Die Welt dreht sich nicht nur um Corona

Die „Initiative Nachrichtenaufklärung“ und der Deutschlandfunk zeigen wichtige und zentrale Themen auf, die im Corona-Jahr kaum in den Medien präsent waren. Es waren mehr als sonst.
Von PRO
Ein Stapel an Zeitungen

Jedes Jahr fallen relevante Themen, die das gesellschaftlich Leben in Deutschland und der Welt betreffen, unter den Redaktionstisch. Andere Themen scheinen wichtiger oder sind weniger komplex als andere.

Die Corona-Krise und die Bekämpfung der Pandemie überschatten seit Monaten die Medienberichterstattung, sodass im letzten Jahr auffallend viele Themen nicht ausreichend in den Medien abgebildet wurden, so das Fazit der „Initiative Nachrichtenaufklärung“ (INA) und des Deutschlandfunks. Die Top Ten der vergessenen Nachrichten 2021 wurden am Donnerstag in einer Pressekonferenz vorgestellt.

Mehr Augenmerk auf soziale Probleme gefordert

Aus christlich-sozialer Sicht fallen zwei Themengebiete auf, die in der medialen Darstellung in den vergangenen Monaten kaum Beachtung gefunden haben. Auf Rang 9 etwa liegt die Menschenrechtslage in Nigeria. Zwar sei über die religiös motivierten Angriffe der Terrorgruppe „Boko Haram“ in Nigeria und seinen Nachbarstaaten berichtet worden, allerdings nicht über die Geschichte nach der Geschichte, wie Vorstandsmitglied Filiz Kalmuk berichtete. Das Leiden der Opfer wie auch die Menschenrechtsverletzungen hätten keinen Widerhall in den Nachrichten gefunden. Rehabilitationsprogramme, wie das von der EU und den USA geförderte Projekt „Safe Corridor“, sollen Auswege aus dieser Gewalt aufzeigen, dennoch komme es zu Missständen.

Auf Platz fünf der vernachlässigten Themen stehen Sozialunternehmen während der Corona-Pandemie. Die unzureichende finanzielle wie auch wertschätzende Unterstützung seitens des Staates seien de facto nicht in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Nach Ansicht der INA sollten Medien vermehrt über soziale Probleme berichten.

Ein symbolischer Gewinner namens Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Den ersten Platz der Rangliste belegt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Das novellierte Gesetz, befasst sich mit Hass, Hetze und Kriminalität im Netz. Neben dem unzureichenden Datenschutz und der verlangsamten Digitalisierung, bestehe die Gefahr des „Overblocking“ – dass Inhalte gesperrt oder gelöscht werden, ohne verfassungswidrig zu sein. Die Meinungs- und Pressefreiheit könne somit unter Druck geraten, wie der Geschäftsführer der INA Hektor Haarkötter herausstellt. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz stehe daher als Symbol für verwandte Themen, die sich auf Netzpolitik begründen. Die breite Öffentlichkeit müsse in einen Diskurs darüber eintreten, so Haarkötter weiter.

Die Top Ten der vergessenen Nachrichtenthemen 2021 sind vielstimmig und zeigen die Vielfalt des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf. Hier die Top Ten im Überblick:

  1. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
  2. NATO-Manöver „Defender 2020“
  3. Gewalt in der Schwangerschaft
  4. Armut ab 18
  5. Sozialunternehmen in der Krise
  6. Psychologische Betreuung von Geflüchteten
  7. Rassismus in Schulbüchern
  8. Rechtsextreme Organisationen unter Türkischstämmigen
  9. Menschenrechte in Nigeria
  10. Terrorismusbekämpfung in der EU

Dieses Jahr habe die Jury die „Qual der Wahl“ gehabt, da die Beschäftigung der Medien mit der Corona-Pandemie seit dem vorigen Frühjahr etliche Meldungen unbeachtet gelassen habe, merkte Haarkötter an. Die Kooperation mit Deutschlandradio helfe, um diese strukturelle Vernachlässigung mehr in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die „Initiative Nachrichtenaufklärung“ ist ein gemeinnütziger Verein und besteht seit mehr als 20 Jahren. Ziel ist es, auf die vergessenen Nachrichten wie auf weitere Defizite in der Medienbranche aufmerksam zu machen. Ermittelt werden die unbeachteten Themen jedes Jahr von studentischen Rechercheteams. Neben dem Prüfen des Sachverhalts wird eine Medienanalyse durchgeführt. Die zehn bedeutendsten vergessenen Nachrichten werden anschließend durch eine Jury aus 20 bis 30 Wissenschaftlern, Experten und Journalisten gekürt. Vorschläge können von jedem eingereicht werden.

Von: Johannes Schwarz

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2 Antworten

  1. Ja, um was dreht sich die Welt eigentlich?

    Wohl viel zu wenig um die Menschen, die drangsaliert, verfolgt, unterdrückt werden. Die Liste im Bericht nennt Beispiele.

    Ein Aspekt entgeht aber auch dieser Liste, – den Medien meist sowieso:
    Der Blick wird verengt auf „Katastrophen, Skandale, böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung“ usw.
    Wichtiger aber wäre doch, auch darüber zu berichten, wo Menschen sich beispielhaft und selbstlos für andere einsetzen. „Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid bedacht!“

    In diesem Sinne ließe sich noch eine lange Liste fehlender Meldungen ergänzen …

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    1. Ein zwar relativ kleine, aber doch nennenswerte Gruppe geht in den Nachrichten und in der öffentlichen Wahrnehmung vollkommen unter. Das sind viele Verwitwete die Wieder heiraten wollen. Wenn beide Witwen oder Witwerrente beziehen und ihre eigene Rente nicht hoch genug ist. Dann kann sich ihr Einkommen unter Umständen mehr als halbieren. Je nachdem wer dann zuerst sterben sollte bliebe der oder die Überlebende sogar mit weniger als einem Drittel zurück. Der Staat weis das und toleriert ein „wildes“ Zusammenleben. Die Kirche ignoriert es und verweigert eine eigene Trauung obwohl ihr das vom Staat seit der Änderung des Personenstandsgesetzes zugestanden ist. Das scheint ein fast zweitausend Jahre altes Problem zu sein. Oder wie war es zur Zeit des ersten Pfingsten mit den gr. Witwen? Heute sind davon auch Männer betroffen. Menschen mit mit einer Pfarrerspension berührt das nicht.

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