USA: Evangelikaler Verband ruft zum Fasten und Beten auf

Nach dem Sturm von Demonstranten auf das US-Kapitol rief die National Association of Evangelicals zu einem Wochenende des Fastens und Betens auf. In einer Stellungnahme betonte das evangelikale Netzwerk, dass Christen zum Frieden berufen und der Wahrheit verpflichtet seien.
Von Jonathan Steinert
Bei den Randalen am Kapitol in Washington kamen fünf Menschen ums Leben

Die National Association of Evangelicals (NAE) hat den Sturm von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump auf das Kapitol in Washington D.C. verurteilt: Der Aufstand mache den Hass und die Polarisierung in der amerikanischen Gesellschaft deutlich. Die NAE „prangert die Gewalt“ und die „Laster, die zu diesem Chaos geführt haben, an“, heißt es in einer Stellungnahme. Bilder von den Protesten zeigten eine „beunruhigende Verbindung“ von christlichem Glauben und nationalistischer Ideologie. Christen seien jedoch dazu berufen, Frieden zu stiften.

„Der Mob am Kapitol ist von Führern aufgestachelt worden, die Lügen und Verschwörungstheorien für ihre politischen Ziele benutzt haben – inklusive Präsident Trump“, heißt es weiter. Evangelikale seien jedoch der Wahrheit verpflichtet und sollten Unwahrheiten ablehnen. Das Netzwerk rief dazu auf, an diesem Wochenende zu beten und zu fasten. Die Gemeinden des Verbandes sollen für einen friedlichen Machtwechsel, Heilung und Frieden beten. Zudem forderte die NAE Pastoren dazu auf, ihren Gemeinden zu helfen, einen „christusgemäßen Ansatz“ in die Politik und das öffentliche Leben einzubringen.

Die NAE beklagte zudem, dass Rassismus das Land plage. Die Zahl der Todesopfer hätte noch höher sein können, wenn die Demonstranten von anderer Hautfarbe gewesen wären, gibt der Verband zu Bedenken und betonte: „Gott hat jeden Einzelnen mit gleichen Werten und Würde ausgestattet.“ Die NAE repräsentiert nach eigenen Angaben US-amerikanische evangelikale Christen aus mehr als 45.000 Gemeinden und über 40 Denominationen.

Am Mittwoch protestierten zahlreiche Anhänger Trumps vor dem Kapitol in Washington D.C., dem Sitz des Kongresses. Die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und des Senats sollten dort den Wahlsieg Joe Bidens bestätigen. Ein Mob stürmte das Gebäude und randalierte, sodass die Sitzung unterbrochen werden musste. Bei den Ausschreitungen kamen mindestens fünf Menschen zu Tode – darunter ein Polizist.

Soziologe sieht Mitverantwortung für Unruhen bei Evangelikalen

Der amerikanische Soziologe Philip Gorski von der Yale Universität sieht bei den Unruhen auch eine Mitverantwortung evangelikaler Christen. Bei dieser Gruppierung hätten nationalistische Tendenzen in den letzten Jahren zugenommen. Einige Aufrührer hatten Schilder mit der Aufschrift „Jesus2020“, „Jesus saves“ oder „Nancy Pelosi is Satan“ gezeigt. Außerdem hatten sie vor dem Kapitol ein riesiges Holzkreuz aufgestellt.

„In Trumps Amerika hat der Evangelikalismus zu einer Art Autoritarismus geführt“, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem gebe es Verbindungen zu bewaffneten Bürgerwehren, den sogenannten Milizen, und zur Verschwörungsbewegung QAnon. Diese gefährliche Radikalisierung sei von vielen unterschätzt worden. Jetzt müssten vor allen Dingen die einflussreichen, führenden Evangelikalen wie der evangelikale Pastor Franklin Graham und der Präsident der Universität Southern Baptist Theological Seminary, Albert Mohler, ihre „Komplizenschaft anerkennen“ und dafür auch Buße tun, forderte Gorski. Sie hatten immer wieder gefordert, Trump mit aller Kraft zu unterstützen – von den weißen Evangelikalen hatten bei der Präsidentschaftswahl im November 76 Prozent für Trump gestimmt.

Auch generell sollten sich die weißen Christen dem verdrängten, aber großen Einfluss der „White Supremacy“, der Vorherrschaft der Weißen, auf ihre Theologie und ihre Kirchen stellen, meint Gorski. Sie müssten auch dem systematischen Rassismus in der US-Gesellschaft mit allen Kräften entgegenwirken. Gorski bezweifelt jedoch, dass sie den Mut dazu haben werden. Dies würde bewirken, dass sich viele junge Evangelikale vom Evangelikalismus distanzieren und eine post-evangelikale Bewegung aufbauen.

Joe Biden soll am 20. Januar in sein Amt eingeführt werden.

Von: Jonathan Steinert/epd

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