Eine Schiff gewordene Predigt

Im Juli soll das Schiff der EKD zur Seenotrettung seinen ersten Einsatz haben. Von Anfang an war das Projekt von Kritik begleitet und von der Frage: Ist das die Aufgabe der Kirche? pro-Kolumnist Jürgen Mette sagt: Ja! Denn Ertrunkenen kann die Kirche das Evangelium nicht mehr bezeugen.
Von PRO
Viele Jahre leitete der Theologe Jürgen Mette die Stiftung Marburger Medien. Sein Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“ schaffte es 2013 auf die Spiegel-Bestsellerliste. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wird ein Schiff auf das Mittelmeer schicken, um Ertrinkende in Todesnot zu retten. Eine Selbstverständlichkeit, oder? Offizielle Begründung: „Als Kirche und Diakonie sehen wir das Retten von Menschenleben als selbstverständliche Pflicht an. Es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, Menschen, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Elend fliehen, nicht ihrem Elend zu überlassen.“

AMEN dazu! Die Kirche des Wortes wird zu einer Kirche der Tat. Diakonie ist Gottesdienst an den Schwachen und nicht ein Zweck der Evangelisation. Damit überwindet die Kirche (hoffentlich) die unselige Trennung von Diakonie und Evangelisation. Einem Ertrunkenen kann man kein Evangelium bezeugen. Und der zwischen Jerusalem und Jericho unter die Räuber gefallen war, brauchte medizinische Erstversorgung, keine Predigt. Empathie und dienende Hilfeleistung sind Konsequenzen der Missio Dei: Gott sendet Jesus zu den Hungernden, zu den Ertrinkenden, zu den Einsamen und Kranken. Und Jesus lässt sich vom Elend der Menschen seiner Zeit anziehen. Was gibt es da noch zu meckern und zu mäkeln? Dem von der EKD gestarteten Aktionsbündnis „United4Rescue“ haben sich inzwischen mehr als 150 Organisationen angeschlossen.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hat wegen der Pläne zur Seenotrettung von Migranten Morddrohungen erhalten. Er selbst reagiert gelassen auf solche Agitationen.

Politischer Wiederstand kommt von der AfD: das Aktionsbündnis würde nur den Schleppern dienen.

Innerkirchlicher Widerstand kritisiert die geplante Route. Die Fokussierung der EKD auf die zentrale Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien sei nicht sinnvoll. Die Flüchtlingszahlen auf dieser Route seien rapide gesunken und das Geschehen spiele sich längst wieder weiter östlich zwischen der Türkei und Griechenland ab.

Nicht mit der Not abfinden

Aus dem konservativen Lager vernimmt man moderate Stimmen. Till Roth vom bayerischen Arbeitskreis Bekennender Christen (ABC) stellt fest:: „Es gibt einen vorrangigen Auftrag der christlichen Kirche, der liegt in der Verkündigung, in der Verbreitung des Evangeliums, also in der Botschaft, dass Gott in Jesus zu den Menschen gekommen ist und sie rettet.“

Hinter den Kulissen höre ich: „Die EKD sollte lieber das Geld für Evangelisation ausgeben!“ Oder: „Ist der Kapitän gläubig?“ oder: „Wird den Geretteten das Evangelium bezeugt?“ Oder: „Wie kann die Berliner Stadtmission und der Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund den Missionsauftrag erfüllen?“ Ich verzichte ausdrücklich auf die Kommentierung solcher Stimmen.

Ich halte es für alternativlos, dass die christlichen Kirchen sich an einer Rettungsmission beteiligt, aus einem einzigen und einfachen Grund: Christen dürfen nicht Menschen einfach so im Meer absaufen lassen, schon gar nicht in der zynischen und widerlegten Hoffnung, dass ihr Tod andere davor zurückschrecken lässt, ins Schlauchboot zu steigen. Solange die EU-Rettungsmission Sophia an den nationalen Egoismen Europas scheitert, was eine Schande für uns ist, können sich die Kirchen nicht mit dieser Not abfinden.

Gleichzeitig stelle ich mich zu meinen Schwestern und Brüdern, die sich um die Kernkompetenz der Kirchen sorgen: „Den Glauben an Jesus Christus in Wort und Tat bezeugen“ – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Darum kann ich nicht gegen die EKD-Initiative sein.

So haben wir es im Jugendkreis vor 55 Jahren gesungen:

Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt

fährt durch das Meer der Zeit.

Das Ziel, das ihm die Richtung weist,

heißt Gottes Ewigkeit.

Das Schiff, es fährt vom Sturm bedroht

durch Angst, Not und Gefahr.

Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg,

so fährt es Jahr um Jahr.

Und immer wieder fragt man sich:

Wird denn das Schiff bestehen?

Erreicht es wohl das große Ziel?

Wird es nicht untergehen?

Bleibe bei uns Herr!

Bleibe bei uns Herr,

denn sonst sind wir allein

auf der Fahrt durch das Meer.

O bleibe bei uns Herr.

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