Anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages hat die Scho’ah-Überlebende Margot Friedländer in einer virtuellen Veranstaltung ihre Erlebnisse während des Nationalsozialismus geschildert. Die 99-jährige Berlinerin überlebte den Krieg in verschiedenen Verstecken, bevor sie im Frühjahr 1944 verhaftet und ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde. Veranstaltet wurde das Online-Gedenken von der Organisation „Initiative 27. Januar“. Israelnetz fungierte als Medienpartner.
Der israelische Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, bezeichnete Friedländer in einer Grußbotschaft als „inspirierend“. Sie erinnere ihn daran, wie sehr die mehr als sechs Millionen Opfer des Nationalsozialismus „unser Leben bereichert hätten“. Er denke oft daran, welches Leben diese Menschen hätten führen können, wie viele Nobelpreise sie gewonnen hätten oder welche Persönlichkeiten aus ihnen hätten werden können. Issacharoff betonte die Bedeutung des Erinnerns für den Heilungsprozess: „Erinnerungskultur ist ein zentraler Bestandteil des Wiederaufbaus und der Stärkung der deutsch-israelischen Beziehungen.“
„Aus bösen Gedanken können böse Taten werden“
In einer weiteren Grußbotschaft betonte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die gesellschaftliche Verantwortung, dass „die Vergangenheit stets als Mahnung präsent bleibt“. Die Erinnerung an den Holocaust dürfe niemals verblassen. Söder bezeichnete es als „Wunder“, dass die jüdische Gemeinde in Deutschland die drittgrößte in Europa ist. Er stehe persönlich für die Sicherheit der Juden im Freistaat Bayern ein, versicherte der CSU-Politiker.
Dennoch könne er ein Zunehmen des Antisemitismus beobachten. Söder bezeichnete die Relativierung des Holocausts als „ersten Schritt zu mehr“. Dabei nannte er Anne-Frank-Vergleiche auf „Querdenken“-Demonstrationen und die „Vogelschiss“-Aussage von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland als Beispiele. „Irgendwann, wenn völkische Parolen oft genug geschrieben sind, wenn sie ohne Reaktionen und Sanktionen bleiben, werden aus bösen Gedanken und bösen Worten dann auch böse Taten.“ Stattdessen müsse sich die Gesellschaft wehren und sich jeder Einzelne entschlossen dagegenstellen. Das „Nie wieder“ sei keine Phrase, sondern „der Auftrag für uns in Politik und Gesellschaft“. Gauland hatte sich für seine Aussage mehrmals entschuldigt.
Zum gemeinsam begangenen Gedenkmoment wurden Teilnehmer aus Hamburg, München, Dresden, Stuttgart und Tübingen zugeschaltet. An den jeweiligen Standorten entzündeten sie zum Gedenken Kerzen. In Berlin sendete die „Initiative 27. Januar“ aus dem Hauptstadtbüro der Deutschen Evangelischen Allianz mit direktem Blick auf das Holocaust-Mahnmal.
Appell an Bundeskanzlerin
Schauspieler Samuel Koch, der ebenfalls an der Gedenkveranstaltung teilnahm, betonte, wie „existentiell“ das Gedenken an den Holocaust sei. Er warnte davor, mit dem Erinnern aufzuhören. Dennoch dürfe nicht vergessen werden, dass jüdisches Leben mehr als der Holocaust sei. Das Judentum und seine Kultur hätten Deutschland und die Welt geprägt wie kaum eine andere.
Neue Akzente für das Gedenken forderte der 1. Vorsitzende der „Initiative 27. Januar“, Harald Eckert. Es sei notwendig, die Zeitzeugen mit der jungen Generation zusammenzubringen. So könnten die Schüler zu „Zeugen der Zeitzeugen“ werden. Darüber hinaus müsse Gedenken zu „einem echten Interesse“ an den in Deutschland lebenden Juden und an dem jüdischen Staat Israel werden: „Vor 80 Jahren sollte das europäische Judentum ausgelöscht werden, seit 1948 soll der Staat der Juden, Israel ausgelöscht werden.“
Im Hinblick auf die Bedrohungslage Israels durch den Iran appellierte der Direktor des Hauptstadtbüros der „Initiative 27. Januar“, Josias Terschüren, an Bundeskanzlerin Angela Merkel: „‚Nie wieder‘ muss für uns als Bundesrepublik bedeuten, dem Iran zu verwehren, eine Atombombe zu bauen.“
Von: Martin Schlorke