Mit Rollator: 97-Jährige auf Spenden-Marathon

Eine fast 100-jährige Frau läuft 100 Kilometer im Monat, um 100 Schulkindern in Malawi ein Jahr lang eine Schulmahlzeit zu ermöglichen. Die Story um die 97-jährige Marietheres Wübken aus Nottuln macht die Runde in den Medien. Die gläubige alte Dame sprach mit PRO über ihre Motivation – abgesehen davon, dass ihr das Laufen sichtbar gut tut.
Von Jörn Schumacher
Mariethereses Wübken - 'Move for Meals

Spiegel Online, der WDR, die Bild-Zeitung, viele Zeitungen und Fernsehsender berichten in diesen Tagen entzückt von Marietheres Wübken, 97, aus Nottuln im Münsterland. Die Dame macht sich jeden Tag, bei Wind und Wetter, auf, um Kilometer mit ihrem Rollator zu schaffen. Für den guten Zweck. Denn Sponsoren können Geld für die christliche Hilfsorganisation „Mary’s Meals“ geben, das dann Kindern in Malawi zugute kommt. Das Ziel: 100 Kilometer in einem Monat, damit 100 Kinder ein Jahr lang eine Mahlzeit erhalten.

Bereits in den 80er Jahren machte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins in Deutschland, Ingrid Schürmann, Wübken auf das Hilfsprogramm aufmerksam. Denn die beiden sind Nachbarn. Beide wohnen in Nottuln, einem Ort westlich von Münster. „Mich hat diese Organisation schon immer sehr beeindruckt“, sagt Wübken gegenüber PRO. „Ich kenne keine Organisation, die mit einem Euro so viel erreichen kann wie ‚Mary’s Meals‘.“ Schürmann erläutert: „Nur 18,30 Euro genügen pro Kind und Schuljahr.“ Das Konzept dahinter: „Nahrung plus Bildung ist gleich Hoffnung.“

Foto: pro/Jörn Schumacher
Ihr täglicher Weg führt Marietheres Wübken auch durch die schöne Natur rund um Nottuln

Auf einer Fischfarm in Schottland begann alles

Die Organisation „Mary’s Meals“ wurde von dem Schotten Magnus MacFarlane gegründet. Er machte 1983 eine Pilgerreise zum Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien, was auch zu einer Erneuerung seines katholischen Glaubens und dem seiner Familie führte. Seine Eltern verwandelten ihre Pension in ein „Familiengebetshaus“. Als im Fernsehen viel über den Bosnien-Krieg zu sehen war, halfen MacFarlane und sein Bruder, Arbeiter auf einer Lachsfarm, mit einem Hilfstransport. Eigentlich sollte es damit getan sein, doch die Welle an Spenden, Kleidung, Arzneimittel ebbte nicht ab, und so wurde daraus eine größere Hilfsorganisation. Der amerikanische Nachrichtensender CNN kürte MacFarlane zu einem der „Top 10 Heros“ des Jahres 2010.

Heute hilft „Mary’s Meals“ Menschen auch in anderen Ländern, etwa in Rumänien, Liberia und Kroatien. In Malawi stellt die Organisation chronisch hungrigen Kindern eine Mahlzeit an jedem Schultag zur Verfügung. Nach eigener Aussage sorgt das Hilfswerk dafür, dass „1.838.859 der weltweit ärmsten Kinder an jedem Schultag in Afrika, Asien, in der Karibik, Osteuropa und Südamerika“ zu essen bekommen. Außerdem unterstützt „Mary’s Meals“ ein rumänisches Heim für junge Menschen, die an HIV erkrankt sind und bereits als Kinder ihre Eltern verloren haben.

Foto: pro/Jörn Schumacher
„Wenn ich mit dem, was ich tue, helfen kann, ist das doch großartig!“

Flugblatt-Aktion der „Weißen Rose“ miterlebt

Für Marietheres Wübken ist der christliche Glaube eine Selbstverständlichkeit. Aufgewachsen im katholischen Münsterland, geht die ehemalige Volksschullehrerin auch heute noch jeden Sonntag in die Kirche. „Mit dem Glauben bin ich groß geworden.“ In dem Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien war sei selbst bereits 14 Mal. Sie höre im Radio nur den christlichen Sender „Radio Horeb“, die morgendliche Messe und die Nachrichten sind ihr besonders wichtig. In ihrer Jugend begegnete sie einmal dem berühmten Kardinal von Galen, damals Bischof von Münster, der sich öffentlich gegen die Nazis und deren „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ aussprach. Wübken traf den hohen Geistlichen auf dem Domplatz in Münster und sprach ihn an. Die beiden wechselten ein paar Worte, und diese Begegnung gehört noch heute zu den beeindruckendsten in ihrem Leben, sagt Wübken.

Noch beeindruckender allerdings war für sie die Flugblatt-Aktion der Geschwister Hans und Sophie Scholl von der „Weißen Rose“. Denn die hat sie unmittelbar miterlebt. Wübken studierte damals an der Universität München Germanistik, und an den Tag, als die Flugblätter verteilt wurden, kann sie sich noch genau erinnern: „Als ich am Morgen in die Universität kam, lag da ein Stapel Papier. Jemand sagte: ‚Da hat wohl jemand seine Unterlagen vergessen.’ Ein anderer sagte: ‚Das sind Flugblätter!’ Als ich das Wort hörte, nahm ich mir ein Blatt und nahm es an mich, ohne es zu lesen“, erzählt Wübken. Nach der anschließenden Vorlesung sei die ganze Universität schon abgesperrt gewesen. „Die Gestapo hat die Taschen aller Studenten durchsucht. Das Flugblatt hatte ich zusammengefaltet unter meine Kleidung gesteckt. Es war ein Segen, dass ich zuvor nicht darauf geguckt hatte, denn so war ich ziemlich ruhig. Erst zu Hause habe ich es gelesen. Das Flugblatt habe ich immer noch, es gehört zu einem meiner wertvollsten Erinnerungsstücke.“

Wübken wohnt heute wieder in ihrem Elternhaus in Nottuln, am schönsten Platz des Ortes. Früher war darin das Gemischtwarengeschäft ihres Großvaters, dessen Name noch heute in großen Metalllettern auf dem Haus prangt: Hubert Wübken. Heute ist hier ein Blumenladen.

Täglich macht Frau Wübken zwei Mal ihre Runde, auf einem wunderschönen Weg halb durch den Ort, halb durch die Natur. Täglich schafft sie so eine Strecke von 3,7 Kilometern. „Ich bleibe so fit“, sagt Wübken. „Außer sonntags. Da gehe ich in die Kirche.“ Die Aktion geht vom 1. Mai bis Ende Juli, doch ihr selbst gesetztes Spendenziel von 1.830 Euro hat sie schon weit überschritten: 30.000 Euro kamen bereits durch Spenden zusammen. Schürmann erklärt: „Jeder kann bei ‚Move for Meals’ mitmachen. Es geht um Bewegung: Der eine schwimmt gerne, der andere geht mit seinem Hund spazieren … Wenn das anvisierte Zielt erreicht ist, wird der Sponsor informiert. Man kann natürlich auch selbst sein eigener Sponsor sein.“

Im Internet kann jeder mitverfolgen, wie viele Kilometer die 97-jährige Wübken bereits geschafft und wie viel Geld zusammengekommen sind (aktuell: 52 Kilometer, 30.000 Euro). Den großen Medienrummel um sie bekommt die alte Dame gar nicht so mit, dafür sorgt ihre Freundin Ingrid Schürmann. Dass sie aber so viele Mahlzeiten für hungernde Kinder zusammentrommelt, und das nur mit ihrem Rollator und ihrer sportlichen Leistung, findet Wübken großartig. „Über 1.000 Kinder können davon ein Jahr lang ernährt werden. Das ist doch unglaublich.“ Durch die große Medienaufmerksamkeit für ihren „Rollator-Spenden-Marathon“ sind es nun schon weitaus mehr geworden.

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