Klage abgewiesen: Muezzin-Gebetsrufe erlaubt

Freitägliche Muezzin-Gebetsrufe stellen keine Belästigung dar. Das urteilte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, nachdem ein Ehepaar in Oer-Erkenschwick gegen den muslimischen Gebetsruf geklagt hatte.
Von Jörn Schumacher
Muezzin

Ein Ehepaar aus Oer-Erkenschwick sah sich angesichts der Gebetsrufe einer Ditib-Gemeinde in der Nachbarschaft gestört. Auch mit Verweis auf eine „negative Religionsfreiheit“ klagte das Paar. Wie die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtet, urteilte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster nun, dass die über Lautsprecher übertragenen Gebete „keine rechtlich erhebliche Belästigung“ darstellen. Wie das OVG am Mittwoch mitteilte, seien die zeitlich und in ihrer Lautstärke begrenzten Gesänge den Klägern zuzumuten.

Die negative Religionsfreiheit sei zudem nicht in Gefahr, urteilte das Gericht, denn diese vermittle „kein Recht darauf, von anderen Glaubensbekundungen verschont zu bleiben, sondern bewahre den Einzelnen davor, gegen seinen Willen an religiösen Übungen teilnehmen zu müssen“. Einmal in der Woche für maximal 15 Minuten ein Gebet hören zu müssen, sei damit nicht vergleichbar.

Das Paar, das in Medienberichten als „christlich“ bezeichnet wurde, wohnt 900 Meter von einer Ditib-Gemeinde entfernt, die einmal in der Woche via Lautsprecher zum Gebet ruft. Es war gerichtlich gegen eine Sondergenehmigung der Stadt Oer-Erkenschwick aus dem Jahr 2017 vorgegangen, es fühle sich nach eigener Aussage durch die öffentlich verbreiteten Religionsbekenntnisse wie „Allah ist groß“ oder „Es gibt keinen Gott außer Allah“ gestört. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab dem Ehepaar 2018 recht und hob die Sondergenehmigung für die Ditib-Moschee auf. Doch die Stadt Oer-Erkenschwick legte Berufung ein, und das Verfahren wurde neu aufgerollt.

Debatten auch in anderen Städten

Wegen der Corona-Krise konnte der muslimische Fastenmonat Ramadan in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden. In mehreren deutschen Städten durften im April daher Muezzins die Gläubigen zum Gebet rufen. Mit dem Ruf zum Gebet solle ein „hörbares Zeichen für Zusammenhalt und Solidarität“ gesetzt werden, argumentierte der Ausländerrat der hessischen Kleinstadt Haiger und forderte eine Sondergenehmigung für die lokale Gemeinde während des Ramadan.

Auf diesen Vorschlag reagierte die CDU Haiger mit einem Facebook-Post und kritisierte: „Kirchenglocken ohne textlichen Inhalt sind nicht zu vergleichen mit einem inhaltlichen Gebetsaufruf (wertende Botschaft) durch einen Muezzin.“ Der Ausländerrat warf der Partei wiederum Intoleranz vor. Doch auch in anderen Städten kam es im April zu Debatten um Muezzin-Rufe. Auch in Bremen, Krefeld und München wurde dem Wunsch der muslimischen Gemeinden stattgegeben – selten kritikfrei.

Kritiker schreiben dem Muezzin-Ruf eine tiefere theologische Bedeutung zu – im Gegensatz zum kirchlichen Geläut. Kirchenglocken selbst gehörten nicht zum Gebet und proklamierten keine theologische Botschaft. Der muslimische Gebetsruf könne dagegen für Nichtmuslime als eine erzwungene Maßnahme an einer gottesdienstlichen Handlung empfunden werden, schreibt der Referent für Islamfragen der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Friedmann Eißler, im EZW-Newsletter. Er bezweifle außerdem, dass die Absicht der Befürworter, ein gesellschaftliches Zeichen der Solidarität zu setzen, an der Basis der Moscheegemeinden angekommen sei.

Von: Jörn Schumacher

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