„Das Beben ist nur eines von vielen Problemen“

Reinhard und Ulrike Schaller sind als Missionare in Haiti tätig. Sie haben das jüngste Erdbeben in dem Karibikstaat hautnah miterlebt. Gegenüber PRO berichten sie, wie die Bewohner mit den vielen Naturkatastrophen umgehen und welche Rolle der Glaube dabei spielt.
Von Johannes Blöcher-Weil
Ein zerstörtes Haus in Haiti

Am 14. Augst hat ein Erdbeben der Stärke 7,2 Haiti erschüttert. Drei Tage später folgte der Tropensturm „Grace“, der der Bevölkerung noch einmal zusetzte. Die Zahl der bestätigten Todesopfer ist mittlerweile auf etwa 2.200 und die der Verletzten auf über 12.000 gestiegen. Über 37.000 Häuser sind zerstört oder beschädigt worden. Mitten im Erdbebengebiet leben und arbeiten die Missionare der Vereinigten Deutschen Missionshilfe Reinhard und Ulrike Schaller.

„Wir haben das Beben in Les Cayes erlebt“, berichten die beiden PRO. Morgens um etwa 8.30 Uhr seien die ersten Sachen aus den Schränken geflogen. Das Ehepaar erlebte auch schon das Beben 2010 und wusste, „was Sache ist“. Später erfuhren sie, dass das Epizentrum 40 Kilometer östlich ihrer Wohnung lag. Schallers selbst blieben von Schäden verschont.

Ehepaar Schaller Foto: Schaller
Reinhard und UIrike Schaller haben bereits 2010 ein schweres Erdbeben in Haiti erlebt

Vor allem der Süden des Landes habe viele eingestürzte Häuser zu beklagen. Viele Menschen könnten nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren und müssten auf der Straße übernachten. Sie hätten aber auch Angst vor weiteren Beben: „Die Menschen hier leben finanziell auf kleinem Fuß“, erklären die Missionare. Ulrike Schaller leistete Nothilfe im nahegelegenen Krankenhaus: „Es war überfüllt mit Verletzten“, sagt sie. Im Moment erreichten viele Hilfsflüge das Land. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sei dabei kein Problem. Die Menschen bräuchten in erster Linie finanzielle Hilfe, um entstandene Schäden zu reparieren oder wieder eine Unterkunft zu haben.

Was passiert, wird einer übernatürlichen Macht zugeschrieben


„Religion und vor allem der christliche Glaube spiele eine große Rolle. Fast alles, was ihnen an guten und schlechten Dingen passiert wird immer einer übernatürlichen Macht zugeschrieben“, erklären die Schallers. Es gebe kaum Haitianer, „die nichts glauben“. Das Spektrum reiche von Katholiken und Protestanten bis zur Voodoo-Religion. Die zahlreichen Naturkatastrophen seien nur eines von vielen Problemen mit denen die Haitianer fertig werden müssen.

Hinzu kämen ständige politische Unruhen – im Juli wurde der Präsident ermordet –, eine hohe Kriminalitätsrate und Entführungen sowie die allgegenwärtige Korruption, die das tägliche Leben prägten. Aber auch Krankheiten wie Cholera, Malaria und eine schlechte Gesundheitsversorgung sowie eine hohe Arbeitslosigkeit sorgten für einen niedrigen Lebensstandard: „Dadurch sind die Haitianer sehr zäh und erfindungsreich geworden, um ihr Leben zu meistern.“

Ein großes Netzwerk von Freunden helfe dabei, den Widrigkeiten zu begegnen: „Anders geht es hier nicht. In den christlichen Gemeinden mit den Werten der Heiligen Schrift kommt das noch einmal sehr viel mehr positiv zur Geltung.“ Eine Freundschaft in Haiti bedeute immer, dass man in einer Notlage oder auch sonst finanziell hilft: „Der Glaube an Gott und Jesus Christus wird aber praktisch nie infrage gestellt. Ganz im Gegenteil. Der Glaube wird eher gefestigt und treibt die Menschen mehr in die Abhängigkeit von Gott und zu ihm hin.“

Flugzeug mit Hilfsgütern wird entladen Foto: Schaller
Ein Flugzeug bringt Hilfsgüter

Der Alltag für sie als Missionare ändert sich durch das Beben nicht wesentlich. Jetzt gehe es erst einmal darum, den Menschen in ihrer Not zu helfen, Finanzmittel zu verteilen, Gemeinden zu besuchen und mögliche Hilfe für zerstörte Kirchen zu organisieren: „Das haben wir schon 2016 nach dem schweren Wirbelsturm ‚Matthew‘ gemacht, der deutlich schlimmer war.“

Als Missionare seien sie Ermutiger und finanzielle Helfer – und das oft weit über die eigenen Gemeinden hinaus: „In der Regel wird niemand abgewiesen. Außerdem sind wir hier nicht die ‚Missionare‘, sondern nur ein Teil der gläubigen Christen hier.“ Der wohl größte Unterschied sei, als Weiße eher an finanzielle und andere Hilfsmittel zu kommen. „Hilfe leisten wir nur in Zusammenarbeit mit den einheimischen Christen und ihrem Rat.“

In der schwierigen Situation zum Segen werden

Missionsleiter Christian Schöps ist froh, dass die elf VDM-Missionare in Haiti die Katastrophe körperlich unbeschadet überstanden haben. „Doch der Schock und die Unsicherheit sind natürlich groß.“ Das evangelikale Missionswerk betreut weltweit 340 Missionare in 54 Ländern. In Haiti arbeiten die Missionare mit Kindern und Jugendlichen, im medizinischen Bereich, geben biblischen Unterricht, engagieren sich in Gemeinden sowie in der schulischen und beruflichen Ausbildung. Es gehe darum, den Notleidenden jetzt zu helfen und ihnen so zum Segen zu werden, sagt Schöps. 

In dem Staat ist seit mehr als einem Jahrzehnt auch die christliche Hilfsorganisation Samaritan’s Purse tätig. Sie entsandt auf Bitten des haitianischen Gesundheitsministeriums ein mobiles Notfallkrankenhaus in den Süden des Landes entsandt. Das dreiteilige Feldkrankenhaus wird auch eine Notaufnahme und ambulante Dienste mit Anästhesie- und Sauerstoffkapazitäten umfassen.

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