Es gibt Journalisten, die kein Risiko scheuen, um der Wahrheit eine Bühne zu geben. Journalisten, die sich in Kriegsgebieten zwischen verfeindeten Fronten bewegen und täglich ihr Leben aufs Spiel setzen. Und dennoch bewahrheitet sich der Satz „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“ viel zu oft. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Kriegsparteien gezielt Falschinformationen in die Welt setzen, den Zugang für Journalisten verhindern oder mindestens erschweren.
Eine solche Situation spielt sich gerade im Norden von Äthiopien ab. Das Land wird seit Wochen von einem offenen Bürgerkrieg erschüttert. Dabei kämpft die Zentralregierung gegen die Region Tigray, deren Vorherrschaft in dem Vielvölkerstaat Premierminister Abiy Ahmed eigentlich beendet hatte. Verschiedene Medien berichteten kürzlich über ein Massaker in der Region. Dabei sollen zwischen 750 und 1.000 Menschen von äthiopischen Truppen ermordet worden sein. Zuvor hätten sie sich in die „St. Maria von Zion“-Kirche in Aksum geflüchtet. Die belgische Nichtregierungsorganisation „Europe External Programme with Africa“ (EEPA) berichtete zuerst darüber. Christliche englischsprachige Medien griffen die Geschichte auf und beriefen sich dabei auf den Bericht von EEPA.
Behörden liegen keine Kenntnisse über Massaker vor
Informationen aus der Region sollten jedoch mit äußerster Vorsicht behandelt werden. Auf Nachfrage von pro bestätigte der Persönliche Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, Kenntnis über den Bericht von EEPA zu haben. Jedoch lägen weder ihm, noch der deutschen Botschaft in Äthiopien Informationen vor, die den Bericht bestätigen. Nooke gab außerdem an, dass sie keinen Zugang zu der entsprechenden Region hätten. Gesicherte Aussagen über Menschenrechtsverletzungen könnten demnach erst getroffen werden, wenn humanitäre Organisationen und unabhängige Journalisten Zugang nach Aksum erhielten.
Gegenüber pro bestätigte das Auswärtige Amt ebenfalls, Kenntnis über die entsprechenden Pressetexte zu haben. Um mögliche Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung untersuchen zu können, habe das Auswärtige Amt daher bereits „mehrfach den freien Zugang auch für internationale Hilfsorganisationen gefordert und verlangt“. Dieser werde aber momentan nicht gewährt.
„Krieg auf Social Media“
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Open Doors kappte die Regierung zu Beginn des Krieges Internet, Telefon und Strom und hinderte sowohl Medien als auch Hilfsorganisationen daran, in die Gebiete zu reisen. Daher gelangten kaum Informationen nach außen. Aus dem eigenen Netzwerk bekomme Open Doors Rückmeldungen, dass ein solches Massaker „sehr unwahrscheinlich“ sei. „Je mehr wir nach Beweisen dafür graben, desto weniger finden wir.“
Bereits im November des vergangenen Jahres berichtete BBC über zahlreiche Versuche, falsche oder irreführende Informationen über die Situation in Äthiopien zu verbreiten. Gegenüber pro bestätigte Open Doors diese Beobachtung. Demnach haben beide Konflikt-Parteien Behauptungen und Gegenbehauptungen über Massaker mit religiösen Aspekten aufgestellt. Open Doors sagt dazu: „Der Krieg hat sich vom Schlachtfeld auf die sozialen Medien verlagert und das halten wir für sehr gefährlich.“
Von: Martin Schlorke