests“ sind in einem längeren Prozess entstanden, den wir im Gebet begleitet haben.

Wie kann Kirche wieder positive Schlagzeilen produzieren?

Durch radikale Selbstkritik. Und zwar derjenigen, die in Verantwortung waren. Als Papst Franziskus gewählt wurde, hatte er vorher von der großen Krankheit der Kirche gesprochen, „dass sie permanent um sich kreist.“ Er nannte das „Autoreferencialidad“ – Selbstbezogenheit. Also da ist doch ein Weg ins Freie und in den Dienst an den Menschen …

Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft der Kirche?

Geistlich bin ich gerade ziemlich im Lot. Christus hat gesiegt und wird siegen. Seinen strategischen Plan kenne ich noch nicht. Ich bin aber sehr neugierig.

Vielen Dank für das Gespräch.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

3 Antworten

  1. Meuser hat die Knackpunkte benannt, der „synodale Weg “ ist eine Sackgasse !
    In meinen kühnsten Träumen sehe ich „bibeltreue “ Katholiken Hand in Hand mit traditionellen Evangelikalen den schmalen Weg gehen !

    1
    0
  2. Ein Mensch mit furchtbar unfreundlichen und hartherzigen Ansichten… Es ist bedauerlich, dass solche Menschen in einer KIRCHE so viel zu sagen haben. Bei dem Satz „Es führt zu weit, wenn alle Betroffenen dieser Welt mitreden möchten“ habe ich dann endgültig aufgehört, dieses Interview zu lesen.
    Ja, lieber Stammtischbruder, ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass SIE von einem gemeinsamen Weg mit dieser menschen-geringschätzenden Haltung träumen! Wo käme man denn da hin, wenn man auf einmal auf Betroffene Rücksicht nimmt? Männliche Machtgier hinterfragt? Machtsichernde Hierarchien auflöst? Frauen genauso wertschätzt wie Männer? NEIN, so etwas geht gar nicht. Da müsste man ja Buße tun, um Vergebung bitten, sein Denken verändern, das einem so viele Jahre ein gutes, bequemes Leben beschert hat…
    Spoiler, da Sie das offenbar noch nicht wussten: der „schmale Weg“, von dem Jesus spricht, hat nichts mit Ihrem Drang, sich Abszusondern, nichts mit dem Sich-über-andere-Stellen oder mit Hartherzigkeit zu tun. Sondern mit dem Dienen, den anderen mehr achten als das eigene Ego, sich hingeben für andere, sich auf die Seite der Opfer begeben, Menschen lieben und als gleichwertig betrachtet, die einem so gar nicht in das eigene Weltbild passen usw. usw.

    2
    1
    1. Liebe Kaja,

      vielleicht lesen Sie beim nächsten Mal genau, bevor sie jemanden in Stammtischmanier aburteilen, denn auch das ist nicht gerade christlich. Übrigens ist der Interviewte selbst Betroffener. Sie brauchen ihm also nicht zu sagen, er solle sich „auf die Seite der Opfer begeben“.
      Wenn Sie auf diese Weise von Nächstenliebe schreiben und diese von ihm einfordern, frage ich mich, wo die Ihre ist?

      Beste Grüße

      Ida-Sophie

      1
      1

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen