Meinung

Tauber: Lasst uns von Preußen lernen

Was hält die Gesellschaft zusammen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber in seinem gleichnamigen Buch. Er beobachtet dabei, dass in vielem, was unseren Staat ausmacht, Preußen ein gutes Vorbild sein kann. Dazu zählen für ihn der Umgang mit Religion und die Familie.
Von Johannes Blöcher-Weil
Das Cover des neuen Buchs von Peter Tauber

Ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft noch zu retten? Ja, findet der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber. In seinem Buch „Was hält die Gesellschaft zusammen?“, das jetzt im Herder-Verlag erschienen ist, benennt er aber auch klare Defizite, die ein Zusammenleben erschweren. Vor allem Corona-Pandemie und Flüchtlingskrise hätten verdeutlicht, wie fragil die Gesellschaft ist.

Der Autor möchte aber Gemeinsamkeiten und Verbindendes stärken und Antworten auf die drängenden Fragen finden. Für Tauber hilft dabei ein Blick in die Geschichte Preußens. „Vieles, was uns heute prägt, haben wir den Preußen zu verdanken“, betont Tauber. Nach einer – etwas zu langen – theoretischen und geistesgeschichtlichen Hinführung schreibt Tauber in dem „praktischen“ Teil, dass Familie und Religion eine wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt spielen.

In der aktuellen Situation brauche es vor allem Menschen, „die den Staat zu ihrer Sache machen und nicht nur Erwartungen und Ansprüche formulieren“. Sie müssten ihren Staat tragen und dieser müsse im Gegenzug die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen. Ohne dieses Gedankengerüst sei kein Staat zu machen. Auch wenn dies dem Streben nach individuellem Glück widerspreche.

Hoher Wert der Familie

Das Land profitiere enorm von seinen 16 Millionen Ehrenamtlichen. Diese wollten Verantwortung übernehmen und gestalten. Ein wichtiger Ort um das gesellschaftliche Miteinander im Kleinen einzuüben, sei aber auch die Familie. Deswegen dürfe der Staat nie als Ersatz an die Stelle der Eltern treten. Auch die Schule ist für Tauber ein entscheidender Ort, um aus jungen Menschen verantwortungsvolle Staatsbürger zu machen.

Tauber beobachtet, dass die Eliten des Landes gar nicht mehr die Sorgen und Nöte der Menschen kennen würden. Eine Elite sei aber immer auch eine Verantwortungselite. Die Gesellschaft funktioniere dann gut, wenn jeder sein Bestes gebe und dem Anderen Anerkennung zolle. Zugleich ist dem selbst eher konservativen Tauber ein „zeitgemäßen Konservatismus“ wichtig, der den Wandel akzeptiere, ihn aber auch gestalte: „Tradition heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren.“

Auch die Religion sei für Viele ein wichtiger Teil ihrer Identität, schreibt der bekennende Christ. Preußen habe früh begriffen, dass religiöse Menschen einen wichtigen Beitrag für den Staat leisteten. Wer ihnen Freiräume gab, durfte mit ihrer Loyalität rechnen. Deswegen wünscht sich Tauber Christen, die Jesu Auftrag ernst nehmen und die staatliche Ordnung mittragen und gestalten. Religion und eine aufgeklärte Gesellschaft bedingten sich gegenseitig. Zugleich sei es aber wichtig, dass jeder sich kritisch mit seiner Religion auseinandersetze: egal, ob bei Fragen zum Schutz des ungeborenen Lebens oder der Sterbehilfe. „Die Position der Kirchen ist längst nicht mehr zwingend mehrheitsfähig im Meinungsstreit. Gleichwohl sollen und müssen Christen ihre Position in den öffentlichen Diskurs einbringen.“

„Muslime sollen aktive Staatsbürger sein“

Für Tauber gehört der Islam natürlich zu Deutschland. Es müsse Schluss sein mit der Unterscheidung zwischen „den Muslimen und den Deutschen, wenn sie Landsleute sind“. Tauber erwartet daher, dass der Staat auf Muslime zugeht. Aber ihm ist es auch wichtig, dass Muslime aktive Staatsbürger sind und sich kritischen Fragen und Diskussionen stellen: „Auf uns, unser Tun wird es ankommen, wollen wir die Probleme lösen“, nimmt Tauber alle religiösen Gruppen in die Pflicht.

Der Staat müsse sogar daran interessiert sein, dass sich Menschen zu ihrem Glauben bekennen, weil diese sich Studien zufolge überproportional fürs Gemeinwesen einsetzten. Nicht einmischen dürfe sich der Staat dagegen in die Religionsfreiheit. Diesen Luxus erlebten aber nur 30 Prozent der Weltbevölkerung.

Um im Wettbewerb zu bestehen, müsse der Staat für Veränderungen offen bleiben, erklärt Tauber. Wenn bei der Bevölkerung der Eindruck entstehe, dass nicht für alle Menschen die gleichen Regeln gelten, hätte das verheerende Folgen. Mit der AfD gebe gerade eine Partei dem extremem Weltbild eine Stimme. Hier müsse das bürgerliche Lager eine klare Grenze nach rechts ziehen, weil die Positionen der AfD weder integrieren noch einbinden könnten.

Leitbild statt Leitkultur

Darüber hinaus animiert Tauber den Staat in seinem Buch, den Mehrwert von Europa stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Eine offene und internationale Gesellschaft bleibe die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Darüber hinaus sei es sinnvoll, die Einwanderung gesetzlich zu gestalten: Einwanderung sollte klar definierte Regeln haben und als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfunden werden. Auch hier könne man Preußen als Vorbild nehmen, das Zuwanderern schnell ein politische Teilhabe ermöglicht habe.

Der frühere CDU-Politiker Peter Tauber Foto: Tobias Koch, Wikipedia | CC BY-SA 3.0 Unported
Peter Tauber war von Dezember 2013 bis Februar 2018 Generalsekretär der CDU

Tauber möchte den Begriff der Leitkultur gerne durch den Begriff Leitbild ersetzen. Dieser sei inklusiv zu verstehen – jeder könne unter bestimmten Voraussetzungen dazugehören. Um Integration zu ermöglichen, brauche es eine klar definierte, zeitlich realistische Perspektive, in der man die Staatsbürgerschaft erwerben kann: „Sich die Staatsbürgerschaft durch einen langen Aufenthalt in Deutschland zu ‚ersitzen‘ ist genauso wenig zielführend wie zu hohe Hürden.“

Die Politik müsse auf Offenheit und Vielfalt zu setzen und dürfe das Fremde nicht als Bedrohung verstehen. In diesem Bereich habe er auch persönlich viel gelernt und Ansichten verändert. Deutschland könne seine Krisen und Herausforderungen deshalb bewältigen, weil es über gute Rahmenbedingungen verfüge. Der Staat müsse seine Bürger animieren mitzutun und substanziell zu streiten, ohne dabei neue Gräben aufzureißen.

Auch seiner eigenen Partei schreibt er ins Gebetbuch, sich auf das christliche Menschenbild und die Werte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit zu besinnen. Deutschland könne stolz auf das Erreichte sein und die anstehenden Herausforderungen beherzt angehen. Auch in der Innovationskraft sei Preußen ein Vorbild, weil dort viele verschiedene Gruppen an den Veränderungen beteiligt waren.

Insgesamt wird auf den über 200 Seiten immer wieder deutlich, wie wichtig Tauber ein Blick in die Geschichte ist, um den Fokus für die aktuellen Probleme zu schärfen. Dies macht er sehr ausführlich. Wenn es der Leser zu Beginn geschafft hat, sich von der Gedankenwelt Kants, Hegels und anderer Wissenschaftler nicht abschrecken zu lassen, wird er von dem Buch profitieren und vielleicht sogar dabei mithelfen wollen, Gesellschaft zu gestalten: weil es wichtig und ein Auftrag ist – für Christen und darüber hinaus.

Peter Tauber: „Was hält uns zusammen?“, Herder, 224 Seiten, 22 Euro, ISBN 9783451388927.

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2 Antworten

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag über den von mir sehr geschätzten Herrn Tauber. Es scheint dieses Buch ein gelungenes Beispiel dafü zu sein, dass ein ein gesundes Verhältnis zu Staat, Familie und Religion Gutes bewirken kann und die Grundlage für ein gutes Miteinander mit Zuwanderern und anderen Nationen dienen kann. Ich kann einen anderen nur dann aus dem Wasser ziehen, wenn ich selbst auf festem Grund stehe.
    Mit dieser Haltung ist Tauber damit zumindest teilweise deckungsgleich mit Aussagen von u.a. Wagenknecht/Lafontaine und einigen Bürgerlichen in der AfD

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  2. Um gewisse Dinge auszuklammern, möchte ich sagen, daß ich in eine „preußisch orientierten Familie“ hineingeboren und solang mein Vater noch lebte, auch entsprechend erzogen wurde. Mein Vater war während des Ersten Weltkrieges 4 Jahre Soldat und 4 mal verwundet, zuletzt durch einen einen Lungensteckschuß. Er starb mit 45 Jahren kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und für ihn stand nach seinem Christlichen Glauben alles was mit Preußen zusammenhing, an zweiter Stelle. So bezeichnete er seine Staatsangehörigkeit bis zu seinem Tode immer noch mit „Preußen.“
    Während der Schulzeit stand natürlich im Geschichtsunterricht die Entstehung Preußens und seine Entwicklung bis zur führenden Macht innerhalb des Deutschen Reiches an erster Stelle und die Glanzpunkte
    des steilen Aufstieges Preußens wurden in den schillerndsten Farben gemalt. Der Unterschied zwischen den herrschenden Schichten und dem Proletariat wurden natürlich nicht erwähnt, bis Anfang des Ersten Weltkrieges der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., der Kriegstreiber und Preuße, nur noch von den „Deutschen“ sprach. Auch der sehr enge Kontakt der beiden großen Kirchen mit dem preußischen Staat entsprach keinesfalls dem Auftrag der Kirchen, Gottes Wort zu verkündigen. Jesus hat nie seine Gemeinde aufgefordert die staatliche Ordnung mitzutragen und zu gestalten, wie Tauber schreibt, nur gebt Gott was Gottes ist und dem Kaiser was des Kaisers ist. Er hat damit einen Trennungsstrich zwischen Staat und Gemeinde Christi gezogen. Und wenn sich Tauber die Meinung des ehemaligen Bundespräsidenten Wulf zu eigen macht, der Islam gehöre zu Deutschland, kann ich das von einem gläubigen Christen nicht verstehen. Wenn er dann weiter schreibt, Muslime sollten aktive Staatsbürger sein, so entspricht das den Vorgaben, die diese von ihrem Staatspräsidenten erhalten haben. sich am öffentlichen Leben zu beteiligen um von Generation zu Generation immer mehr Einfluß auf das Gastland zu gewinnen.

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