Rechtsextreme Tendenzen reichen bis in die Mitte der Gesellschaft

Die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht seit 2006 alle zwei Jahre antidemokratische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung. Laut aktueller Studie sind rechtsextreme Einstellungen weniger verbreitet als noch vor zwei Jahren. Dafür distanzieren sich die Befragten weniger stark von Antisemitismus und demokratiefeindlichen Einstellungen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Demo mit Rechtsextremen

72 Prozent der Deutschen sehen sich als überzeugte Demokraten. Das ist das Ergebnis der aktuellen „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Allerdings wächst der Anteil der Befragten, die sich ambivalent zur Demokratie äußern oder demokratiefeindliche Einstellungen teilen. Zwar befürworten lediglich 2,2 Prozent der Befragten eine rechtsgerichtete Diktatur, mehr als 15 Prozent befinden sich mit ihren Antworten in einem Graubereich zwischen Zustimmung und Ablehnung.

Nachgelassen haben offen rechtsextreme Einstellungen. Im Gegensatz zur Vorgänger-Studie 2019 distanzieren sich die Befragten weniger klar vom Antisemitismus oder rechtsgerichteten Meinungen. Diese reichten nach Aussage der Forscher bis weit in die Mitte der Gesellschaft. Dies spiegele sich wieder in abwertenden Meinungen gegenüber Fremden oder sozial Schwachen. Die „deutliche Ächtung des Antisemitismus“ weiche auf: 13 Prozent äußern laut der Umfrage eindeutigen israelbezogenen Antisemitismus.

Für 70 Prozent der Befragten stellt der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Gesellschaft dar. Allerdings zeigt sich rund ein Viertel der Bevölkerung eindeutig offen für Populismus. 7,3 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ Besonders stark verbreitet seien diese Einstellungen dort, wo es viele AfD-Anhänger gebe.

Stark verbreiteter Glaube an Verschwörungsmythen

Verbreitet ist der Studie zufolge auch der Glaube an Verschwörungsmythen. Jeder Fünfte hält Politiker für Marionetten dahinterstehender Mächte. Mehr als jeder Sechste ist überzeugt davon, dass im Zuge der Pandemie Zwangsimpfungen eingeführt werden sollen.

Für die Erhebung wurden 1.750 deutsche Staatsbürger telefonisch zu ihrer Zustimmung zu bestimmten Aussagen hinsichtlich rechtsextremer und demokratiegefährdener Einstellungen befragt. Die Studie haben Forscher des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt.

Unterdessen ist das Vertrauen der Deutschen in die Nachrichtenmedien während der Corona-Krise gestiegen. Das geht aus den Ergebnissen des Reuters Institute Digital News Report 2021 hervor, die jetzt veröffentlicht wurde. Insgesamt geben 53 Prozent der erwachsenen Onliner in Deutschland an, den Nachrichten im Allgemeinen zu vertrauen. Der Wert liegt 8 Prozentpunkte höher als 2020.

Große Probleme, Fakten von Falschmeldungen zu unterscheiden

Unabhängig vom Thema äußern 37 Prozent der erwachsenen Onliner in Deutschland Bedenken,
eventuelle Falschmeldungen im Internet nicht von Fakten unterscheiden zu können. 23 Prozent äußern derartige Bedenken nicht. Das höchste Vertrauen haben die Nutzer nach wie vor in die Hauptnachrichten der öffentlich-rechtlichen Anbieter. Dahinter folgen die Nachrichten regionaler und lokaler Tageszeitungen.

40 Prozent der Befragten bezeichnen das Internet als wichtigste Nachrichtenressource, was einer Steigerung von zwei Prozentpunkten entspricht. Unter den 18- bis 24-Jährigen ist das Internet für 70 Prozent der wichtigste Weg, um sich über aktuelle Nachrichten zu informieren. 46 Prozent von ihnen nutzen es sogar als einzige Quelle. 2020 waren es neun Prozentpunkte weniger. Für insgesamt zehn Prozent sind soziale Medien die wichtigste Nachrichtenressource im Internet. Für vier Prozent sogar die einzige.

Die am meisten beachtete Nachrichtenquelle in sozialen Medien sind gängige Nachrichtenmedien oder einzelne Journalisten. Auf Facebook und Instagram schenken viele Nutzer zusätzlich auch den Nachrichteninhalten normaler Bürger Beachtung. Auf Twitter gilt dies für Politiker und Aktivisten und auf YouTube für alternative Nachrichtenquellen. Aufgrund der geringen absoluten Fallzahlen seien die Ergebnisse zur Nachrichtennutzung in sozialen Medien allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.

Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich in mittlerweile 46 Ländern auf sechs Kontinenten generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Für die aktuelle Studie wurden pro Land 2021 rund 2.000 Personen befragt. In Deutschland wurde die Erhebung zwischen dem 14. Januar und dem 5. Februar 2021 vom Umfrageinstitut YouGov durchgeführt.

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3 Antworten

  1. Der Rechtsextremismus geht also zurück. Eigentlich eine gute Nachricht aber nicht unbedingt für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Irgendwo müssen die Bösen doch geblieben sein, da bleibt wohl nur die Mitte, die jetzt angeblich demokratiefeindliche Einstellungen hat. Das es demokratiefeindliche Einstellungen vielleicht genauso auf der linken bis linksextremen Seite gibt, scheint für die Stiftung nicht untersucheswert. Es wäre doch sicher mal interessant zu erfahren, wieviel Prozent dort z.B. Aussagen wie „alle Vermieter enteigenen“ zustimmen.

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    1. Der Kommentar von Maik ist doch Whataboutism, alles so nach dem Motto „Die Linken sind genauso schlimm!“ Außerdem ist eine Forderung nach Enteignung von Wohnungen nicht automatisch linksextrem, das Grundgesetz sieht das in den Artikeln 14 und 15 ausdrücklich vor.

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