„Pornokonsum ist ein Problem aller Altersklassen“

Wenn Menschen einsam sind und ihnen Zuneigung fehlt, ist die Flucht ins Internet eine Option. In Zeiten der Corona-Pandemie ist laut einem Medienbericht auch der Porno-Konsum gestiegen. pro hat bei der Organisation Safersurfing nachgefragt, ob bestimmte Menschen besonders davon betroffen sind und wie Eltern die junge Generation vor einer Sucht bewahren können.
Von PRO
Der 2006 gegründete Verein Safersurfing möchte Menschen vor den Gefahren der Internetpornografie schützen und Wege aufzeigen, von einer Abhängigkeit frei zu werden. Aus Sicht des Vereins ist es ein Problem aller Altersklassen.

pro: Ist in Corona-Zeiten der Konsum von Sexseiten im Internet gestiegen?

Philip Pöschl: Dazu gibt es kaum fundierte Statistiken. Nur die Plattform Pornhub hat im April 2020 eine Statistik zum prozentuellen Anstieg von etwa Mitte Februar bis Mitte März 2020 veröffentlicht. In dieser Zeit stieg der weltweite Konsum auf der Plattform um circa zwölf Prozent. Aus eigenen Gesprächen mit Betroffenen und unseren Erfahrungen im Verein wissen wir, dass der Konsum während der Corona-Pandemie stark angestiegen ist.

Was sind aus Ihrer Sicht die triftigsten Gründe?

Die Gründe für den Konsum von Pornografie sind vielfältig und werden durch die derzeitige Situation mit Homeoffice und Distanzunterricht verstärkt. Dazu gehören emotionaler Stress, Einsamkeit, Langeweile oder Abenteuerlust, Mangel an liebevollen und echten Beziehungen. Das Internet kann auch als Fluchtort dienen für ungelöste Probleme und nicht verarbeitete Gefühle.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der Dauer des Lockdowns und dem Konsum?

Auch hierzu gibt es keine gesicherten Zahlen. Aber in unserer Arbeit erleben wir, dass es so ist. Viele Menschen konsumieren jetzt wesentlich mehr Pornos als vor dem Lockdown. Auch wenn viele ihren Konsum nicht als Sucht bezeichnen würden, werden doch oft die Kriterien einer Sucht erfüllt. Das ist etwa der Kontrollverlust über die Zeit, die man im Internet verbringt, Reizbarkeit, wenn man nicht ins Internet kann oder auch die Bereitschaft Gebühren zu zahlen, um an pornografisches Material zu kommen.

Welchen Einfluss hat die Möglichkeit des Homeoffice?

Wir beobachten, dass die Arbeit im Homeoffice die Anonymität fördert. Bei vielen Menschen führt dies dazu, mehr Zeit auf Sexseiten zu verbringen. Laut Pornhub werden die meisten Pornos während der Arbeitszeit geschaut. Das Problem dabei ist, dass das Risiko der Sucht nach Pornografie dabei stark steigt. Nicht nur die Dauer nimmt zu, sondern es werden auch inhaltlich immer härtere und oft Gewalt beinhaltende Videos gesucht. Dieses Verhalten kann zur Sucht führen, die negative Auswirkungen nicht nur auf den Betroffenen selbst, sondern auch auf Angehörige hat.

Hat es die Porno-Industrie geschafft, in Zeiten wie diesen neue Interessenten zu ködern?

Definitiv. Pornhub etwa machte seinen Premium-Zugang im März 2020 weltweit für alle Nutzer kostenlos. Dadurch konnten sie viele neue Nutzer gewinnen – allein am 24. März 2020 18,5 Prozent.

Besteht ein Zusammenhang zwischen den Bordell-Schließungen und dem Pornokonsum?

Ja, aus Gesprächen mit Bordellbesitzern weiß ich, dass das so ist. Reales wird durch die virtuelle Welt ersetzt.

Welche Rolle spielt beim Pornokonsum das Alter?

Es ist und bleibt ein Thema über die Altersgrenzen und das Geschlecht hinweg. Besorgniserregend ist, dass viele Kinder immer früher auf pornografische Inhalte stoßen. Dieser Trend hat sich durch den Distanzunterricht noch verstärkt. Deshalb ist es uns besonders wichtig, Eltern zu unterstützen, damit Kinder den verantwortlichen Umgang mit dem Internet lernen können.

Welche Menschen sind besonders anfällig?

Menschen, die keine guten sozialen Beziehungen haben und einsam sind. Oft ist es die Suche nach Liebe und echten Beziehungen, die Menschen in die Pornofalle tappen lässt.

Was bedeutet das für Eltern im Umgang mit ihren Kindern?

Eltern sind in dieser Zeit vor besondere Herausforderungen gestellt. Sie jonglieren zwischen Homeoffice, Distanzunterricht und Kinderbetreuung und vielem mehr. Es ist jedoch zum Schutz unserer Kinder und Jugendlichen wichtig, dass wir unsere Kinder mit ihrer Mediennutzung nicht sich selbst überlassen. Der richtige Umgang mit dem Internet will gelernt sein. Dazu bietet unser Verein Hilfe und Material an.

Welche Auswege gibt es aus der Pornofalle?

Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass man so nicht weitermachen will und etwas verändern möchte. Dazu ist es auch notwendig, sich jemandem anzuvertrauen, damit Licht in diesen Teil des Lebens kommt. In meinem Leben war es so, dass ich meinen Pornokonsum um jeden Preis geheim halten wollte. Erst als ich Hilfe suchte und über meine Sucht mit einer Vertrauensperson sprechen konnte, war eine Veränderung möglich. Wir empfehlen, dass betroffene Personen eine Selbsthilfegruppe besuchen. Dort können sie sich austauschen und gegenseitig ermutigen, um von der Pornografiesucht frei zu werden. Mir hat geholfen, dass ich herausgefunden habe, was der Nährboden für mein Verhalten war. War ich müde, ging ich schlafen, war ich gestresst, telefonierte ich mit einem Freund und musste meinen Ausgleich nicht mehr vor dem PC suchen. Es ist der Mühe wert, in echte Beziehungen zu investieren, denn diese realen Beziehungen lassen uns nicht leer zurück, wie der Klick auf eine Pornoseite es tut.

Vielen Dank für das Gespräch.

Philip Pöschl ist Gründer, Obmann und Referent des Vereins Safersurfing, einem Verein zum Schutz von Personen vor suchtfördernden Inhalten im Internet, im Besonderen Pornografie sowie Hilfestellung für Betroffene und Angehörige. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Mödling bei Wien. Foto: Safersurfing
Philip Pöschl ist Gründer, Obmann und Referent des Vereins Safersurfing, einem Verein zum Schutz von Personen vor suchtfördernden Inhalten im Internet, im Besonderen Pornografie sowie Hilfestellung für Betroffene und Angehörige. Er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Mödling bei Wien.

Die Fragen stellte Johannes Blöcher-Weil

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