Bis 1453 galt die Hagia Sophia als die bedeutendste Kirche in der orthodoxen Welt. Als die Osmanen Istanbul eroberten, wurde sie zur Moschee und mit der Gründung der der Türkischen Republik 1934 zu einem Museum. Dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sie in dieser Woche wieder zu einer Moschee umgewidmet hat, kritisiert die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) scharf.
Aus deren Sicht ist das UNESCO-Kulturerbe ein Symbol für das friedliche Zusammenleben der Religionen. Die Umwidmung sei ein Akt rückwärts gewandter Intoleranz und aus reinem politischem Kalkül getroffen. „Es ist ein Ausdruck der Intoleranz gegenüber dem Christentum und seinen Angehörigen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gremiums vom Freitag.
Die EMOK schließt sich der Kritik des Mittelöstlichen Kirchenrats an. Er hatte die getroffene Entscheidung als „Verletzung religiöser Freiheit und Koexistenz“ bezeichnet. Die EMOK bedauert, dass die Hagia Sophia mit ihrer Umwidmung zur Moschee von einem Symbol religiöser Toleranz und friedlicher Koexistenz zu einem Symbol der Kontroverse und Konfrontation gemacht worden ist.
Orthodoxe Geschwister tief verletzt
Die Entscheidung füge den christlich-islamischen Beziehungen großen Schaden zu. Die EMOK erwartet wie der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht werde. Die christlichen Geschwister der orthodoxen Welt seien durch diesen Schritt tief verletzt worden.
Gleichzeitig sorgt sich die Organisation um die Auswirkungen dieses Aktes der Instrumentalisierung der Religion durch die Politik. Die wenigen noch in der Türkei verbliebenen orthodoxen Christen betrachten die Maßnahmen Erdogans mit großer Sorge. Die EMOK appelliert deswegen an die demokratisch gesonnene türkische Zivilgesellschaft sowie an alle im interreligiösen Dialog Aktiven, zur Mäßigung im Verhältnis der Religionen zueinander beizutragen und sich für den Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten stark zu machen.
Dröge: „Stellen uns entschieden gegen die Anordnung“
Der Vorsitzende der EMOK, EKD-Ratsmitglied Bischof i.R. Markus Dröge, befürchtet, dass mit diesem Schritt das Kulturerbe, „das bisher als Symbol des friedlichen Zusammenlebens galt, zu einem Zeichen der Konfrontation gemacht“ werde. Das würde einen herben Rückschlag im christlich-muslimischen Dialog markieren: „Mit den Christen des Nahen Ostens stellen wir uns deshalb entschieden gegen diese Anordnung.“
Die EMOK ist in der EKD ein Zusammenschluss von Kirchen, Missionswerken, Hilfswerken und christlichen Organisationen, die Beziehungen zum Mittleren Osten pflegen. Ein wesentliches Anliegen der EMOK ist der Fortbestand und das Wachstum der Kirchen im Mittleren Osten. Sie fördert die Zusammenarbeit zu Themen des christlich-jüdischen und des christlich-islamischen Dialogs im eigenen Kontext sowie im Mittleren Osten und verfolgt die politische und die gesellschaftliche Entwicklung in der Region.
Von: Johannes Blöcher-Weil