Mit Porno gegen Porno

Die Sat.1-Doku „Mütter machen Porno“ begleitet fünf Mütter dabei, wie sie einen Pornofilm produzieren. Einen, der ein realistisches Bild von Sexualität zeichnet, so das Ziel. Die Frauen sagen den herkömmlichen Pornos, der Gewalt und Erniedrigung den Kampf an. Gut, dass der Sender diesen Kampf unterstützt. Ob die Strategie dafür taugt, ist fraglich. Eine TV-Kritik von Jonathan Steinert
Von PRO
Die fünf Frauen sind entsetzt, wie einfach Pornos im Netz zu finden sind – und wie grausam das ist, was sie zeigen

Fünf Mütter wollen einen Porno drehen. Einen „ordentlichen“, den sie verantworten können. In dem Sexualität als etwas Schönes dargestellt wird, wo es um Liebe, Gefühle, Zärtlichkeit geht. Und wollen so den Pornos etwas entgegensetzen, in denen die Frau zum Sexobjekt des Mannes wird, wo es um Gewalt oder Erniedrigung geht. Das ist das Konzept der Doku „Mütter machen Porno“, die derzeit auf Sat.1 läuft. Die erste Folge wurde am 22. Juli ausgestrahlt, die Fortsetzung folgt eine Woche später. „Wie können Jugendliche Erotikfilme als lustvollen Genuss erleben, ohne verstört zu sein?“, fragt die Moderatorin zu Beginn. Die „Dokutainment“-Sendung „Mütter machen Porno“ will über die Probleme von gängigen Pornos aufklären und gleichzeitig eine positive filmische Darstellung von Sex dagegensetzen.

Die fünf Frauen, die dafür aktiv werden, sind zwischen 36 und 49 Jahren alt und haben alle mehrere Kinder zwischen vier und 21 Jahren. Sie arbeiten etwa als Erzieherin, Friseurin oder im medizinischen Bereich. Ihre Kinder haben Smartphones und Tablets. Pornografischen Inhalten zu begegnen, ob absichtlich oder auch ungewollt, lässt sich bei den Jugenlichen kaum vermeiden. In der Schule ist das Thema, über Whatsapp werden Filmchen verschickt, berichten sie. Ihren Müttern ist es wichtig, dass ihre Kinder dadurch keine falsche Vorstellung von Sexualität bekommen. Deshalb wollen sie einen Film produzieren, der Sex realistisch und echt zeigt.

Die Sendung startet damit, dass sich die Frauen treffen, um sich überhaupt erst einmal ein Bild davon zu machen, was Jugendliche im Netz so konsumieren können – und sind erschüttert, wie leicht pornografische Filme entweder ohne oder mit einer leicht zu überwindenden Altersfreigabe zugänglich sind. Sie googeln und sichten einige Pornos – der Ekel steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Einige sekundenlange Fetzen fängt die Kamera in der Doku auch ein, das Bild verschwommen zwar, der Ton eindeutig. Es ist kaum auszuhalten, wie da gestöhnt wird, wie Frauen offenbar misshandelt werden und wimmern. Die Mütter kommentieren die Szenen entsetzt. „Ich bin wütend auf die Filmemacher, auf die Männer, die Frauen benutzen wie ein Stück Dreck“, sagt eine. Nicht alle Pornos sind so gestrickt, die Bandbreite ist groß. Aber die lässt sich eben auch in ihrem ganzen Ausmaß im Netz finden.

Man sieht genug, um es abstoßend zu finden

Immer wird die eigentliche Handlung der Doku von kurzen Sequenzen unterbrochen, wo Jugendliche berichten, welche Erfahrungen sie mit Pornos gemacht haben. Manche waren noch keine zehn Jahre, als sie die ersten gesehen haben. Diese Einspieler machen gewissermaßen auf einer zweiten Erzählebene das Anliegen der Mütter dringlich.

Zunächst müssen die fünf Frauen aber recherchieren, um überhaupt eine Idee zu bekommen, wie ihr Film aussehen soll. Besuche bei einer Sexologin, auf der Erotikmesse Venus, bei einer Domina und am Set eines Porno-Drehs des Produzenten Wolf Wagner samt Gesprächen mit den Darstellern gehören dazu. Danach wissen die Frauen weitestgehend, was sie nicht wollen. Für den Zuschauer ist es einigermaßen aufschlussreich, die Besuche der fünf Frauen zu verfolgen und mit ihnen einen Blick in die Pornobranche zu werfen. Denn es ist kaum vorstellbar, was da läuft, welche Fetische ausgestellt werden, wie sich Menschen mehr oder weniger offen in der Messehalle prostituieren und wie die Pornodarsteller zu ihrem Beruf stehen.

Die Doku bemüht sich, diese Dinge nur anzudeuten und flüchtig einzufangen, aber man sieht genug, um es abstoßend zu finden. So geht es auch den Frauen, die am Porno-Set einem Mann und zwei Frauen dabei zuschauen, wie sie in verschiedenen Kombinationen auf einem abgeranzten Sofa Geschlechtsverkehr haben. Szenen, die ohne Gewalt auskommen und trotzdem widerlich sind.

Die fünf Mütter haben da andere Ideale. Eine zentrale Frage wird jedoch zum Streitpunkt: Wie viele Darsteller sollen in ihrem Porno auftreten? Und in welcher geschlechtlichen Kombination? Während eine der Frauen darauf besteht, dass es zwei Frauen und ein Mann sein sollen – schließlich sei die heutige Gesellschaft für so etwas offener –, würde eine andere aus dem Projekt aussteigen, wenn nicht ein Paar aus Mann und Frau gezeigt wird. Die Auflösung dieses Konflikts und das Ergebnis des Projekts zeigt dann die zweite Folge, die am 29. Juli um 20.15 Uhr ausgestrahlt wurde.

Am Ende der Doku weist die Moderatorin Paula Lambert darauf hin, dass übermäßiger Pornokonsum das Gehirn dauerhaft verändere, „quasi abstumpft“. Das hätten klinische Studien ergeben. „Die Folge: Immer extremere Clips müssen her, um überhaupt ein gewisses Erregungslevel zu erreichen.“ Der Sender macht sein Anliegen unmissverständlich deutlich: Pornos bergen eine Gefahr für Jugendliche und ihre Vorstellung von Sexualität. Es ist natürlich zu unterstützen, dass der Sender sich dieses Problems so kritisch annimmt. Die Frage ist allerdings, ob ein „Liebes-Porno“, wie ihn die fünf Mütter produzieren, die richtige Antwort darauf ist.

Sex geht nur die Partner etwas an

Sicherlich: Wenn Jugendliche realistische, echte Darstellungen von Sex sehen, ist das allemal besser als kranke, entwürdigende, ekelhafte Streifen. Allerdings: Realistisch und „schön“ wird Sex auch in anderen Filmen gezeigt, ohne dass die Kamera dabei in Nahaufnahme auf die Geschlechtsteile gehen muss und ohne dass die Schauspieler wirklich miteinander verkehren. Ist ein Porno, das Abfilmen und Zeigen von echtem Sex vor der Kamera, der dann trotzdem aus einer gespielten Situation entsteht, wirklich aufklärend? Vor allem regt er wahrscheinlich die eigene Lust an und stillt ein gewisses voyeuristisches Bedürfnis, das wohl allen Menschen innewohnt.

Einem wichtigen Aspekt kann auch ein „guter“ Porno nicht gerecht werden: Er kann, einfach weil er eben tatsächlichen Geschlechtsverkehr zeigt, nicht vermitteln, dass Sex etwas Intimes, Emotionales, Persönliches ist. Etwas, das nur die etwas angeht, die daran beteiligt sind.

Daran ändert auch nichts, dass Sexualität auf verschiedene Weise relativ präsent ist in der Öffentlichkeit. Daran haben wir uns weitestgehend gewöhnt. Dennoch: Vor Publikum werden höchstwahrscheinlich die wenigsten Sex haben wollen, geschweige denn erfüllenden haben können. Warum, so sollte man sich ehrlich fragen, also anderen dabei zuschauen – auch wenn es Schauspieler sind und eine Leinwand dazwischen ist?

Unabhängig davon fordert die Sat.1-Sendung heraus. Wie reden wir zum Beispiel in christlichen Gemeinden über Sexualität? Oder in der Familie? Und: Haben Eltern eine Vorstellung davon, womit ihre Kinder über die Sozialen Medien und Messenger-Dienste in diesem Bereich konfrontiert werden? Es ist hilfreich und wichtig, dass der Sender sehr eindringlich dazu anregt, sich damit zu beschäftigen. Hinter der Lösung, die die Doku selbst anbietet, ist allerdings ein Fragezeichen zu setzen.

„Mütter machen Porno“, Sat.1, 22. und 29. Juli 2020, jeweils 20.15 Uhr sowie in der Mediathek

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